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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


sich allein angewiesen dasteht und thun und lassen kann, was ihm beliebt, so entbehrt er dafür doch der meisten Annehmlichkeiten und Genüsse, welche das Leben in civilisirten Ländern bietet, vor Allem der Zerstreuungen durch gesellschaftlichen Verkehr. In den meisten Fällen ist das Verhältniß der wenigen auf einander angewiesenen Weißen in den Colonien nicht einmal ein freundschaftliches. Der Handel, der Verkehr mit den Schwarzen besteht jahraus jahrein in einem langweiligen Einerlei. Nur die Streitigkeiten und Kriege der Neger, bei welchen die Weißen in der Regel Partei ergreifen oder als Vermittler auftreten, bieten einige Abwechselung in der einförmigen Lebensweise. Das freudigste Ereigniß aber bildet das allmonatliche, an einzelnen Punkten häufigere Erscheinen der englischen Postdampfer. Ist der „Steamer“ zu erwarten, so steht jeder Kaufmann auf dem Decke seines Schiffes, das mächtige Fernrohr vor dem Auge. Wehe dem Neger, der jetzt mit einer Kalebasse Oel den Beobachter zu stören versucht, eine reiche Auswahl wenig schmeichelhafter Bezeichnungen ist das Geringste, was er nebst seinem Oele wieder mit sich fortnimmt, denn der Kaufmann ist nicht gewöhnt, sich stören zu lassen, am wenigsten in so wichtigen Augenblicken. Bewegungslos steht er und späht in die Ferne, bis ein Wölkchen am Horizonte das Nahen des Ersehnten anzeigt, worauf sogleich zur Begrüßung die Flagge an den Tag geht. Nach kurzer Zeit schallt ein Böllerschuß über das Wasser; der schöne, große Dampfer liegt zwischen den Hulks. Auf allen Schiffen werden die Boote klar gemacht; acht bis vierzehn Kruneger (Eingeborene von Cap Palmas, welche die zur Arbeit brauchbarsten Neger sind und allgemein in Westafrika von den Kaufleuten in Dienst genommen werden) besetzen, häufig in gleiche Uniform gekleidet, die Ruderbänke. Am Steuer wird ein Leopardenfell oder ein Teppich über den Sitz gebreitet, auf welchem der Besitzer der Hulk Platz nimmt, in eleganter Kleidung, den Strohhut mit einem weißen Tuche umwunden, dessen Zipfel über den Nacken herabhängen, den aufgespannten Sonnenschirm in der Hand, den unvermeidlichen, der auch bei bewölktem Himmel nicht fehlen darf und mehr ein Zeichen der Würde als ein Schutzmittel ist.

Von allen Seiten fahren die Kaufleute herbei. Die Briefe werden in Empfang genommen, Ladungen geholt und abgegeben und ein paar Stunden mit den Officieren des Dampfers und den ankommenden oder heimfahrenden Passagieren verplaudert, bis der Böllerschuß die Abfahrt verkündet. Bald ist der Rauch wieder hinter dem Horizonte verschwunden; die Colonie liegt in ihrer früheren Einsamkeit da.

Die Entbehrung geselliger Unterhaltung, mancher Zerstreuungen und Genüsse würden indessen den Aufenthalt in jenen Ländern nicht in so trübem Lichte erscheinen lassen. Es würde nicht zu hoch sein, zehn Jahre voll Entbehrungen gegen ein später sorgenfreies Leben einzusetzen. Das Schlimmste, was den Europäer in Westafrika bedroht, ist das Klima.

In den Flußniederungen ist das Klima als ein mörderisches für den Weißen zu bezeichnen, und es ist nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, der dorthin reisende Europäer träte mit einem Fuße in sein Grab. Die Meisten werden innerhalb der ersten drei Jahre ihrer Anwesenheit hingerafft. Wer diese erste Zeit überstanden, hat Aussicht, länger den verderblichen Einflüssen des Klimas zu trotzen. Acclimatisiren aber kann sich der Europäer dort niemals; noch nach zehnjähriger und längerer Anwesenheit ist er dem Fieber ebenso ausgesetzt wie der neue Ankömmling, und mancher Kaufmann, der sich nach langer Abwesenheit zur Rückkehr in die Heimath rüstete, um die Früchte seiner Arbeit zu genießen, ist noch in der letzten Frist der schleichenden Krankheit erlegen. Fieber, Dysenterie und Leberabscesse sind die Krankheitserscheinungen, denen die Weißen ausgesetzt sind, denen so viele unterliegen. Man berechnete früher, daß von allen Angekommenen nach drei Jahren der dritte Theil todt sei. Das Beibehalten der in der Heimath gewohnten Lebensweise, das jetzt durch Conserven ermöglicht werden kann, sowie Erfahrungen in Behandlung der Krankheiten haben dieses Verhältniß gegenwärtig günstiger gestaltet. Dennoch sind die Opfer zahlreich. Die Engländer sagen mit Recht, daß für ihre westafrikanischen Colonien immer zwei Gouverneure unterwegs seien, der eine, den man todt zurückbringe, der andere, der hinausgehe, um dessen Stelle einzunehmen.

Mehrfach wurde in neuerer Zeit der Gedanke ausgesprochen, dem Kulihandel die Richtung nach Westafrika zu geben. Menschen, welche, wie die Chinesen, an ein ähnliches Klima gewöhnt sind und nicht, wie die Europäer, oder wenigstens in viel geringerem Grade als diese unter den Einflüssen desselben zu leiden hätten, würden bei ausdauernder Arbeitsamkeit in jenen Breiten, die sich für Kaffee-, Cacao-, Reis-Pflanzungen etc. so außerordentlich günstig zeigen, in kurzer Frist die blühendsten Colonien schaffen können. Die Besetzung der westafrikanischen Küsten mit chinesischen Colonisten würde unzweifelhaft auch für den europäischen Handel von der höchsten Bedeutung werden.

Dr. Reichenow.




Erinnerungen aus dem Kriege mit Frankreich.
Von Moritz Busch.
7. Im Hause der Madame Jeffé. – Beschreibung desselben. – Unser Leben in Versailles.

Am 6. October, dem Tage nach unserem Eintreffen in Versailles, äußerte Keudell gegen mich, drei Wochen könne unser Aufenthalt hier wohl dauern, und diese Meinung kam mir ganz glaubwürdig vor; denn man war durch den bisherigen Verlauf des Krieges an rasche Erfolge gewöhnt. Wir blieben aber, wie man weiß und wie der Minister geahnt haben muß, da er sich schon am 7. seinen Pelz von Berlin schicken ließ, fünf ganze Monate, und da sich überdies in dem Hause, wo unser Quartier war, wie ebenfalls bekannt, sehr wichtige Dinge abspielten, so wird eine ausführliche Beschreibung unserer Wohnung vermuthlich willkommen sein.

Das Haus, welches der Bundeskanzler bewohnte, gehörte einer Madame Jeffé, der Wittwe eines wohlhabenden Tuchfabrikanten, die mit ihren beiden Söhnen kurz vor unserer Ankunft nach der Picardie geflüchtet war und zu Hütern ihres Eigenthums nur ihren Gärtner und dessen Frau zurückgelassen hatte. Es steht auf der Rue de Provence, welche die Avenue de St. Cloud kurz vor ihrem oberen Ende mit dem tiefer gelegenen Boulevard de la Reine verbindet, und trägt die Nummer 14. Die Straße gehört zu den stilleren von Versailles und nur ein Theil derselben zeigt dicht neben einander stehende Häuser. Die Lücken zwischen den übrigen sind Gärten, die von der Straße durch Mauern geschieden sind, über welche hier und da Baumwipfel schauen. Auch unser Haus, wenn man von der Avenue kommt, rechts gelegen, liegt zu beiden Seiten frei. Es tritt einige Schritte von der Straße zurück, über der sich vor ihm eine kleine Terrasse erhebt, welche mit der das Ganze abschließenden Mauer endigt. Die Einfahrt durch die letztere, ein eisernes Gitterthor, neben dem eine kleine Pforte sich öffnet und an der in den letzten Monaten eine schwarz-weiß-rothe Fahne wehte, befindet sich links. Auf der Rechten überragt eine stattliche Edeltanne das Gebäude. Letzteres ist eine Villa, die gelblich getüncht ist und in der Front fünf Fenster hat, welche mit weißen Jalousien versehen sind. Auf das hohe Parterre folgt ein zweites Geschoß, dann ein Kniestock mit Mansardenfenstern, wie das abgeplattete Dach mit Schiefer gedeckt.

Vom Hofe hinter dem Eingange zu dem Grundstücke steigt man auf einer steinernen Freitreppe nach der Hauptthür des Hauses hinauf, durch die man auf einen Vorsaal gelangt, auf welchen rechts die große Treppe, links die Thür zu einer kleinen Hinterstiege, sowie zwei hohe Flügelthüren münden. Letztere führen in ein mäßig großes auf den Garten hinaussehendes Zimmer, welches für uns zum Speisesaal eingerichtet wurde. Eine dritte Flügelthür, dem Eingang gegenüber, geht in den Salon, eine vierte, rechts von jener, in das Billardzimmer, aus dem man in einen langen, von Glas und Eisen construirten und mit allerlei Pflanzen und Bäumen, sowie mit einem kleinen Springbrunnen geschmückten Wintergarten tritt, während sich an

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_065.jpg&oldid=- (Version vom 30.7.2017)