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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

verständliche, den Laienverstand nicht zurückschreckende, sondern fesselnde Darlegung volkswirthschaftlicher Gesetze und Grundsätze ist eine ganz unabweisbare Nothwendigkeit geworden, aber sie gehört zu den allerschwierigsten und deshalb von Vielen für unlösbar gehaltenen Aufgaben. Herrn Kalle ist es gelungen diese Aufgabe zu lösen, weil er nicht blos auf dem Wege des Studiums eine ausgezeichnete theoretische Bildung und Fachkunde sich erworben hat, sondern weil diese sich in ihm auch mit einer genauen Kenntniß der thatsächlichen Zustände der Arbeiterwelt, mit reicher praktischer Erfahrung und allen Anschauungen und Wünschen eines durchaus human gesinnten Patrioten verbindet. Darum trägt sein Wort das Gepräge der Verstandesschärfe wie der Liebe des Herzens, und darum ist es so faßlich und schlicht und doch so warm, so eindringlich und überzeugend. Unser modernes Gesellschaftsprincip mit seiner rechtlichen Gleichstellung Aller und seinem Streben nach der Unabhängigkeit jedes Einzelnen erscheint auch ihm als das einzig segensreiche und des Menschen würdige, aber es erscheint ihm so nur unter der Voraussetzung, daß Alle auch in der Lage sind, durch Erlangung der unbedingt erforderlichen inneren Kräfte der Erkenntniß und Sittlichkeit von der neuen Freiheit den rechten Gebrauch zu machen und so ihren Rechten gegenüber auch ihre Pflichten in Bezug auf sich selber und auf die Gesammtheit zu erkennen.

Daß auf diesen Punkt jetzt das Bestreben aller Volksfreunde mit rühriger Energie sich richten müsse, das ist in den letzten Jahren oft gesagt, gepredigt, in den ernstesten Mahnrufen auseinandergesetzt worden. Nun sehe man aber, wie der bezeichnete Verfasser aus einer kleinen Anzahl von Bogen die Sache praktisch angreift, um sie endlich einer Verwirklichung näher zu bringen! Von der idealen Gesichtsseite aus, daß fortschreitende geistig-sittliche Hebung und Veredelung die Grundlage und das Ziel alles wahren Gesellschaftslebens sei, gestaltet sich seine kleine Arbeit zu einer anregenden, immer die nächsten Interessen berührenden wirthschaftlichen Belehrung voll goldener Regeln für Jedermann, namentlich aber für den kleinen Geschäftsmann, Handwerker und Arbeiter. Wie vortrefflich sind z. B. die Abschnitte über die Nothwendigkeit des Rechnenkönnens und einer geordneten Buchführung (zu welcher gleichzeitig die Anregung gegeben wird) für Haus, Werkstatt und Geschäft, ferner die Capitel über den wirthschaftlichen Werth der sittlichen Tugenden, der Ehrlichkeit, des Fleißes, der Ordnung etc., sowie über die materiellen Bedingungen eines gedeihlichen Familienlebens! Wahrhaft erhebend werden die Ausführungen, wo Kalle von dem eingerissenen Classenhaß, von den communistischen Träumen und dem socialistischen Agitationswesen, von den wahren Pflichten nicht blos der Arbeiter, sondern auch der ganz besonders hier verantwortlich gemachten Arbeitgeber spricht. Was er in der Volkserziehung erstrebt sehen will, darüber möge man eben seine deutlichen Aeußerungen selbst nachlesen! Ein trauriges Zeichen träger Sorglosigkeit aber wäre es, wenn eine so dankenswerthe Leistung nicht Allen bekannt werden, nicht von Allen mit freudigem Eifer verbreitet werden sollte, denen das Wohl unseres Volkes und die Rettung aus den täglich stärker herausdrohenden Gefahren unseres Gesellschaftswesens am Herzen liegen muß. Der Erlös des Büchleins ist für eine Stiftung der „Gesellschaft zur Verbreitung von Volksbildung“ bestimmt, und es wird dasselbe wohl am sichersten durch das Büreau dieses Vereins (Berlin, Matthäikirchstraße 15) zu beziehen sein.


Ueber die Beförderung der Hunde auf den Eisenbahnen. Ein ebenso großer, wie leicht zu beseitigender Mißstand herrscht noch auf den Bahnen beim Transporte von Hunden. Es ist bekannt, daß diese Thiere in die an dem Packwagen befindlichen Hundeställe gebracht werden müssen und hier oft viele Stunden lang Frost oder Hitze, jedenfalls aber eine traurige Einzelhaft zu ertragen haben. Die Hundeställe, welche auch zum Transporte von anderem Vieh verwendet werden und deren Raum äußerst knapp bemessen ist, sind oft nicht einmal hinlänglich ventilirt und meist auch sehr verunreinigt. Jedenfalls nur zu oft bergen sie Krankheitskeime oder sind mit Carbolsäure stark desinfiziert, also mit einem Geruche angefüllt, der für die Nase des Hundes die furchtbarste Marter ist und dessen fortgesetzte Einwirkung dieses Sinneswerkzeug, auf welchem fast allein der materielle Werth eines Hundes beruht, nachhaltig schwächen oder bis zum Grade völliger Unbrauchbarkeit abstumpfen kann. Zu diesen physischen Unannehmlichkeiten, Nachtheilen und Gefahren, mit welchen der Aufenthalt in einem solchen Hundekasten für seinen Insassen verbunden ist, gesellt sich bei diesem noch das trostlose Gefühl des Verlassen- und Gefangenseins, die Angst um das eigene Schicksal und das des verloren geglaubten Herrn, die, durch das Poltern des Zuges und andere Vorkommnisse (z. B. das Passiren von Tunnels etc.) noch gesteigert, sich in den verzweifeltsten, herz- und ohrzerreißenden Klagetönen Luft macht. Also ist die Beseitigung solcher Kasten schon ein dringendes Gebot der Humanität.

Ferner ist es auch für den Eigenthümer des Hundes, wie für das Zugpersonal eine nicht zu unterschätzende Belästigung, daß sie gerade zu der ohnedies kurzen Zeit des Ein- und Umsteigens mit der Unterbringung des Hundes in dem von den Personenwagen entfernten Packwagen aufgehalten werden. Wohl mögen der Bahnverwaltung auch manchmal Unzuträglichkeiten und Unkosten aus ihrer Haltbarkeit für das Thier erwachsen, wenn dasselbe irgend welchen Schaden leidet oder aus seinem Gefängnisse entspringt etc.

Allen diesen Mißständen dürfte leicht abgeholfen sein, wenn bei jedem Zuge wenigstens ein Coupé zweiter Classe sich befände, in welches Hunde mitzunehmen gestattet wäre; eine Tafel mit entsprechender Aufschrift würde dieses Coupé leicht kenntlich machen und verhindern, daß Personen in dasselbe einstiegen, denen die Gegenwart eines Hundes unangenehm ist. Auch für die Bahncasse würde sicherlich kein Schaden aus einer solchen Einrichtung erwachsen, indem alsdann wohl mancher kleine Liebling sein Billet gelöst bekäme, der jetzt, nur um nicht in das grausige Loch zu müssen, versteckt wird und umsonst mitreist.


Elektrische Holzfällung. Ein dünner Metalldraht, der zwischen den Polen eines galvanischen Elementes ausgespannt wurde, geräth bekanntlich, sobald das Element in Thätigkeit gesetzt worden, in ein dauerndes Glühen, und zwar um so sicherer, je dünner er ist, während zum Glühendmachen stärkerer Drähte eben auch stärkere Elemente erforderlich sind. Der Physiker Dr. Robinson in New-York fand nun vor zwei Jahren, daß man mit einem derartig in Dauergluth erhaltenen Platindraht Holz in ähnlicher Weise durchschneiden könne, wie die Seifensieder mit einem kalten Drahte ihr Product in kleine Stücke zerschneiden. Es geht zwar nicht ganz so leicht, wie bei der Seife, aber jedenfalls leichter als mit der Säge, und dabei giebt es keine Spähne, sondern nur eine leicht angekohlte Fläche, welche der Dauerhaftigkeit des so zerschnittenen Holzes entschieden günstig ist. Dieses Verfahren ist neuerdings von den Herren H. S. Parkinson und W. H. Martin in Bombay im Großen zum Fällen der Bäume angewendet worden, indem man die Stämme mit dem glühenden Drahte bis auf ein Fünftel ihres Umfangs durchschnitt und dann auf gewöhnliche Weise zum Umfallen brachte. Dabei soll ein Baum, dessen Fällung in althergebrachter Weise zwei Stunden Zeit erfordert, schon in einer Viertelstunde niedergelegt werden, wobei es keine Holzverluste giebt, was bei werthvolleren Hölzern auch Beachtung verdient. Aber die Methode hat auch ihren Haken, der darin besteht, daß selbst dickere Platindrähte die Verwendung nicht allzu oft gestatten, sondern bald reißen. Es wird sich mithin darum handeln, Drähte von einem zäheren und vielleicht billigeren Metalle ausfindig zu machen.


Keine Prämien zur „Gartenlaube“! Wiederholt müssen wir darauf aufmerksam machen, daß die „Gartenlaube“ sich des Zugmittels von Prämien weder jemals bedient hat noch augenblicklich bedient und daß, wenn solche von größeren Colportage-Handlungen zu Vertriebszwecken unseres Blattes beigegeben werden, dies völlig ohne unser Dazuthun geschieht.


Berichtigung. In einem kleinen Theile der Auflage unserer Nr. 5 ist in der Unterschrift zu dem Bilde des zweiten Bogens wie auch in dem erklärenden Texte dazu „Großfürst – Thronfolger“ statt „Großfürst Nikolaus“ irrthümlich gedruckt worden, wovon wir Notiz zu nehmen bitten.


Kleiner Briefkasten.

D. M. in Hückeswagen. Gegen den Verkäufer, respective den Fabrikanten, der Ihnen die gesundheitsschädlichen Geschirre verkauft hat, in welchen Sie angeblich fünfzehn Procent Bleigehalt gefunden haben, können Sie in keinerlei Weise vorgehen. Ein deutsches Reichsgesetz bezüglich der Controle industrieller Gesundheitssünden giebt es leider noch nicht, und ist es einzig und allein in die Hand des Publicums gegeben, sich vor Schaden dadurch zu schützen, daß man sich nur an solche Händler wendet, welche durch glaubwürdige Nachweise die Garantie des Verkaufes gesundheitsgemäßer Utensilien bieten.


Nachträglicher Dank.

Es sind mir bei Gelegenheit des fünfundzwanzigjährigen Jubiläums der „Gartenlaube“ so viele Zeichen der Sympathie zugegangen, daß ich in hohem Grade dadurch überrascht und fast beschämt worden bin. Weiß ich auch, daß diese freundlichen Aufmerksamkeiten mehr der Sache als der Person galten, so dürfen doch alle die lieben Grüßer in Prosa und Versen, die Spender sinnreicher Geschenke und duftiger Gaben, die Unterzeichner von Glückwunschadressen städtischer Behörden und anderer Corporationen überzeugt sein, daß sie mir persönlich eine unendlich wohlthuende Freude bereitet haben durch die der „Gartenlaube“ damit bewiesene Anhänglichkeit und Theilnahme. Jede einzelne dieser liebenswürdigen Zuschriften zu beantworten, erlaubt mir leider meine knapp zugemessene Zeit nicht. Alle aber, die dieses Tages freundlichst gedacht, wollen sich versichert halten, daß ich vollkommen den Werth der Ermunterung zu schätzen weiß, welcher meinem Streben für ein immer würdiges und befriedigendes Leisten der „Gartenlaube“ durch einen so warmen Ausdruck treuer Liebe bereitet worden ist.

Glück auf also für ein freudiges Wirken, so weit und so lange uns die nöthige Kraft dazu beschieden ist!

     Leipzig, Ende Januar 1878.

Ernst Keil.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_108.jpg&oldid=- (Version vom 8.11.2016)