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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Die „Gartenlaube“ in Trauer! Unerbittlich und mit harter Hand hat das Schicksal an die kaum geschlossene Pforte des ersten Vierteljahrhunderts unseres Blattes ein frisches Grab gestellt – das Grab unseres Theuersten; unerbittlich und mit grausamer Hast hat es in ein schönes, thatenreiches Leben gegriffen und einen Edlen zerschmettert, der noch stark und wetterfest stand in allen Stürmen der Zeit: Wir kommen vom frischen Grabe unseres hochverehrten und innig geliebten Führers und Meisters, unseres

Ernst Keil.

Noch am 8. März lag er froh und rüstig den Pflichten seines Berufes ob, und schon in der Frühe des 23. März hatte der Tod den Rüstigen nach unsagbar schweren Leiden hinweg gerafft. An seiner Gruft steht trauernd sein liebstes Geisteskind, das Kleinod seiner Seele, das er gehegt und gepflegt mit aller Kraft seines Denkens, mit all seiner warmen Liebe zu Volk und Vaterland, mit aller hingebenden Inbrunst seines starken und doch so weichen Herzens. Die Welt ist ärmer um einen der Besten und Tapfersten; Unzählige weinen ihm nach als ihrem Wohlthäter. Wir aber, seit Jahren die Genossen seiner täglichen Berufsarbeit, die Theilhaber seiner literarischen Mühen und redactionellen Sorgen, seiner Freuden und Erfolge, wir, denen er stets ein fester und treuer Freund war und die wir mit ganzer Hingebung sein großes Werk fortführen werden – wir blicken in tiefer Ergriffenheit auf die nun leere Stelle; ging doch von dort, wo nun Oede und Stille herrscht, noch vor wenigen Tagen der Zauber seiner anregenden und erfrischenden Persönlichkeit auf seine Umgebung aus.

In ihm hat die deutsche Literatur einen ihrer machtvollsten Beschützer, der nationale Journalismus einen seiner verdienstvollsten Vertreter und großartigsten Förderer, das deutsche Vaterland aber einen seiner besten Bürger verloren.

Möge er sanft ausruhen von dem gesinnungsfreudigen Kampfe, den er bis zum letzten Augenblicke für Humanität und Freiheit, für Bildung und Volkswohl, für Schönheit und Sitte gekämpft hat! Obwohl erschüttert bis in die tiefste Seele, rufen wir ihm in stolzer Freude nach: Du warst der Erwählten Einer, denen die Inschrift der Grabhalle von Westminster nachrühmt: „Alle diese Todten haben gelebt.

Die Redaction.




Um hohen Preis.
Von E. Werner.
(Fortsetzung.)


Georg lächelte ein wenig schmerzlich, als er seine Hand auf die Schulter des Freundes legte. „Mein lieber Max, ich weiß sehr gut, wem Deine ganze Predigt gilt; sie nützt leider nichts. Du freilich wirst das nicht eher einsehen, bis Dir irgend eine Leidenschaft einen Strich durch Deine sämmtlichen Paragraphen und durch Dein Punctum macht.“

„Bitte, ich bin kein Schwärmer,“ protestirte Max. „Die Schwärmerei überlasse ich gewissen anderen Leuten. Wie steht es denn eigentlich mit der Deinigen? Habe ich auch hier Aussicht auf den Posten als Vertrauter und auf gelegentliche Verwendung als Schildwache? Ich stehe zu Befehl.“

Georg seufzte. „Nein, Max, davon ist keine Rede. Ich sehe Gabriele ja kaum und habe sie erst ein einziges Mal in Gegenwart ihrer Mutter gesprochen. Der Gouverneur hat einen förmlichen Wall vornehmer Abgeschlossenheit um sich und sein ganzes Haus gezogen; es ist unmöglich, ihn zu durchbrechen.“

„Armer Junge!“ sagte Max mitleidig. „Nun kann ich mir auch Dein elegisches Aussehen erklären. Siehst Du, das kommt davon, wenn man solche Dinge allzu gefühlvoll nimmt. Davor schützen mich mein Programm und meine Paragraphen, die Du wirklich ganz unnöthig verspottest.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_223.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)