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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

liegen auch Berichte über diese Ausflüge, wie über alle seine anderen Reisen, vor. Seit 1964 trat er wiederholt als öffentlicher Vorleser in verschiedenen größeren Städten Amerikas auf, und zwar mit großem Beifall und nicht ohne klingendes Ergebniß. Eine Reise auf der Pacific-Eisenbahn im Jahre 1871 benutzte er zu einem Abstecher nach den im Huron-See gelegenen und durch indianische Sagen berühmten Manitouline-Inseln.

Seine Liebe zu Deutschland, die schon aus dem Grunde erklärlich ist, weil er in der talentvollen Tochter des Astronomen Hansen zu Gotha eine treue und vielgeliebte Lebensgefährtin fand, zog Bayard Taylor im Jahre 1872 wiederum über den Ocean nach Europa, wo er sich einige Jahre theils in Italien, theils in Thüringen aufhielt und eifrig mit dichterischen und wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigte. Aber auch das alte Land der Pharaonen übte noch einmal seine wunderbare Anziehungskraft auf ihn; von den Pyramiden begab er sich 1874 nach Island, um die tausendjährige Jubelfeier der Besiedelung dieser Insel mitzumachen und sie durch ein schwungvolles Lied zu verherrlichen. Die Frucht dieser letzten beiden Reisen ist auch seine letzte größere Reisebeschreibung: „Aegypten und Island“.

Als Taylor im Herbste des Jahres 1874 aus der Fremde in die Heimath zurückkehrte, wurde ihm von seinen vielen Freunden und Verehrern ein äußerst herzlicher Empfang bereitet. Der Berg Cuba, in der Nähe des schönen, romantischen Hockessinthales, gleich weit von Philadelphia und der Stadt Wilmington im Staate Delaware gelegen, war als der Platz auserwählt worden, wo die sinnige Empfangsfeier vor sich ging. Dies war vorzugsweise aus dem Grunde geschehen, weil Taylor den genannten Berg und das Hockessinthal nebst Umgegend durch ein gerade vor zwei Jahren in Deutschland verfaßtes längeres Gedicht, „Lars“ betitelt, verherrlicht hatte. Der Festplatz war durch Guirlanden und Triumphbogen geschmückt, an denen sich Sprüche und Sentenzen aus den Werken des berühmten Reisenden, umrahmt von Immergrün und frischen Herbstblumen, befanden. Als sich Taylor, begleitet von seinen betagten Eltern, seiner Frau und seiner Tochter, der Stelle näherte, stimmte ein Sängerchor das von Taylor selbst in’s Englische übertragene deutsche Nationallied „Die Wacht am Rhein“ an, nach dessen Beendigung verschiedene Begrüßungsreden gehalten wurden. Dr. Franklin Taylor, ein Verwandter des Heimgekehrten, der mit diesem vor dreißig Jahren die erste Reise nach Europa gemacht hatte, rief die Erinnerung an vergangene Zeiten wach und gedachte in ergreifender Weise mancher Freunde, die nicht mehr unter den Lebenden weilten. Schließlich nahm Bayard Taylor selber das Wort und gab in einer längere Rede einen kurzen Rückblick auf sein bisheriges Wirken und Streben. Seine vielen Reisen, sagte er unter Anderem, habe er wesentlich nur deshalb unternommen, um sich geistig auszubilden; er wisse wohl, daß seine Reisebeschreibungen, obschon sie viel und gern gelesen würden, doch sehr mangelhaft seien, aber sein letzter Aufenthalt in der Alten Welt sei von ihm zu gründlichen Arbeiten benutzt worden, er habe das Gedicht „Lars“ verfaßt, eine „Geschichte Deutschlands“ geschrieben und ein Drama, „Der Prophet“, gedichtet, außerdem habe er Material zu weiteren, größeren Arbeiten gesammelt. Er stehe an einem Wendepunkt seines Lebens, in drei Monaten werde er fünfzig Jahre alt, aber fühle sich noch körperlich und geistig frisch genug, um Besseres als bisher zu leisten. Seine Frau sei ihm in allen Dingen, auch bei seinen dichterischen Schöpfungen, eine treue und einsichtsvolle Beratherin und Helferin. Er sei kein eigentlicher „Reformer“, aber all seine Kraft solle darauf gerichtet sein, seine Mitbürger und sich selber besser und glücklicher zu machen.

Zum Andenken an das ihm bereitete frohe Bewillkommnungsfest dichtete er bald darauf das warm empfundene Gedicht: „Ad Amicos.“

Taylor’s Dichtungen sind von einem heiteren Glauben an das Gute durchhaucht, ebenso seine Romane und Novellen, unter denen mir „Hannah Thurston“, „Die Geschichte von Kennett“, „John Godfrey’s Schicksale“ und „Joseph und sein Freund“ hervorheben.

Als im Jahre 1875 der deutsche „Goethe-Club“ in New-York, der sehr viel amerikanische Mitglieder hat, am Geburtstage unseres großen Dichterfürsten ein Fest veranstaltete, um die Enthüllung und Einweihung einer wohlgelungenen Goethe-Büste vorzunehmen, welche fortan den großen und schönen Centralpark in New-York schmücken sollte, waren zu dieser Feier auch William C. Bryant und Bayard Taylor eingeladen worden. Der Vorsitzende des „Goethe-Clubs“, Herr Dr. A. Ruppauer, schilderte in einer längeren Begrüßungsrede den Zweck dieses Vereins, der deutschen Literatur in den Vereinigten Staaten eine immer weitere Verbreitung und Anerkennung zu verschaffen, und schloß mit einem Hinweis auf die vielfachen Verdienste der anwesenden Dichter Bryant und Taylor, die Beide, wohlbewandert in der deutschen Literatur, stets Freunde und Förderer des Deutschthums in Amerika gewesen seien.

Taylor beantwortete den auf ihn ausgebrachten Toast dankend und bemerkte in deutscher Sprache, daß er seit Jahren Material gesammelt habe, um für seine Landsleute eine Biographie Goethe’s zu schreiben. Bekanntlich hat Taylor Goethe’s „Faust“ wirklich meisterhaft in’s Englische übersetzt, ebenso Auerbach’s „Landhaus am Rhein“ und verschiedene andere deutsche Dichtungen. Unter den deutschen Uebersetzern Taylor’scher Reisebeschreibungen, Gedichte und Romane sind dagegen zu nennen: Friedrich Coßmann, Spielhagen, Strodtmann und Frau E. Steinitz. Das lyrisch-dramatische Gedicht Taylor’s „Die Maskerade der Götter“ behandelt die tiefsten metaphysischen Fragen über Gott und Welt und ist gleichsam ein Lobgesang auf die das Weltall umfassende göttliche Liebe. Der Stoff des oben erwähnten fünfactigen Dramas „Der Prophet“ ist der Geschichte des Mormonenthums entnommen. Seine „Ode an Columbia“, die er zur hundertjährigen Jubelfeier des 4. Juli 1776 dichtete und bei der Eröffnung der Weltausstellung zu Philadelphia 1876 selbst öffentlich vortrug, zeichnet sich durch dithyrambischen Schwung und hohen Patriotismus aus. Mit welcher Theilnahme er die Ereignisse in Europa verfolgte, davon hat uns erst vor Kurzem sein auf das Hinscheiden des Königs Victor Emanuel verfaßtes Gedicht überzeugt, in welchem er auch Mazzini’s, Cavour’s und Garibaldi’s rühmend gedenkt. Seine „Geschichte von Deutschland“, die er für die Schule der Vereinigten Staaten schrieb und in der er die ehrenvolle Herstellung der deutschen Reichseinheit feiert, ist von seiner Frau Marie in die deutsche Sprache übertragen und in Stuttgart (bei Aug. Berth. Auerbach) erschienen.

Wir haben hier vornehmlich die schriftstellerische Seite und das dichterische Verdienst des ausgezeichneten Mannes betont, weil sich hieraus allein schon hinlänglich die Hoffnung ergiebt, daß eine geistig so glänzende Persönlichkeit, ein so charaktervoller und bedeutender Schriftsteller auch eine Zierde unserer politischen Kreise sein, daß der gefeierte Uebersetzer des „Faust“ und der Verfasser der „Geschichte Deutschlands“ die große transatlantische Republik bei der Regierung unseres jungen Deutschen Reiches würdig und wirksam vertreten wird. Schon in den ersten Tagen des April schickte sich Bayard Taylor zur Abreise nach Deutschland an und von allen Seiten beeilten sich die Amerikaner, ihm ihre aufrichtigen Huldigungen und Glückwünsche durch großartige Abschiedsfeste vorzubringen, an denen sich die hervorragendsten Männer betheiligten. Bei Gelegenheit eines solchen, von dem obengenannten Goethe-Club in New-York ihm zu Ehren veranstalteten Festes äußerte sich der neue Botschafter unter Anderem auch über die Stellung seines schriftstellerischen Berufes zu seinen Pflichten als Staatsmann. Vielleicht, sagte er, gäbe es Einige, welche sagen, an einen solchen Posten von so außerordentlicher politischer Wichtigkeit solle man Niemand stellen, der eine weitab von diesem Felde liegende zweite Aufgabe sich gestellt habe. Denen erwidere er: als Gesandter denke er seine Pflicht in vollstem Maße zu erfüllen. Aber wen er von den vierundzwanzig Stunden des Tages, namentlich von den Stunden, welche nach gethaner Arbeit ihm zur Erholung gehörten, einige in literarischer Thätigkeit verwenden werde, so dürfe ihm das Niemand mißgönnen. Jedenfalls freue er sich, nach Berlin gehen zu können, in die Hauptstadt, wo ihm durch Quellenstudium, durch reichhaltiges Material und aus den lebendigen Mittheilungen der Forscher die Hoffnung winke, seine Arbeit (wohl die beabsichtigte Biographie Goethe’s) in dem Sinne vollenden zu können, wie er sich vorgenommen habe.

Rudolf Doehn.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_277.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)