Seite:Die Gartenlaube (1878) 290.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


daß die Bewohner der Fleischseite ein entschieden üppigeres Aussehen zeigten; auch trieben sie mehr junge Blätter und Blüthenschafte. Bei der Vergleichung zeigte sich nach allen Richtungen, daß die Pflänzchen der Fleischseite besser genährt waren, als die der andern, die gleiche Anzahl derselben zeigte fast das doppelte Gewicht jener und hatte nahezu noch einmal so viel Samenkapseln zur Reife gebracht wie diese. Am deutlichsten sprach sich der Vortheil in dem Totalgewicht der Samen aus, denn dieses war auf der Fleischseite fast viermal so groß als aus der Fastenseite. Man sieht, der Insectenfang ist bei den betreffenden Pflänzchen keine Spielerei, sie wissen – möchte man fast sagen – warum sie zugreifen.

C. St.



Thüringen hat seinen bekannten „Waldläufer“ verloren: am 28. März starb in Schleusingen der preußische Major a. D. A. W. Fils im neunundsiebenzigsten Jahre. Durch seine Höhenmessungen in Mitteldeutschland hat er sich um deutsche Landeskunde wesentliche Verdienste erworben; das Thüringer Waldgebirge hat keine nur irgend nennenswerte Höhe aufzuweisen, welche der alte, ewig rüstige Fils – deß rühmte er sich freudig – nicht bestiegen und gemessen hätte. Seine Höhenschichtenkarten (vom Schlesinger Kreise, vom ganzen Thüringer Wald und Umgebung etc.) sind von Werth und werden dauernde Andenken an den „Thüringer Waldläufer“ bleiben.



Der Formenschatz der Renaissance. Eine Volksausgabe unserer Formenclassiker. Der dreißigjährige Krieg hatte das ganze reiche Culturleben, das sich in Deutschland vom 14. zum 16. Jahrhundert zu so reicher Blüthe entfaltet hatte, halb zerstört, halb verschüttet. Nahezu zwei Jahrhunderte brauchten wir an mühevoller materieller Arbeit, um Schutt und Trümmer, die uns dieser unseligste aller Kriege zurückgelassen, hinwegzuräumen, und erst in neuerer Zeit können wir überschauen, was Deutschland vor dieser Katastrophe an Kunst und Kunsthandwerk besessen, was es vergessen hatte, was es aber glücklicher Weise noch besitzt. Die Gegenwart scheint zur Schaffung neuer Kunstformen nicht besonders angethan zu sein. Unsere Zeit hat einen großen technischen Zug, welcher der ruhigen Bildung origineller Kunstformen nicht förderlich zu sein scheint, und doch wohnt uns durch eine vielseitige Bildung, durch eine weite Umschau auf allen künstlerischen Gebieten, durch den gesteigerten Wohlstand das Bedürfniß der schönen Erscheinung in unserer täglichen Umgebung inne.

Aber dieses Bedürfniß hält, wie wir wissen, mit der Production nicht gleichen Schritt. Es möchte daher das Gerathenste und Praktischste sein, sich an das anzulehnen, was eine frischere und fruchtbarere Phantasie vergangener Zeiten an künstlerischem Schaffen uns hinterlassen hat. Zu diesem Zwecke können wir nichts Besseres thun, als den Lesern unserer „Gartenlaube“, die namentlich in dem Gewerbestande so zahlreiche Freunde besitzt, das Werk des Dr. Georg Hirth in München, „Der Formenschatz der Renaissance“. Verlag von G. Hirth in Leipzig, auf das Allerangelegenste zu empfehlen.

Die Vorgänge der neuesten Zeit haben uns vielfach gemahnt, daß es mit dem Schlendrian, welchem sich das deutsche Kunstgewerbe hingegeben, ein Ende haben muß. Wir wurden durch die Fremde aus allen Gebieten überflügelt, und der nationale Wohlstand hat dadurch gar nicht zu berechnende Schädigungen erhalten. Der deutsche Kunstarbeiter litt bisher an einer Indolenz, die ihn nie den Gang in das Wirthshaus scheuen ließ, wohl aber den Versuch, aus einer Bibliothek oder in einer Sammlung für sein Gewerbe sich Anschauungen und Formen zu holen, sein Wissen und damit auch sein Können dadurch zu erweitern und zu vertiefen. Durch den Herausgeber des genannten Werkes ist ihm für die Zukunft jede Entschuldigung oder Ausrede, daß öffentliche Sammlungen schwer zugänglich seien, vollständig abgeschnitten. Dr. Hirth giebt in sorgfältig nach dem Geschmack und der Zeit ihrer Entstehung aufgeführten Blättern eine reiche Fundgrube von Formen und Gestaltungen nach allen Richtungen unseres auf Kunstschönheit in der täglichen Umgebung hinstrebenden modernen Culturlebens. Wir standen mit unserem ganzen Kunstleben in Deutschland zu lange unter der sclavischen Nachahmung der Antike. Durch Schulen und Bildungsanstalten wurde diese Richtung genährt und unterstützt, wenn auch gerade nicht gefördert, denn das Volk stand ihr doch immer fremd gegenüber. Wir hatten eine Zeit vergessen, wo der deutsche Künstler und Handwerker sich die Formen der Antike in ureigenster Weise assimilirt und umgeschaffen hatte, sodaß die deutsche Renaissance, wenn auch nicht unabhängig von den Anregungen durch die italienische und französische, doch ein selbsteigner Kunststil wurde.

Und welche Meisterwerke besitzen wir davon noch! Hätte uns nicht die Kunstausstellung in München darüber belehrt, so würde es das vorliegende Werk thun. Hier findet der Juwelier, der Silberarbeiter, der Bildhauer, der Tischler, der Töpfer, der Formenschneider, der Buchdrucker, die Stickerin, der Teppichwirker, der Waffenschmied, der Baumeister einen reichen Schatz der stilvollsten und herrlichsten Gestaltungen, die das Zeitalter der Renaissance hervorgebracht hat. Sie sind den Werken der hervorragendsten deutschen und niederländischen Meister des 16. Jahrhunderts entnommen, aber auch die italienische und französische Renaissance wird durch ihre besten Muster vertreten sein. In Rücksicht aus den Nutzen und den Segen, den das deutsche Gewerbe von dem Werke haben soll, hat die Verlagshandlung die Einrichtung getroffen, daß jedes Heft mit zwölf bis sechszehn Bildern zu einer Mark abgegeben wird, sodaß der ärmste Lehrbursche sich leicht in den Besitz dieses prächtigen Verlagswerkes setzen kann. Das königlich baierische Cultusministerium hat, die Wichtigkeit des Unternehmens wohl erkennend, den „Formenschatz“ allen Unterrichtsanstalten empfohlen, an denen das Zeichnen obligatorisch ist. Durch die „Gartenlaube“ sei es nicht allein dem ganzen deutschen Gewerbestande, sondern auch allen gebildeten Familien in Stadt und Land warm empfohlen. Denn wenn die nationalen kunstgewerblichen Bestrebungen, welche jetzt einen so schönen Anlauf genommen haben, nicht erlahmen sollen, so müssen sie einem zu immer höherer Vervollkommnung anspornenden geläuterten Geschmacke im Publicum begegnen. In München z. B. hat der Hirth’sche „Formenschatz“ jetzt schon den Charakter eines Familienbuches angenommen, aus welchem auch die Tochter des Hauses die schönsten Muster zu ihren Arbeiten schöpfen; was aber dort frohen Kunstgenuß gewährt, das wird auch in der ländlichen Einsamkeit – und hier erst recht! – zur Quelle reinster Freude werden.

Georg Horn.



Einem armen Lehrer das Leben zu erleichtern dazu haben die Leser der „Gartenlaube“ immer gern die Hand geboten. Sie haben es uns möglich gemacht, Pianofortes und Nähmaschinen in mehr als ein Schulhaus zu verpflanzen – warum sollte für die gelähmte Frau eines bedrängten Lehres nicht auch ein glücklich abgelegter, aber noch brauchbarer Fahrstuhl zu erlangen sein? Die „Gartenlaube“ wird die Transportkosten eines solchen gern auf sich nehmen, wenn die Gabe uns zuvor brieflich angemeldet wird.



Scheffel’s Jubiläumsgruß. Joseph Victor von Scheffel erblickt in der in Nr. 12 der „Gartenlaube“ veröffentlichten poetischen Entgegnung auf seinen Jubiläumsgruß einen Angriff gegen seine literarische Ehre und hat sich deshalb mit einer Beschwerde an uns gewendet. Es muß uns schmerzlich berühren, daß Derjenige, welcher im Drange seines warmen Herzens jenen Worten des „Bettlers vor dem Throne“ die Aufnahme gewährte, seitdem nicht mehr unter den Lebenden weilt und also seine Entscheidung in dieser seiner Angelegenheit nicht selber treffen kann. Der Protest des Dichters ist leider um einige Tage zu spät gekommen. Wie jedoch Jeder sieht, hat Ernst Keil das betreffende Entgegnungsgedicht nicht abgedruckt, ohne einen deutlichen Beweis zu geben, daß ihm eine mißverständliche Auffassung der Scheffel’schen Verse und jede Absicht eines Angriffs auf den Charakter des Dichters vollständig ferngelegen hat. Der Beweis liegt in der Bemerkung, welche er unter den Text des betreffenden Entgegnungsgedichtes stellen zu müssen glaubte. Aus eigener Erfahrung können wir bezeugen, daß er mit uns dem gefeierten Dichter des „Ekkehard“ stets die freundlichste Gesinnung, die herzlichste Verehrung und Anerkennung gewidmet hat. Die gegenwärtig fungirende Redaktion dieses Blattes glaubt daher der Pietät gegen den so allseitig verehrten Gründer und bisherigen Führer der „Gartenlaube“ nicht untreu zu werden, sondern ist vielmehr überzeugt, ganz in seinem Sinne, im Geiste seines starken Gerechtigkeits- und Billigkeitsgefühls zu handeln, wenn sie über seinem frischen Grabe keinen unnützen Hader erwachsen, keine bitteren Empfindungen in solchen Persönlichkeiten sich festsetzen läßt, von denen uns zweifellos ist, daß sie ihm wert gewesen sind. Gern und ohne Zögerung kommen wir darum dem Wunsche Scheffel’s nach, indem wir dem Urtheile unserer Leser nachträglich auch den vollen Wortlaut des Festgedichtes bieten, welches zu jenem herben Schmerzensrufe den Anlaß gab. Der Jubiläumsgruß Scheffel’s an den Großherzog von Baden lautet:

Heut’ weh’n die Banner gelb und roth; heut’ jubilirt das Badnerland,
Daß es in Freud’ wie Leid und Noth in Friedrich seinen Führer fand.
Was nebelfern, erreichbar kaum vor fünfundzwanzig Jahren schien,
Gelobt sei Gott! es blieb kein Traum, es ward erreicht durch Gott und Ihn.

Der Zwietracht Wunden heilgenarbt, das Land versöhnt und wohl bestellt,
In milder Pflege, wer noch darbt, – gleich einem Garten Wald und Feld,
Des Rheins Geländ’, des Schwarzwalds Höh’n durchschnaubt von frohem Dampfroßschall,
Die Städte neugebaut und schön - Gewerb’ und Schulen überall;

Im Glauben keine Scheidewand, ein sittig Volk in Bildung frei,
Geeint durch der Verfassung Band, dem Kaiser und dem Reiche treu,
Familienglück in jedem Haus, - des Lebens Müh’n von Kunst verklärt –
Und droht der Feind mit blut’gem Strauß, ein deutsches Heer, ein siegreich Schwert:

So war sein fürstlich Ideal! Und wie Er treu ihm nachgestrebt,
Weiß Jeder, der des Zweifels Qual, des Siegs Gewißheit miterlebt.
Schon reift die Saat, die Er gestreut, und ein Geschlecht, das Er erzog,
Ruft jubelnd einstmals wie wir heut: Dank, Friedrich, Badens Großherzog!



Kleiner Briefkasten.

Fabrikant Sch. in H. Wie Sie sehen, konnten wir schon in dieser Nummer Gelegenheit nehmen, etwas Ihren Ideen Verwandtes zu bringen. Die Begründung einer deutschen Handelscolonie an der Küste der Adria, welche hier ein Vielgereister vorschlägt, sucht die Lösung des Problems freilich in größerer Nähe als Sie. Jedenfalls haben Sie Recht, daß wir, statt die gegenwärtige Calamität mit gefalteten Händen zu betrauern, besser thäten, neuen Quellen nationalen Wohlstandes nachzuspüren.

A. G. in M. Ungeeignet! Verfügen Sie gütigst über Ihr Manuscript.

P. I. Sch. zu H. in Böhmen. Wie sehr wir auch die Größe des Begriffs bewundern, den Sie von der Toleranz der „Gartenlaube“ haben müssen, so kann dennoch Ihre Bitte, Ihnen, als einem schlechtsituirten Geistlichen, „Stipendien auf heilige Messen“ zukommen zu lassen, nicht in Erfüllung gehen.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_290.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)