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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Aufg’setzt.
Eine baierische Bauerngeschichte.
Von Herman von Schmid.
(Fortsetzung)
Nachdruck und Dramatisirung verboten.
Uebersetzungsrecht vorbehalten.

Der Alte sprach mit Nachdruck und Ernst; dennoch sah ihn Gertl mißtrauisch an, ob nicht um seinen Mund ein Lächeln spiele, denn er war dafür bekannt, daß er gern mit Jedem Schalkerei trieb, wo es nur anging. – Aber in den Zügen des Alten war keine Veränderung wahrzunehmen, und trotz ihrer gläubigen Ueberzeugung von der Unmöglichkeit solcher Dinge und von dem Unrecht, daran zu glauben, war sie doch durch die Zuversicht des klugen Alten und durch das aus seinem Leben erzählte Ereigniß etwas unsicher geworden.

„Meinetwegen!“ sagte sie dann, wie um sich selbst aus der Klemme zu befreien, in die sie gerathen war. „Was geht’s mich an? Ich kann’s und will’s für alle Fäll’ erwarten, was mir unser Herrgott schickt.“

„So ist’s recht, Gertl,“ sagte Anderl aufstehend. „Bei der Gesinnung bleib’! – Es ist aber deswegen nichts Unrechtes, wenn man auch von solchen Sachen discourirt. Jetzt muß ich machen, daß ich weiter komm’. Ich bin ein sauberer Bot’; ich sollt schon längst über alle Berg’ sein und komm’ bei Dir so in’s Schwatzen.“

„Wo willst denn noch hin?“ fragte Gertl, indem sie ihre Nähterei zusammen schlug und auf’s Fenster legte.

„Nimmer weit,“ entgegnete Anderl. „Der Wirth in Flintsbach hat gehört, daß ich zu Dir heraus will, da hat er mir einen Brief mitgegeben, den ein reitender Bote extra gebracht hat. Er gehört einem von den Malern drüben in Brannenburg, der auf den Falkenstein hinaus ist, um das verfallene G’schloß aufzunehmen.“

„Den Gang kannst Deinen alten Spazierhölzern ersparen,“ rief Gertl. „Ich geh’ am Schloß vorbei, ich muß hinaus auf den Petersberg, denn der hochwürdige Herr Propst hat Eier bestellt; die muß ich ihm bringen.“

„Das trifft sich ja prächtig!“ rief Anderl. „Da hast Du den Brief. Dann kehr’ ich gleich wieder um und sag’ dem Wirth, daß die Post bestellt ist. Es giebt ohnehin in dem Komödiestadel noch eine Menge zu thun; denn daß Du’s nur weißt, am nächsten Sonntag muß das G’spiel wieder sein. Kannst Dich herrichten auf die Genoveva.“

„B’hüt Dich Gott!“ sagte Gertl, indem sie den Henkelducaten in der Hand hielt und anlegte. „Da hinauf sieht mich Niemand; da ist’s kein’ Hoffahrt, wenn ich Dein Andenken gleich umbind’.“

„Thu’s nur!“ sagte er, „es kann Dir nichts Anders bedeuten, als was Gutes, weil’s gut gemeint ist. Also nochmal, behüt’ Dich Gott bis zum Sonntag!“

Er stieg den etwas mühseligen Steg abwärts, während das Mädchen in das Haus hineinrief, sie wolle den aufgetragenen Gang zu Seiner Hochwürden dem Herrn Propst antreten. Aus Scheune oder Kuhstall erscholl, durch die Ferne gedämpft, der beistimmende Zuruf der Mutter; als Gertl sich der Anhöhe zuwendete, rief ihr noch von unten herauf der Maler stillstehend nach:

„Noch Eins, Gertl! Weil Du doch so nah’ an’s Peterskirchl hinkommst, schau zu, ob es Dich nicht hineinreißt! Am Sonntag frag’ ich dann, wie’s Dir gegangen ist.“

„Brauchst keine Sorg’ zu haben,“ rief sie lachend zurück, „ich weiß noch ein Gesetzl von Deinem Schnadahüpfel:

‚Die Aepfel, die zeiti san,
Hab’n braune Kern;
Und was mir ’mal aufg’setzt is,
Werd’ i schon hör’n.‘“

Den Brief an den Maler in’s Mieder steckend, stieg sie bergan und hatte mit raschen Schritten bald die Stelle erreicht, wo von der längst verlassenen Straße ein kleiner Seitenpfad an den halbverfallenen Thorbogen mündet, hinter welchem wohl einmal die Zugbrücke den tiefen, jetzt baumbewachsenen Graben überwölbte, durch den von der steilen Höhe der Maiwand herab der Gießbach sich den Thalweg gewählt hat. Sie trat in den kleinen Burghof, den zerbröckelte Mauern umfaßten, überragt von einem steil aufragenden Giebel, dem einzigen Ueberrest der früheren Capelle, und den ein üppiger Grasteppich ausfüllte, dessen Farben fast verschwanden unter der Menge der darüber gebreiteten Vergißmeinnichte. – Gegenüber, unter einem krumm gewachsenen Nußbaum, führte ein von Dornbüschen, Haselstauden und Nesseln überwachsener Schuttkegel in den obern Burghof, aus welchem der graue viereckige Römerthurm so stolz und gewaltig emporstieg, als wüßte er, welch’ gewaltiger Zeit und welch’ mächtigem Volk er die Erinnerung zu wahren habe.

Gertl spähte nach allen Richtungen, den Maler zu entdecken; sie sah auch in den verwilderten Garten hinab, wo nur noch einige Reihen altersmürber, bemooster Obstbäume von längst vergessener Pflege zeugten; nirgends war eine Spur des Künstlers zu entdecken. Es blieb ihr zuletzt nichts übrig, als nach dem hinter der Ruine unweit des Wasserfalls stehenden Bauernhause zu sehen und Nachfrage zu halten.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 521. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_521.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)