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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Das Traurigste aber ist, daß die Ernte-Aussichten auf viele Jahre hinaus vernichtet sind, denn lange Zeit werden die verwüsteten Felder unsäglich Arbeit verlangen, ehe hier wieder Halm oder Aehre gedeihen kann. Ja, diese wenigen Stunden reichten hin, um Tausende von fleißigen, braven Menschen zu Bettlern zu machen. Sind doch auch durch die Verschüttung der Kupferschmelzwerke Hunderte von Familien auf Jahre hinaus ihres Verdienstes beraubt worden – kurz, das Elend, welches über jene Gegend so furchtbar rasch hereinbrach, ist grenzenlos. Rasche Hülfe thut dringend Noth, wenn nicht die so hart betroffenen Bewohner jener Gegend in Elend verkommen sollen. (Siehe den Aufruf am Schlusse dieser Nummer! D. Red.)

A. Brendel.




Procop Diwisch.
Ein Beitrag zur Geschichte des Blitzableiters.
Von Karl Bornemann.

Nachdem bis zum sechszehnten Jahrhundert jedes Volk und jedes Zeitalter eigenartige Versuche angestellt hatte, sich vor der vernichtenden Gewalt der Gewitter zu schützen, und nachdem sich alle Mittel fruchtlos erwiesen hatten, blieb es der fortschreitenden Wissenschaft im vorigen Jahrhundert vorbehalten, auch auf diesem Gebiete das lang ersehnte Ziel zu erreichen. Alle früheren Experimente waren mißlungen,[1] weil man eben das Wesen der Wetterwolken nicht erkannte. Nach Aristoteles’ Lehre hielt man den Blitz lange Zeit für eine plötzliche Entzündung brennbarer Stoffe in der Luft. Erst im Jahre 1600 legte der englische Physiker William Gilbert den ersten Grund zur richtigen Erkenntniß des wahren Wesens des Blitzes, sofern er an einer großen Menge von Körpern die Erregung einer neuen Naturkraft – der Elektricität feststellte. Als weitere Förderer der Erkenntniß müssen wir erwähnen den Magdeburger Bürgermeister Otto von Guericke, der die erste, wenn auch noch unvollkommene Elektrisirmaschine herstellte, sowie denn Engländer Wall, der 1708 zuerst eine Aehnlichkeit zwischen dem elektrischen Funken und dem Blitze bemerkte.

Unter denen, welche für die Verbesserung der Elektrisirmaschine hervorragend thätig waren, ist besonders Professor Johann Heinrich Winkler in Leipzig zu nennen. Derselbe behauptet geradezu („Progr. de avertendi fulminis artificio“, Leipzig 1753), daß zwischen dem Leuchten und Prasseln künstlich hervorgerufener Electricität und dem Blitz und Donner gar kein anderer Unterschied bestehe, als derjenige der Größe. Und dieser Naturforscher war es auch, welcher die ersten Vorschläge machte, man möge die Häuser vor dem Blitze durch Metallstangen schützen und solche durch Ketten mit dem Erdreich in Verbindung bringen. Die Wissenschaft war nunmehr reif, das[WS 1] wichtige Erzeugniß zu Tage zu fördern, aber Winkler selbst blieb den Beweis für seine Behauptung schuldig.

Dagegen hatte sich schon seit sieben Jahren der willensstarke und lernbegierige Philadelphiaer Buchdrucker Benjamin Franklin mit Versuchen beschäftigt, welche ein ähnliches Ergebniß lieferten. Schon im Juni 1752 ließ er in Gegenwart seines Sohnes einen großen Papierdrachen mit eiserner Spitze an hänfener Schnur gegen eine Wetterwolke steigen, um sich mit Hilfe desselben zu überzeugen, ob in den Wolken wirklich Electricität vorhanden sei. Sein Versuch gelang, und man nimmt an, daß dabei zum ersten Male mit Vorbedacht Electricität aus den Wolken zur Erde herniedergeleitet wurde, so bezeichnet denn jener Tag einen Wendepunkt in der Geschichte unserer Kenntniß dieser Naturkraft.

Aus Franklin’s handschriftlichen Mittheilungen geht hervor, daß er seine Ideen und Erfahrungen schon im Jahre 1747 oder 1748 durch P. Collinson und Dr. Mitchell der „Royal Society“ in London vorgelegt, daß dieselben jedoch von den gelehrten Mitgliedern dieser Gesellschaft in öffentlicher Sitzung belacht worden sind. Ein Dr. Fothergill allein erkannte den Werth von Franklin’s Angaben und veröffentlichte sie auf den Rath eines Redacteurs Cave als Flugschrift, welche fünf Auflagen erlebte. Der große französische Naturforscher Graf von Buffon veranlaßte die Uebersetzung der Abhandlung in die französische Sprache durch Dalibard. Dieser Mann war es, der gemeinsam mit de Lor an Marly noch vor Franklin selbst, aber auf dessen Vorschlag hin, den Versuch machte, „den Blitz aus den Wolken zu ziehen“. Nun nahm auch die „Royal Society“ Franklin’s alte Berichte nochmals in Verhandlung, ernannte den Amerikaner zu ihrem Mitgliede und sandte ihm mit schmeichelhaften Ausdrücken die goldene Medaille für das Jahr 1753, nachdem auch in England ein Herr Canton sich überzeugt hatte, „daß man mittelst einer zugespitzten Eisenstange sich einen Blitz aus den Wolken verschaffen könne“. Franklin’s eigene Aussage ergiebt also, daß weder er, noch Dalibard und de Lor in Frankreich, noch Canton in England einen wirklichen Blitzableiter errichtet hatte mit der Absicht, ein Gebäude oder irgend einen andern Gegenstand vor dem Blitze zu schützen. Noch hatte man keine Wetterstange mit der Erde verbunden, konnte also einen directen Nutzen nicht von diesem Experimente erwarten. Die aufgerichteten Eisenstangen waren isolirt (das heißt auf schlechten eletrischen Leitern befestigt) und nur am unteren Ende mit Glöckchen oder Leydener Flaschen verbunden, um an diesen das Vorhandensein der elektrischen Materie zu beobachten. Das Ganze erscheint uns in seiner nachmaligen häufigen Wiederholung als eine lebensgefährliche Spielerei, zum mindesten als ein sehr unüberlegtes Wagniß, welchem denn auch wirklich der Professor Richmann in St. Petersburg zum Opfer fiel, da er es wohl verstand, den Blitz bis in sein Zimmer, aber nicht wieder aus demselben hinauszuführen; er wurde am 6. August beim Experimentiren vom Blitzstrahle getödtet.

Ueber diesen Unglücksfall las ein anderer Naturforscher, der Pfarrer Procopius Diwisch zu Brenditz in Mähren, einen Bericht in der „Prager Zeitung“. Sofort schrieb er eine Abhandlung über das Ereigniß, in welcher er nachwies, warum die eisernen Stangen, welche der Professor Richmann benutzt hatte, ebenso unnütz wie gefährlich seien, und im Anschlusse an diese Erklärung schilderte er eingehend einen Apparat, welcher fähig wäre, die atmosphärische Elektricität anzuziehen und gefahrlos in die Erde zu leiten. Diese Darlegung seiner Ideen reichte Diwisch an die Akademie der Wissenschaften zu Berlin durch deren damaligen Director Euler, einen bedeutenden Physiker und Mathematiker, ein, wurde aber niemals einer Antwort gewürdigt, obwohl Euler mehrere Jahre später in einer 1761 erschienenen Schrift auf Diwisch’s Abhandlung Bezug nahm. Dennoch war Diwisch seiner Sache so sicher, daß er nunmehr auf eigene Faust an die Ausführung seines großen Apparates ging und denselben bereits am 15. Juni 1754 in der Nähe seiner Pfarrwohnung errichtete. Erst im Jahre 1760 wurde in Philadelphia nach Benjamin Franklin’s Angabe ein feststehender, mit der Erde verbundener Blitzableiter auf dem Hause des Kaufmanns West aufgerichtet, und diesen hält man jetzt allgemein für die erste Wetterstange, welche gen Himmel ragte.

Vor einem Jahre ist die meisterhafte und lehrreiche Selbstbiographie Benjamin Franklin’s in neuer deutscher Uebersetzung

  1. Die Forschungen unserer Aegyptologen haben in den letzten Jahren die früher oft wiederholte Behauptung, daß die Priester der klassischen Völker den Blitzableiter gekannt und für Cultuszwecke benützt hätten, zu einer gewissen Wahrscheinlichkeit erhoben. An mehreren ägyptischen Tempeln, nämlich zu Edsu, Dendera und Medinet-Abu, haben Johannes Dümichen und später Burgsch Inschriften aufgefunden, welche besagen, daß die hohen, an den Thorpfeilern befindlichen und die Zinnen überragenden Flaggenmaste mit Kupfer beschlagen und an der oberen Spitze vergoldet gewesen seien, „um das aus der Höhe kommende Ungewitter zu brechen“. Man kann bei diesen dreißig bis vierzig Meter hohen kupferbeschlagenen Holzmasten, deren Abbildung man z. B. in Meyer’s „Conversations-Lexikon“ (Art. Baukunst), oder in Lübke’s „Geschichte der Architektur“ findet, den Inschriften zufolge kaum an etwas anderes als an Blitzableiter denken, und es ist interessant, daß die eine Inschrift den König Ramses den Dritten, den Rhampsinit des Herodot, als denjenigen bezeichnet, der (dreizehnhundert Jahre vor unserer Zeitrechnung) diese kupferbeschlagenen, an der Spitze vergoldeten Stangen aufgerichtet habe, welche, wie eine andere Inschrift andeutet, das Gebäude vor dem Ungewitter schützen sollten, wie die daneben abgebildeten Göttinnen Isis und Nephtis den Osiris schützten, der freilich dennoch von der bösen Gottheit der Ungewitter (Typhon) erschlagen wurde. Wörtlich mitgetheilt findet man diese Inschriften in J. Dümichen’s „Baugeschichte des Dendera-Tempels“ (Straßburg 1877)
    D. Red.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: was
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 624. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_624.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)