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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Bibliotheken und Lesezimmern, Kranken-, Invaliden-, Wittwen- und Waisencassen, Consumvereinen, Menagen, Sparcassen, sowie Baugenossenschaften etc. zu beziehen. 2) Dadurch, daß er die Bildung der zur Lösung der genannten Aufgabe erforderlichen Arbeitgeber-Verbände sowohl anregt, wie unterstützt und die nöthige Verbindung unter denselben herstellt. 3) Dadurch, daß er eigene Schöpfungen zum Wohle der Arbeiter von sich aus, soweit möglich und das Bedürfniß sich herausstellt, in’s Leben ruft. Der Verein wird u. a. eine eigene Zeitschrift herausgeben, welche auch dazu benutzt werden soll, eine gewisse Vermittelung auf dem Arbeitsmarkt eintreten zu lassen. 4) Dadurch, daß er die Interessen des Vereins den öffentlichen Behörden gegenüber vertritt.“

Der neue Verein soll nur in einzelnen Ausnahmefällen und nur dort, wo es sich um Maßregeln handelt, die von Einzelnen oder von kleinen Verbänden nicht ausgeführt werden können, den Arbeitern unmittelbar zu Gute kommende Einrichtungen schaffen; seine Hauptthätigkeit wird vielmehr darin bestehen, zu derartigen Einrichtungen die Arbeitgeber anzuregen, ihnen dabei mit gutem Rath zur Hand zu gehen und insbesondere die theilweis zur Lösung der hierher gehörenden Aufgaben nöthige Bildung von Verbänden zu befördern, z. B. von Gewerken oder Verbindungen der Arbeitgeber verschiedener Gewerbe innerhalb gewisser Bezirke. Er soll also, wie ähnlich die „Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung“ auf dem Gebiete der freiwilligen Bildungspflege, so auf demjenigen der freien Tätigkeit für das Arbeiterwohl ein Mittel- und Stützpunkt werden.

Wie jedes Neue, so wird auch der Verein „Concordia“ gewiß Gegner finden, nicht nur unter den Socialdemokraten, die ja naturgemäß jedem Unternehmen, welches den Zweck verfolgt, Arbeiter und Arbeitgeber einander zu nähern, ihnen also ihr wirksamstes Agitationsmittel, den Classenhaß, raubt, feindlich entgegentreten werden, sondern auch unter dem nichtsocialistischen Bürgerthume selbst. Gegen billige Einwände wie die, daß wir schon zu viel Vereine hätten, daß die Arbeitgeber so wie so das Mögliche thäten, und was sonst dergleichen meist von der Bequemlichkeit und Gedankenlosigkeit eingegebene Einwürfe sind, brauche ich wohl kein Wort der Abwehr hier vorzubringen, dagegen will ich doch nicht versäumen, zwei scheinbar stichhaltige Gründe, welche unzweifelhaft von der einen oder andern Seite gegen das Project werden vorgebracht werden, von vornherein zurückzuweisen. Man wird behaupten, die Agitation des Vereins werde dahin führen, daß bei den Arbeitern unrealisirbare Hoffnungen geweckt würden, wodurch statt der erhofften Aussöhnung der Classen umgekehrt eine verschärfte Spannung eintreten könnte, und man wird ferner hervorheben, daß bei der voraussichtlich noch lange nicht beendeten, schwer auf Landwirthschaft und Industrie lastenden Geschäftskrise die meisten Arbeitgeber gar nicht in der Lage seien, größere Geldopfer für Wohlfahrtseinrichtungen zu bringen, wie der Verein sie anregen will.

Die zuerst ausgesprochene Befürchtung könnte gerechtfertigt sein, wenn innerhalb des Vereins die Theoretiker einen herrschenden Einfluß gewinnen sollten; aber, wie der erste Anstoß von Männern der Praxis ausging – nämlich vom Mittelrheinischen Fabrikanten-Verein – so wird auch die spätere Leitung des Vereins unter die Aufsicht von Praktikern gestellt werden, sodaß die in Rede stehende Gefahr von Seiten etwa der Vereinsbeamten (Generalsecretär, Redacteur etc.) gar nicht eintreten kann. Gegenüber dem Einwande aber, daß man in einer Zeit, in der viele Arbeitgeber kaum das Nöthigste und manche nicht einmal dies verdienen, nicht auch noch den Geschäftsinhabern große Ausgaben zumuthen könne, mache ich darauf aufmerksam, daß mehrere der wichtigsten und wirksamsten Maßregeln, die der Verein anregen soll, den Arbeitgebern materielle Opfer von Belang gar nicht auflegen, so die Inslebenrufung freier Innungen, so die auf Heranbildung eines moralisch und technisch tüchtigeren Handwerkerstandes gerichtete Verbesserung der Lehrlingserziehung durch die Meister, so die Schaffung von Bildungs- und ähnlichen Vereinen, welche, indem sie die Arbeiter mit den Arbeitgebern und mit den anderen Classen überhaupt als Gleichberechtigte zu gemeinsamer Arbeit und wohl auch zu gemeinsamer Erholung zusammenführen, in vortrefflicher Weise geeignet sind, dem Classenhaß entgegen zu wirken, – und so noch manches Andere.

Selbst die momentan ungünstig gestellten Arbeitgeber finden demnach schon jetzt in mehrfacher Beziehung bei dem Verein „Concordia“ nützliche Anregung und Anleitung; bessern sich später ihre Verhältnisse – und das dürfen wir doch nicht nur hoffen, sondern mit Bestimmtheit erwarten – dann werden sie auch an die kostspieligeren Einrichtungen, welche die günstiger Situirten alsbald zu treffen vermögen, herantreten können.

Jeder für diese Zwecke ausgegebene Betrag wird, die zweckentsprechende Verwendung vorausgesetzt, dem Arbeitgeber reiche Zinsen tragen. Je tüchtiger in technischer Beziehung der Arbeiter wird, auf je höhere Stufen der Sittlichkeit und Bildung er steigt und je mehr das Gefühl des Classengegensatzes und Neides demjenigen der Gemeinsamkeit weicht, desto mehr wird die Leistung des Arbeiters für den Arbeitgeber an Werth gewinnen.

Zum Schlusse bemerke ich noch, daß der Mittelrheinische Fabrikantenverein, dessen Bureau in Mainz ist, bis zur definitiven Constituirung die Zeichnungen und Beiträge für den neuen Verein entgegen nimmt. Die von der Mitgliedschaft handelnden Paragraphen des Statuts lauten: „§ 3. Mitglied des Vereins kann jeder im Besitze der staatsbürgerlichen Rechte befindliche großjährige Deutsche, und jede, gesetzliche Zwecke verfolgende Körperschaft werden. „§ 4. Die Höhe des jährlichen Beitrag jedes Mitglieds beruht auf Selbsteinschätzung. Der geringste Satz beträgt jedoch fünf Mark. Mitglieder, welche einen Jahresbeitrag von mindestens fünfundzwanzig Mark zahlen, erhalten das Vereinsblatt kostenfrei zugesandt.“

Möge der neue Verein überall die Sympathie finden, die er verdient, möge er die sich sonst nur allzu oft im Interessenkampfe feindlich Gegenüberstehenden zusammen führen zu gemeinsamem humanitären Wirken! Wird dieses Ziel erreicht, so wird die sociale Frage, wenn auch nicht vollständig gelöst, so doch ihres staats- und gesellschaftsgefährlichen Charakters entkleidet werden.

Fritz Kalle.




Blätter und Blüthen.


Die Wallfahrtscapelle „Schüsserlbrunn“ am Hochlantsch in Steiermark. (Mit Abbildung S. 69.) Tiefe Stille herrscht in der erhabenen Natur. Die sinkenden Strahlen des Abendlichtes geben den klaren himmelhohen Kalkwänden den letzten rosigen Schimmer, einem entweichenden Leben vergleichbar. An dem umdüsterten Abendhimmel steigt der Vollmond empor; sein zitterndes Licht kämpft mit den auf- und niederwallen Thalnebeln. Wir befinden uns in Obersteiermark in einsamer Felsschlucht an jener Stelle, wo der nach Norden gekehrte Gipfel des sechstehalbtausend Fuß hohen Hochlantsch wild zerrissen, theils senkrecht, theils überhangend, abstürzt. Solche Terrains müssen vereinsamt sein; sie bieten weder dem Menschen noch der Thierwelt Schutz und gesicherten Aufenthalt. Trotz des Verlassenseins gewährt diese wilde Einöde dem forschenden Auge des Touristen eine liebliche Unterbrechung und dem Naturfreund ein Bild abgeschiedenen stillen Friedens.

Wenn wir auf der Sohle der Thalschlucht drunten vor jenen gigantischen Steinzinnen des Hochlantsch stehen, so finden wir, von hier aus freilich unnahbar, in beiläufig zwei Drittel der Höhe eine schüsselartige Aushöhlung inmitten der Felsenwände. Klein in der Anlage, gegenüber den Größen und der Erhabenheit der Natur, ist diese Felsenschüssel von Menschenhand auch kleinlich benutzt. In winziger Form an und auf dem Felsen klebend, überrascht uns eine Wallfahrtscapelle mit einigen Miniaturhütten und dem Bilde des Gekreuzigten, von einem roh gezimmerten Tisch nebst Bank umgeben. Eine keineswegs regelrecht in den Felsen gehauene Stiege führt von schwindelnder Höhe herab zu diesem sonst allerwärts abgeschlossenen und völlig unnahbaren Punkte. Ein schneidender Contrast mit den umgebenden Bergriesen, schwebt das schmucklose Kirchlein mit armseligen Hütten droben auf seichter, windumbrauster, wahrscheinlich durch herabsickernde Feuchtigkeit entstandene Nische.

Durch viele Jahre lebte in dieser Einsamkeit ein alter Einsiedler, bei dem der ermüdete Wanderer oder die während des Sommers zahlreich dort verkehrenden Wallfahrer nothdürftige Erquickung bei köstlichem Trinkwasser und Brod fanden. Aber auch dieses fromm abgeschiedene Höhenleben schützt nicht vor den Segnungen der Cultur. Der gegenwärtige Nachfolger jenes Eremiten entbehrt des romantischen Beigeschmacks seines Vorgängers: der Mann schenkt außer dem Krystallnaß des hier sprudelnden Felsenquells auch – Branntwein, wahrscheinlich um einen Theil der frommen Besucher in gehobene Stimmung zu versetzen. Ebenso wenig wie mit seinem Eremitencharakter, bringt ihn dieser Umstand in Conflict mit seiner gleichzeitigen Stellung als Meßner und Vorstand der ihm anvertrauten Andachtsstätte. Wer je diese Stelle betreten hat, dem wird der Blick in die grausig schwindelnde Tiefe und die durch einander wogende Bergwelt für immer unvergeßlich sein.

Schüsserlbrunn ist von der Südbahnstation Mixnitz ab am leichtesten zu erreichen. Ein zweistündiger Marsch durch das herrliche grüne Gebirgsthal führt zum Fuße des Hochlantsch, eines jener steierischen Berge, welche von Localunkundigen, selbst wenn sie die geübtesten Bergbesteiger sind, nie ohne Führer betreten werden sollten. Der jähe Absturz des Berges auf der Nordseite, von weiten, trichterförmigen Rissen bis in den Gipfel hinauf durchzogen, bietet ohne sichere Leitung dem Wanderer ungewöhnliche Gefahr. Was den Aufstieg und Besuch der Wallfahrt Schüsserlbrunn von fast allen Alpenpartien wesentlich unterscheidet, ist der Umstand, daß die Erreichung des Ortes unmittelbar vom Thale aus von keiner Seite möglich ist. Will man die unvergleichlichen Reize dieser Partie genießen, so darf man sich die Mühe nicht verdrießen lassen, einen ansehnlichen Aufstieg bis unter den Berggipfel zu unternehmen, um von da ab zu der der Frömmigkeit geweihten Felsennische in luftiger Höhe zu gelangen.

Z – r.


Kleiner Briefkasten.

E. H. in W. und andern Fragestellern Folgendes zur Nachricht: Die bei J. J. F. Popp in Heide in Holstein, „Specialist (??) für Magen- und Darmkatarrh“, Hülfe Suchenden erhalten 20 Pulver für 15 Mark zugesandt, welche laut chemischer Untersuchung nur Schwefeleisen, ein schwarzes, schweres, in Wasser nicht lösliches Pulver enthalten. In den Magen gebracht, löst sich in Folge der Einwirkung der Magensäure das Schwefeleisen unter Entwickelung von Schwefelwasserstoffgas, bewirkt sehr lästiges, übelriechendes Aufstoßen und kann, öfter genommen, in kurzer Zeit die besten Verdauungsorgane verderben. Das Kilo Schwefeleisen ist für circa 60 Pfennig im Handel zu haben.

Ein langjähriger Abonnent in Quellendorf. Das vorzüglichste Futtermittel für insectenfressende Vögel sind immer frische Ameiseneier; wenn solche nicht mehr zu erlangen sind, füttert man diese Vögel einfach mit einem Gemisch entweder aus getrockneten Ameiseneiern und fein geriebenen Möhren nebst einigen Mehlwürmern, oder aus Ameiseneiern und Weizenkleie mit geriebenen Möhren zu gleichen Theilen, wozu man wohl auch ebenso viel gekochtes und fein zerhacktes Rinderherz oder mageres Rindfleisch zusetzt. Manche Vogelliebhaber geben auch gequetschten Hanf hinzu. Fernere Zusätze sind altbackenes, in Wasser geweichtes und gut ausgedrücktes Weizenbrod (Weißbrod, Semmel oder Wecken), Quarkkäse (frischer weicher, nicht saurer Käse), feines Mohn, Mais-, Bohnen- oder Erbsenmehl, Weizengries, hartgekochtes Hühnerei, Eiconserve, Eierbrod u. a. m. Vergl. das „Handbuch für Vogelliebhaber“ (I. fremdländische, II. einheimische Stubenvögel) von Dr. Karl Ruß in Steglitz.


Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_072.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)