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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Männer liberaler Gesinnung zu bestimmen, binnen zehn Tagen zu einer gemeinsamen Berathung in Kiel zu erscheinen. Diese Zusammenkunft kam jedoch nicht in dem beabsichtigten Umfange zu Stande. Furcht, Schwerfälligkeit, hier und da wohl auch auch Zweifel an der Zuträglichkeit des Schrittes hielten selbst viele sonst Gleichgesinnte zurück. Dennoch fanden sich am 1. November in Kiel mehr als dreißig ehrsame und einflußreiche Männer des Landes zusammen, denen Lornsen statt aller Erörterung der Fragen das Manuscript einer inzwischen von ihm verfaßten an das Volk gerichteten Darlegung. „Ueber das Verfassungswerk in Schleswig-Holstein“ vorlas. Dieses geschichtlich so wichtig gewordene, nur sechszehn kleine Seiten umfassende Schriftchen liegt in seinem sehr wenig eleganten Originaldruck auf grauem Löschpapier hier vor uns. Im knappster Fassung, ohne ein überflüssiges Wort, in schärfster, jedem Bauer verständlicher Gedankenentwickelung, legt es nicht blos die Unmöglichkeit einer Trennung der beiden Herzogthümer, ihr unbestreitbares Recht auf Herüberlegung ihrer Oberbehörden und auf eine gemeinsame und volksthümliche Repräsentativverfassung dar, sondern begründet auch die unabweisliche Nothwendigkeit derselben schon durch den unwürdigen und gefährlichen Umstand, daß die Staatsbürger bisher in vollständiger Unwissenheit über die Höhe und den Stand ihrer öffentlichen Schuldenlast gelassen wurden. Die Grundzüge einer solchen Verfassung werden sodann in einigen Punkten ebenso kurz wie einleuchtend entwickelt. In Betreff der Trennung der Verwaltung von Dänemark findet sich das bedeutsame Wort: „Zwar haben die Dänen seit Jahren ein Bestreben an den Tag gelegt, uns mit sich zu einem Volke zu verschmelzen und selbst in den neuesten Zeiten, in welchen bei den Deutschen das Volksgefühl kräftiger als je sich kundgethan, hat man sich nicht enthalten, uns auf unser Streben zuzurufen, wir möchten uns doch freuen, lieber etwas, nämlich Dänen, als gar nichts, nämlich Deutsche, zu sein. Spott und Hohn hat zwar die mächtigste und edelste Nation Europas wegen ihrer heillosen Zerstückelung von jeher und von allen Seiten und Völkchen auf sich laden müssen. Aber die Zeit hat gezeigt und sie wird fernerhin zeigen (!!), daß auch der Deutsche jedes unwürdige Ansinnen mit Nachdruck zurückzuweisen wissen wird. Jeder Gedanke an eine Verschmelzung beider Völker werde daher aufgegeben. Laßt uns Hand in Hand gehen als Brüder; nur der König und der Feind sei uns gemeinschaftlich!“

Am Schlusse heißt es: „Es sind Bedenken laut geworden, daß die gewünschten Reformen unserem König mißfällig sein könnten. Aber so darf sich die Liebe zum König in der Brust des Mannes nicht kund thun. Wir dürfen uns nicht in die Lage setzen, unsere dringlichste Angelegenheit hinausschieben zu müssen bis zu dem Ableben des Königs, dem wir die Unsterblichkeit wünschen. Unser König ist ein geborner Bürgerkönig.“

In diesen Stellen offenbart sich uns hinlänglich die ganze Ueberlegenheit des Mannes und der Geist, der ihn beseelte, wenn wir uns nur in die Zustände jener Zeit zurückversetzen und nicht an die heute nach langen Kämpfen so glücklich errungene Gestaltung der Dinge denken. In der Presse und auf den Rednerbühnen Süddeutschlands wurden damals freilich die betreffenden Grundsätze viel rücksichtsloser geäußert, das zahme und geduldige Schleswig-Holstein aber hatte eine solche Sprache bis dahin noch nicht gehört, und gerade in ihrer vorsichtigen Gemessenheit trug sie dort die Bürgschaft ihrer Wirkung. Von der Kieler Versammlung wurde deshalb die Schrift auch mit der freudigsten Zustimmung begrüßt, auf Beschluß auch sofort in den Druck gegeben und mit Aufforderungen zum Erlasse von Petitionen in zehntausend Exemplaren über das Land verbreitet. So weit war durch Lornsen die Thatkraft der Genossen erweckt worden. Was ihn selber betrifft, so besaß er ganz die Einfalt hochsinniger Menschen. Er hatte gethan, was er für nothwendig und unerläßlich hielt, und er hatte es nicht blos aus innerster Ueberzeugung, sondern mit Bedacht und Ueberlegung gethan. Daß er als Beamter damit Anstoß erregen, Zorn und Haß wider sich heraufbeschwören könne, das war ein Punkt, der bei einem so großen und hohen Zwecke ganz außerhalb seiner Erwägungen lag. Sofort sandte er daher auch ein Exemplar seiner Schrift nach Kopenhagen an den Präsidenten der schlewig-holsteinischen Kanzlei, Grafen von Moltke, und fügte ein Begleitschreiben hinzu, in welchem er seine Agitation als eine vollkommen loyale und gesetzliche motivirte, und als einen der Gründe der Uebersendung schließlich auch anführte, daß ihm alles geheime und versteckte Treiben zuwider sei.

In seiner Auffassung dieser Verhältnisse aber hatte er sich geirrt. Am Kopenhagener Hofe hatte man bereits Wind von der Sache bekommen und war allerdings im ersten Augenblicke von einem Gefühl der Furcht gelähmt. Man beruhigte sich jedoch schon, als aus den Herzogtümern selbst ein Entrüstungsschrei aller dort vorhandenen Bedienten- und Philisterseelen sich vernehmen ließ über den gegen den König verübten „Frevel“. Im Uebrigen hatten sich die sämmtlichen europäischen Cabinete bereits von den ersten Schrecken des letzten Sommers erholt und waren überall mit einer Neubefestigung jener Wälle beschäftigt, welche in der That das alte Regiment der Willkür noch achtzehn Jahre hindurch gegen jedes Andringen des Volksgeistes mühsam zu schützen vermochten. Dies alles gab der dänischen Regierung bald den Muth zu einem angreifenden Vorgehen, und ihr thätiger Anhang warf bereits die bekannten reactionären Stichworte aus von den „Ehrlosen“ und „Böswilligen“, die ein friedliches und zufriedenes Volk aufzureizen suchen. Natürlich richtete sich der Ingrimm hauptsächlich gegen den Urheber des Schrittes, der inzwischen ruhig sein neues Amt angetreten hatte und von seinen freiheitliebenden Friesen mit besonderen Auszeichnungen empfangen worden war. Aber nicht länger als zehn Tage hatte er unter den Landsleuten geweilt, als ein Obergerichtsrath mit polizeilicher Begleitung in Keitum erschien, um den neuen Landvogt von Sylt zu – verhaften.


(Schluß folgt)




Ueber Heizung und Ventilation von Wohngebäuden.
Auch ein Beitrag zur Gesundheitslehre.


Warum müssen wir im Winter noch immer in eiskalten Kirchen frieren, warum noch immer in unventilirten Theatern und Vergnügungssälen uns amüsiren, in rauchigen und qualmigen Bier- und Weinstuben Zerstreuung und Erheiterung suchen? Einfach, weil der Laie es für unmöglich hält, auch in alten Gebäuden moderne Heizungen und Ventilationen einzurichten oder weil er Geldopfer scheut, die hier um so schwerer fallen, als Jedermann sich einbildet: „Wärme dürfe nicht viel kosten und frische Luft müsse umsonst beschafft werden können!“

Auf dem Gebiete der Heizung und Ventilation sind in den letzten beiden Jahrzehnten, wie auf allen Gebieten der Industrie und Wissenschaft, bedeutende Fortschritte gemacht worden, die leider dem großen Publicum aus Mangel an Literatur auf diesem Felde noch immer unbekannt geblieben sind. Es ist das um so mehr zu bedauern, als die Mehrzahl unserer Handwerksmeister, auf welche in kleinen Städten der Bauherr angewiesen ist, von diesem Zweige der Technik wenig Kenntniß besitzt. In größeren Städten allerdings hat sich in neuester Zeit eine Zahl von Ingenieuren niedergelassen, die sich mit Anlegung von Heizungen und Ventilationen beschäftigen, aber die Hauptquelle ihrer Existenzmittel sind der Staat und die Communen mit ihren größeren Gebäuden oder industrielle Etablissements. Der Privatmann fängt erst zögernd an, sich die Erfahrungen der neuesten Zeit zu Nutze zu machen.

Eine gute Heizung und eine zuverlässige Ventilation sind nur dann zweckentsprechend, wenn sie beide Hand in Hand gehen. Dabei muß aber nicht allein Sorge getragen werden, die schlechte Luft abzuführen, sondern gleichzeitig auch Sorge für Zuführung angewärmter frischer Luft. Andernfalls schleicht sich kalte Luft zum Ersatze durch Thür- und Fensterritzen ein, strömt mit Gewalt durch die geöffnete Thür und erzeugt den Jedermann unangenehmen Zug. Diese Zuführung frischer, warmer Luft läßt sich, ebenso wie die Abführung der verdorbenen, mit fast jeder Heizung verbinden.

Unser guter alter Kachelofen ist einer der besten Luftreiniger unserer Wohn- und Schlafzimmer, so lange er geheizt wird. Durch das Feuer, welches in ihm brennt, saugt er die Luft aus

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_080.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)