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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)


welche als Sommerfrischen in Betracht kommen. Das letztere bietet recht eigentlich die Thalidylle, das erstere dagegen, am Abhange der Grotenburg gelegen, bedeutende landschaftliche Reize, weite Blicke in’s Gebirge und bequeme Wege. In beiden Dörfern sind Gasthäuser vorhanden, in denen man gegen billige Tagespension Unterkommen findet, wer aber mit großer Familie eigene Wirthschaft führen will, findet in den Bauernhäusern Sommerwohnungen von allerdings bescheidener Natur und kann alle sonstigen Bedürfnisse, die materiellen wie die geistigen, aus dem nahen Detmold bestreiten. Auf der Grotenburg und den Externsteinen finden abwechselnd Concerte statt. –

Soviel für „Sommerfrischler“ – für Touristen, denen wir überdies Dr. Thorbecke’s vortrefflichen „Führer durch den Teutoburger Wald“ empfehlen, seien zwei Winke gegeben: erstens, daß sie in das Gebirge immer nur Tagespartien von Detmold, als Standquartier, aus unternehmen; denn im Gebirge sind nirgends Orte, wo man bei einem nur einigermaßen starken Fremdenandrang ein gutes oder nur nothdürftiges Nachtlager fände, und es ist auch vor der Hand noch die Befürchtung ausgeschlossen, daß die Romantik durch den Kellnerfrack beeinträchtigt werde. Zweitens: daß man, hat man nur kurze Zeit zur Verfügung, zunächst das durch nachfolgende Punkte bestimmte Gebiet, als das schönste des Gebirges, durchwandere: Detmold, Hiddesen, Dörenschlucht, Eheberg, Lopshorn, Hartröhren, Winfeld, Berlebeck; als Partie für sich: Externsteine (mit Velmer Stoot), da man bei diesen ein gutes Hôtel mit Zimmern für die Nacht vorfindet. Diejenigen Touristen aber, welche gern nicht blos die breiten Wege, sondern auch die weniger betretenen, aber oft um so interessanteren Nebenpfade einschlagen, mögen sich an den besten Kenner des Gebirges, den Besitzer des „Lippischen Hofes“, Herrn Müller, wenden, der ihnen die schönsten Touren Schritt für Schritt vorschreiben wird.

Die Meisten, welche bis jetzt den Teutoburger Wald aufsuchten, kamen, um das Hermanns-Denkmal zu sehen, und staunten nicht wenig, sich vor einer Gebirgswelt zu finden, von deren Schönheit sie bisher gar keine Ahnung gehabt hatten. Wir haben im Vorstehenden versucht, ein Bild derselben in allgemeinen Umrissen zu geben, und wir können dem Leser nur rathen, dasselbe durch eigene Anschauung zu einer lebendigen Erinnerung umzugestalten.

F. Lindner.




Blätter und Blüthen.


Das Düsseldorfer Cornelius-Fest. Von den Enthüllungsfestlichkeiten des Cornelius-Denkmals, welche von der Künstler- und gesammten Bewohnerschaft Düsseldorfs im Beisein des Kaiserenkels Prinzen Wilhelm und zahlreicher Ehrengäste von hoher Stellung im Staate wie in der Kunst, Wissenschaft und Industrie am 24. Juni glanzvoll begangen worden sind, stellt unsere Illustration (auf S. 485) das Nachtstück dar, mit welchem die berühmte Künstlergemeinde des „Malkasten“ die Feier schloß und aus dem Ernst strenggebotener Würde auf das heitere Gebiet des Humors und des freien frohen Künstlerlebens frisch und keck hinüberleitete.

Ist auch die Schilderung jenes Festtages längst durch viele Zeitungen bekannt geworden, so dürfen wir doch bei unseren Lesern, namentlich außerhalb der deutschen Grenzen, nicht allenthalben so viel Kenntniß derselben voraussetzen, als zum Verständniß unserer Abbildung nöthig ist. Wir lassen deshalb einen raschen Ueberblick des Festverlaufes der ausführlicheren Beschreibung des illustrirten Schlußstückes vorangehen.

Die Feier des Tages begann mit einem Festzug, welcher in der „Kurzen Gasse“ das Geburtshaus des Gefeierten, dessen kleine Gedächtnißtafel so lange das einzige Cornelius-Denkmal war, begrüßte und durch mehrere Hauptstraßen zu dem in der Nähe der Königs-Allee und des Schadow-Platzes gelegenen stattlichen Raume gelangte, der als Denkmalsstätte des unsterblichen Meisters gewählt worden ist.

Es versteht sich von selbst, daß Künstlerhände sowohl die Ehrengäste wie die Zugtheilnehmer in malerischen Gruppen um das verhüllte Denkmal aufzustellen wußten. Eine Festhymne (Dichtung von Ludwig Bund, Musik von Tausch) des vortrefflichen städtischen Männergesangvereins leitete die Enthüllungsfeier ein; dann bestieg Professor W. Camphausen die Rednerbühne. Seine Festrede entwarf in großen, glänzenden und farbigen Zügen das Bild vom Geist und Streben, Ringen und Vollbringen des Meisters und schloß mit den weithinschallenden Worten: „Fest, kernig und erzgegossen, wie es im Leben seine Art war, möge sein Standbild, in guter Nachbarschaft mit dem seines ruhm- und verdienstreichen Gefährten Schadow, zu einem neuen, glänzenden Schmucke und Wahrzeichen dieser schönen Düsselstadt werden, ein redendes Symbol der Muse, die ihr nun schon seit Menschenaltern ihre weltberühmte Signatur gegeben hat. Hinab denn, ihr zögernd neidischen Falten, und Ehre für alle Zeiten dem Namen Cornelius!“

Die Hülle sank, und Jubel begrüßte Adolf Donndorf’s Meisterwerk.

Hierauf übergab der Regierungspräsident v. Hagemeister das Denkmal der Stadt. In seiner warmen, durch Rückblicke auf die Geschicke deutscher Nationalität am Rhein gehobenen Rede betonte er, daß Deutschlands Künstlerschaft es gewesen sei, welche die Errichtung des Cornelius-Denkmals als ihre Sache aufgenommen, und daß dieses Denkmal das erste sei, welches die deutsche Nation ihrem Altmeister Cornelius geweiht habe.

Nunmehr übernahm der Oberbürgermeister Becker das Denkmal im Namen der Stadt, die demselben, wie er freudig und stolz aussprach, bereits ihren schönsten Platz eingeräumt und diesen nach des Meisters Namen benannt habe.

Nachdem noch Professor Strähuber aus München im Namen der auswärtigen Künstler seinen Gruß und Dank mit des Gefeierten Lob ausgesprochen, schloß Schiller-Mendelssohn’s „Festgesang an die Künstler“ diesen ersten Theil der Feier.

Den zweiten nahm die Festtafel im prachtvoll geschmückten Kaisersaale der städtischen Tonhalle in Anspruch. Ist es ein Vorzug solcher Festlichkeiten, wenn der Gegenstand der Feier und das Geschick der Tafelredner auf gleicher Höhe stehn, so ragte auch dieser Festtheil würdig hervor. Prinz Wilhelm brachte für den deutschen Kaiser, der Enkel für den Großvater, das erste Hoch aus. Unter den Rednern befand sich auch der greise Ernst Förster aus München.

Nicht unbemerkt darf bleiben, daß zu den Ehrengästen des Festes eine Tochter Schadow’s und Cornelius’ Wittwe mit ihrem zweiten Gemahl, Herrn Cerboni, zählten.

Nachdem der Ehrentag bis dahin mit einer Erhabenheit begangen war, die selbst von der steigenden Begeisterung der Tafelgenossen nicht erschüttert werden konnte, trat am Abend, als dritter und Schlußtheil, die freiere Feier im Dienst der Schönheit in ihre Rechte. Abermals war zur Scenerie der Teich im „Jocobi’schen Garten“ des „Malkastens“, der schon bei den großen „Düsseldorfer Kaisertagen“ (Gartenlaube 1877, S. 69) als Nixenheimath und Geisterlustheim glänzte, gewählt worden. Daß hier die jedes wahre Verdienst verherrlichende Kunst ihr Reich aufgeschlagen habe, bezeugte schon die Ulmen-Allee, die zum Teiche führt. Dort sah man zwölf Transparent-Medaillons in laubumkränzten Rahmen zwischen den Bäumen schweben, und als gegen neun Uhr die Transparent-Lichter entzündet wurden, begrüßten die Festgenossen die geistvollen Züge von Heinrich Heine, Alfred Rethel, Robert Schumann, Mendelssohn W. von Schadow, Grabbe, Friedrich Heinrich Jacobi und Georg Jacobi, Goethe, Herder, vom Grafen Friedrich Stolberg und Immermann, die Alle einst Gäste des Gartens gewesen waren.

Wir lassen nun dieses Cornelius-Fest des „Malkastens“ von einem der Festgenossen (Otto Kirmse) schildern:

„Wie im ‚Malkasten’ alle Factoren zusammenwirken, um solchen Gartenfesten durch Feinheit des Geschmacks, ungewöhnliche Prachtentfaltung und Reichthum der Erfindungsgabe vollendetes Gelingen zu sichern, ist hinlänglich bekannt und hat sich bei dem Kaiserfeste von 1877 auf das Glänzendste bethätigt.

Das Fest am 24. Juni bot einen derartigen Farben- und Gestaltenreichthum, daß der kurzbemessene Raum dieser Zeilen nur die flüchtige Schilderung des Hauptmomentes erlaubt, wie letzteren bildlich anzudeuten der beigegebene Holzschnitt bemüht gewesen.

Die von Maler H. Schneider gegebene Grundidee des Festes, an dessen sinnigem, pietätvoll-poetischem, glänzendem Arrangement die Herren Professoren Camphausen und Baur, desgleichen die Maler Volkhart und Röber den hauptsächlichsten Antheil gehabt, war eine Verkörperung der hervorragendsten Gestalten, welche Cornelius geschaffen.

Zu letzterem Zwecke war der Venusteich überbrückt durch ein kühnes Felsgebilde, auf dessen Scheitelpunkte das Cornelius-Standbild, getreu vom Bildhauer Müller in Gyps nachgeformt, sich hell vom grünen Laubhintergrunde abhob. Unten aber in dunkler Grotte war ein farbenprächtig vom Maler Röber nach dem Cornelianischen Frescobilde ‚Die Wasserwelt’ ausgeführtes Transparent eingefügt, um nach Professor Camphausen’s Düsselnixenprolog ‚das weite Reich Poseidon’s zu illustriren und, aus dunkler Fluth herausleuchtend, dasselbe unter den Klängen der Mendelssohn’schen Sommernachtstraum-Ouvertüre in bestrickender Schöne widerzuspiegeln.

Kaum sind die holden Worte der in märchenhafter Schwanengondel erschienenen Düsselnixe verklungen, da – süßlockender Gesang unsichtbarer Nixen und dann ein neues wundersames Klingen im Zauberhain, die jubelnden Klänge des Malkasten-Paukenmarsches, erst leise, dann lauter – sie kommen näher und näher, und nun auf einmal erhebt sich’s leuchtend aus dem Gebüsch. Vorerst Fackeln und Lampions tragend die Herolde und Landsknechte, Pagen mit Transparenten, riesigen Blumenbouquets, die Bannerträger sodann mit den Emblemen der bildenden Künste, mit den Schildern der deutschen Kunstakademien den Landesfahnen, wie der Fahne des Malkastens. An alle diese schließen sich die hervorragendsten der von Cornelius geschaffenen Figuren, und feierlich ziehen in würdevoll abgemessenen Schritten die lichtstrahlenden Gestalten empor, um zu beiden Seiten ihren Heerschau haltenden Meister huldigend zu umgeben, Palmen und Lorbeerzweige vor ihm niederzulegen. Romantische, herrliche Gestalten in den verschiedensten und reichsten Trachten:

„Heraufbeschworen aus dem Reich der Geister
Durch dieses Tages lauten Festesruf,
Euch wohlbekannt, saht ihr empor sie steigen,
Zu seinem Bild in feierlichem Reigen.
Zu Faust und Gretchen und den Nibelungen,
Wie zu der Griechen und Trojaner Schaar
Ist der Beschwörung Zauberwort erklungen.
Es nahten heil’ge Engel wunderbar,
Ja selbst der Hölle Dämon ist erschienen –
Dem Lob des Meisters müssen alle dienen.’

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 495. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_495.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)