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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

mit unglaublichem Eifer und nicht selten mit großen Opfern an Zeit und Geld betrieben. Sie war vorzugsweise in größeren Städten, so besonders in Leipzig, Berlin und Köln heimisch. Mit ihr Hand in Hand ging dann auch oft genug Taubenfang und Räuberei. Man benutzte die in jedem Schlage vorhandenen überzähligen Täuber, um vermittelst derselben Täubinnen und mit diesen zusammen zugleich auch andere Tauben anzulocken.

Eine andere, mehr harmlose Neigung ist die für die sogenannten Farbentauben, deren Pflege sich bereits zu einer Art von Wissenschaft entwickelt hat. Schon die allergewöhnlichsten Taubenschwärme auf dem Hofe des behäbigen Gutsbesitzers, Pächters oder Bauern zeigen eine bunte Mannigfaltigkeit in Farben und Zeichnungen. Da giebt es Hohlflügel, Flechttauben, Feuertauben, Eistauben, Lerchentauben, Schuppentauben u. dergl. m., die man im Allgemeinen als Feldtauben oder Feldflieger bezeichnet, soweit sie glatte Köpfe haben, aber Haustauben nennt, sobald sie „gehäubt“ oder „getollt“ sind und „Latschen“, das heißt befiederte Füße, haben. Sie stammen alle von der eigentlichen Feld- und Landtaube ab, welche einfarbig blau ist, mit breiten, schwarzen Binden über die Flügel, und zwar meistens aus deren Mischung mit edlen Rassen. Als die eigentlichen Farbentauben werden solche mit gewissen bevorzugten Zeichnungen betrachtet. Hierher gehören Starhals-, Schweizer-, Pfaffen-, Mönch-, Masken-, Elster-, Storch-, Schwalben-, Muschel- und Schildtaube, Bläßchen, Weißkopf, Mohrenkopf und andere. Man kann es nicht leugnen, daß in dieser Fülle vielfältiger, eigenartiger Erscheinungen für den Züchter ein eigenthümlicher Reiz liegt, zumal wenn es ihm gelingt, die Farben- und Zeichnungsspielarten in reinster Form zu erzielen.

Ein ungleich bedeutungsvolleres Gebiet hat aber der Züchter der Rassetauben. Bei ihm handelt es sich nicht allein um die absonderlichen regelmäßigen Farben und Zeichnungen, sondern um ganz besondere Merkmale des Körperbaues. Nehmen wir ein Lehrbuch in die Hand (als das kürzeste und beste ist „Die Arten der Haustaube“ von G. Prütz und dann als ein größeres umfassenderes das illustrirte „Handbuch der Federviehzucht“ von Dr. Baldamus zu empfehlen), so finden wir diese Tauben in fünf Gruppen: Trommeltauben, Tümmler, Kropftauben, Hühnertauben und Pfau-, Locken- nebst Mövchentauben beschrieben, innerhalb derselben aber giebt es gegen sechszig verschiedene Rassen und Spielarten. Es ist hier ja nicht möglich, auf die Unterscheidungsmerkmale der russischen, bucharischen und altenburger Trommeltauben, der deutschen und englischen Tümmler, Nönnchen und Ringschläger, der zierlichen ägyptischen, chinesischen und deutschen Mövchen, der zahlreichen Kröpfer, türkischen oder orientalischen und spanischen Tauben oder gar der Brieftauben, als Mischlinge aus vielen Rassen zusammen, näher einzugehen. Die Liebhaber, welche sich weiter belehren wollen, seien auf die genannten Bücher, sowie auf Dr. Karl Ruß’ „Die Brieftaube“ verwiesen.

Die Taubenzucht im Allgemeinen ist keineswegs schwierig, und das nur zu vielfach verbreitete Vorurtheil, welches in der Redensart gipfelt: „Wer sein Geld nicht sehen kann liegen, kauf’ sich Tauben, sieht er’s fliegen“, ist haltlos. Dagegen hat die Züchtung guter und reiner Rassetauben allerdings Schwierigkeiten. Gleichwohl hat sich gerade die Liebhaberei für edle Tauben in letzter Zeit in Deutschland staunenswerth verbreitet; man zählt mehrere hundert Vereine, in denen theils ausschließlich Brieftaubenliebhaberei, teils Geflügelliebhaberei im Allgemeinen, größtenteils auch noch mit der Vogelliebhaberei verbunden, gepflegt wird. Alljährlich werden in zahlreichen Städten mehr oder minder großartige Ausstellungen veranstaltet, ferner Taubenwettflüge von den Brieftaubenliebhabervereinen, und bei allen diesen Gelegenheiten werden reichlich Prämien vergeben, die nicht selten von hohem Werth sind. Bei den deutschen Ausstellungen handelt es sich zum größten Theile, ähnlich wie bei den englischen, wenn auch nicht ganz in dem Maße, lediglich um Luxustauben; es giebt Pärchen in den verschiedenen Rassen zum Preise von 15 bis 200 Mark, und auf einer sehr glänzenden Berliner Ausstellung waren unter Anderem bucharische Trommeltauben das Paar für 150 bis 200 Mark, und ägyptische Mövchen das Pärchen für 600 bis 900 Mark vorhanden. Um solche kostbare Vögel zu züchten, bedarf es natürlich gründlicher Kenntnisse, sorgsamster Pflege und unermüdlicher Ausdauer. Da verfolgen die Züchter wohl den Weg, daß sie ihre ganze Sorgfalt nur einer einzigen Rasse zuwenden, in deren Zucht sie dann allerdings Außerordentliches erreichen. So giebt es einen „Pfauentauben-König“, eine „Mövchen-Königin“ u. dergl. m., deren tadellose Thiere auf allen großen Ausstellungen Bewunderung erregen und mit den höchsten Preisen gekrönt werden.

Die Verbreitung dieser Liebhaberei für die Luxustauben verdanken wir zunächst dem Beispiele der Frau Prinzessin Karl von Preußen. Ihr Haushofmeister, Herr W. Meyer, kaufte während der häufigen und weiten Reisen stets die seltensten und schönsten Tauben auf, und so wurden die vorhin genannten köstlichen Rassen, sowie, nebenbei erwähnt, auch die sogenannten holländischen Kanarienvögel, durch ihn zuerst in Deutschland eingeführt. Die Prinzessin hielt immer etwa 300 Paar Tauben und ließ durch Herrn Meyer fleißig die Ausstellungen beschicken. Die erste derartige Tauben- beziehungsweise Geflügelausstellung in Deutschland wurde von Herrn Hofkorbmachermeister Springer in Altenburg schon in den vierziger Jahren veranstaltet, und seitdem hat sich die Liebhaberei reißend schnell verbreitet, namentlich seit durch das Auftreten des Berliner Vereins „Cypria“ mit Dr. Bodinus an der Spitze andere Vereine in wachsender Zahl entstanden und mehr oder minder große Erfolge erzielten. In dem Städtchen Lähn in Schlesien, auch in Liebenthal und einigen anderen, werden seit alter Zeit her alljährliche Taubenmärkte abgehalten, und dem Zuge der neueren Zeit zu folgen, zeigen sich auf denselben unter den wohl dreitausend Paar und darüber vorhandenen Tauben jetzt auch bereits die werthvolleren Rassen zum Preise von hundertzwanzig bis hundertfünfzig Mark für das Paar.

Indessen hat, so scheint es leider, die Taubenliebhaberei ihren Höhepunkt bereits überschritten. Namentlich gilt dies von der Pflege der vorhin erwähnten Flug- und Farbentauben: während dieselben früher recht gesucht waren, behalten sie die Händler jetzt wohl monatelang in den Käfigen. Auf dem Lande, in Guts-, Pfarr- und Bauernhöfen, ferner bei den Ackerwirthen in kleineren Städten sieht man entweder gar keine oder doch nur die allergewöhnlichsten gemeinen Rassen – und doch sollte man bedenken, daß gute edle Tauben einerseits in der Ernährung durchaus nicht kostspieliger sind, und daß sie andererseits doch einen namhaften Ertrag bringen können, neben der Freude und dem Vergnügen, welches sie gewähren. Sollte für den gelangweilten Pensionär in der kleinen Provinzialstadt, dem es meistens an jeder Zerstreuung fehlt, und für unzählige Andere in ähnlichen Verhältnissen Lebende die Liebhaberei für die Tauben – ebenso wie die für einheimische und fremdländische Stubenvögel – nicht eine wahre Wohlthat sein? Sie könnte ihnen über das geisttödtende Einerlei des täglichen Lebens hinweghelfen und ihnen eine anregende und unter Umständen recht einträgliche, in jedem Falle aber harmlose Thätigkeit gewähren.




Ein heiliger Stein.
Erinnerung aus dem amerikanischen Westen.


In jenen trostlosen, jeder landschaftlichen Schönheit baren Regionen des nördlichen Dacota, welche die Amerikaner in den Karten als bad lands (schlechtes Land) bezeichnen, hatten wir den immer spärlicher werdenden Büffel während des kurzen, oft von Schneegestöber unterbrochenen Sommers gejagt und waren nun auf der Heimfahrt, ostwärts, nach Minnesota begriffen. Unsere kleine Karawane war aus vier weißen Männern, einem Halbblutindianer und einer kleinen Bande echter, rechter Rothhäute aus dem Stamme der Sissiton-Sioux zusammensetzt, welche Letztere wir für die Dauer der Jagdzeit angeworben hatten, theils damit sie uns als Führer in jener pfadlosen Graswüste dienen sollten, theils aber auch um in ihnen eine Hülfe beim Abhäuten der erlegten Thiere und tüchtige Kutscher für unsere vier Wagen zu finden. Der Halbblutindianer hatte als Koch zu figuriren und war unser Factotum in allem, was Jagd und Reisepläne anbelangte. Pierre, wie er sich nicht ohne Stolz nennen ließ, war in der canadischen Provinz Manitoba, die an Dacota grenzt, zu Hause, und dieses weite, aber schwach bevölkerte Gebiet, in welchem ein französisches Kauderwelsch gesprochen wird, liefert die trefflichsten Jäger, Bootsleute und Pfadfinder, ohne welche die sonder Beispiel dastehende, vorzügliche Organisation des Pelzhandels der Hudsonsbaygesellschaft, welche in Manitoba noch ein factisches Monopol

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 526. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_526.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)