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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

richteten sie stiere Blicke der Scheu und Abbitte auf den Capitain. Kurz, die Scene stellte einen vollständigeren Triumph der Forschung über die Unwissenheit dar, als man irgendwo im neunzehnten Jahrhundert, zumal in unserer erleuchteten Republik, für möglich gehalten hätte.“

Mackay hat nachher noch oft die Schilfgrasfelder anzünden lassen, und jedesmal, wenn kein Wind sich regte, erfolgte ein tüchtiger Regenschauer, ja, in den ganzen drei Monaten dieser Vermessung mußte man sich ausschließlich mit solchem künstlichen Regen begnügen.

Carus Sterne.



Land und Leute.
Nr. 42. Im Schwarzwald.
Skizze von Dr. G. v. Seydlitz.
I.

Die „Gartenlaube“ hat bereits in früheren Jahren öfters Skizzen und Zeichnungen aus dem in so vielfachen Beziehungen anziehenden Schwarzwalde gebracht, sowohl von bemerkenswerthen landschaftlichen Punkten, wie auch von den Bewohnern und deren Treiben. Diesmal nun sei es uns gestattet, eine zusammenhängendere Uebersicht und Charakteristik des Ganzen zu bringen und daran die Schilderung einiger weniger beachteter, aber in erster Reihe interessanter Punkte zu knüpfen. Wir verfolgen dabei die Absicht, für die alljährliche Reisezeit möglichst Viele, welche vom Schwarzwald bisher wenig mehr als etwa Baden- Baden und Wildbad kannten, darauf aufmerksam zu machen, daß dem wahren Freunde der Natur hier eine Fülle von so hohen landschaftlichen Schönheiten geboten wird, wie in kaum einem unserer Mittelgebirge, und daß es hier noch „gemütlich“ reisen ist, ohne daß man zum Geldsack wird, den alle Welt auszupressen sucht.

Er ist ein herrlich Stück Land – unser durch Natur und Sage gleich schöner Schwarzwald. Bis zu nahe an 1500 Meter steigen gewaltige, schön geschwungene Kuppen empor und bauen sich hinter einander auf, die einen immer die anderen überragend, und hinabschauend theils in enge Thalschluchten, theils in breite Gelände, theils in bequem sich weitende Thäler. Kuppen und Hochthalsohlen sind hier von saftigen Alpenwiesen überdeckt, dort vom köstlichsten Walde. Häufig zeigen sich Felspartien von starrer Wildheit, ja stundenlang sich fortziehende enge Felsenschluchten. Durch diese Schluchten, diese Thäler eilen hellblinkende, immer rauschende Bäche und Flüßchen, welche manchen schönen Wasserfall bilden, unter denen der berühmteste und größte der Tryberger Fall ist, ein Gegenstück zum Schweizer Gießbach. Einige klarspiegelnde Seen bieten dem Auge angenehm fesselnde Ruhepunkte der Betrachtung. Ueppige Feldfluren ziehen aus den Thälern über die niedrigeren Höhen, Obst- und Weingelände umgeben zahllose Dörfer und kleine Städte in den wärmeren westlichen und südlichen Theilen. Aber Städtchen und Dörfer sind auch hoch hinauf über das ganze Gebirgsland zerstreut. Sie strecken sich bald lang hin in den Thälern, bald weit und breit in mehr vereinzelten Höfen über die breiten welligen Höhen fort. Und alle diese Wohnstätten der Menschen machen den wohltuendsten Eindruck durch ihre Gediegenheit, Sauberkeit und viele durch die in’s Auge springende Wohlhäbigkeit. Dazu überall verstreut altersgraue Mauern, geschicht- oder sagenreiche Burg- und Schloßtrümmer, während in den Ortschaften selbst vielfach architektonisch bedeutende Bauten hervortreten, sowohl alte wie neue, sowohl Kirchen, Rathhäuser, Schulen, wie auch Fabriken, Schlösser und Privathäuser.

Großartige Alpenpanoramen der Schweiz sowie der baierischen und österreichischen Alpen, welche in oft zauberischer Schönheit von allen Höhenpunkten des Gebirgs in den südlicheren Theilen bei geeigneter Luft erblickt werden, erhöhen den Reiz.

Diese verschiedenartigen, fesselnden Bilder bewegen die Seele des Wandernden mannigfach. Bald sind sie lieblich, bald ernst, bald wild, düster und schaurig, bald wieder rein, erhaben und großartig – immer aber weht um sie ein Zauber eigener Art, nur einem deutschen Herzen ganz verständlich. Wer zu träumen liebt, wo fände er geeignetere Stätten als in diesem wunderbaren, dämmervollen Zauberwald! Schon der Name des Gebirges deutet darauf hin, daß sich ein ausgedehnter Bestand an Nadelholz hier finden muß, und derselbe ist in seiner Größe und Vollkommenheit in der That eine Pracht an sich selbst. Aber dieser manchmal an Urzeiten mahnende (obwohl sehr sorgfältig bewirthschaftete) Wald weist vielleicht ebenso viel des köstlichsten Laubholzes auf. Der Schwarzwald hat eine üppige Kräuterflora, und an vielen Berghängen überzieht lauschiges Strauchholz den Boden. Farren, Moose und Flechten überwuchern große und kleine Felsbrocken. Hier ist gut ruhen und sich träumerisch lagern.

Aufwärtssteigend findet man bis zu 800 Meter den herrlichsten Laubwald, Buchen, Ahorn, Eichen vor Allem; darüber tritt der eigentliche „Schwarzwald“ dominirend auf, und auf den Hochebenen der Kuppen auch das Knieholz der Legföhre, und ganz oben grüßen uns die Alpenwiesen. Uebrigens steigt an vielen Stellen bei dem fruchtbaren Boden der ertragreiche Feldbau bis 1000 Meter hoch. Die Hänge des Gebirgs im Westen und Süden deckt köstlicher Weinbau, abwechselnd mit Obstzucht.

Ueber 120 Quadratmeilen etwa erstreckt sich das Schwarzwaldgebirge, ein gar nicht unbeträchtlicher Raum, zu langen Wanderungen Gelegenheit bietend. Davon gehören 28 Quadratmeilen zu Württemberg. Sie sind im Ganzen die weniger hervorstechenden Theile, obwohl Nagoldthal, Teinach und Wildbad, also drei Glanzpunkte, in ihnen liegen. Die 92 Quadratmeilen Badens umfassen im Uebrigen alle schönsten Punkte des Schwarzwaldes.

Beim ersten Blick erscheint das Gebirge als ein gänzlich systemloses Conglomerat von Formationen, und obwohl sich die ganze Masse, im Norden etwa 6, im Süden 10 Meilen breit, in südwestlicher Richtung von Pforzheim bis Basel gemessen an 27 Meilen hinzieht, so sind dennoch keine systematischen Kettenzüge vorhanden, sondern es läßt sich nur eine Wasserscheide verfolgen, während der Charakter des Gebirges der eines gewaltigen Hügellandes ist, das nach allen Richtungen durch Thäler zerrissen wird. Gerade diese scheinbar systemlose Zerfurchung des Gebirges bringt aber die reiche und wechselvolle Fülle von Landschaftsbildern hervor, die andere in parallelen Ketten streifende Gebirge, wie z. B. der Jura, nicht bieten. Aus dem den Schwarzwald bildenden Gestein: Granit, Gneis, Porphyr, an den sich nach Osten Buntsandstein (vereinzelt auch mitten im Gebirge zu finden) anlegt, erklärt sich die Formation seiner Höhen. Dieselben sind keine hochkegelförmig, dornig, zahnig aufragenden Spitzen, sondern runde, breite Kuppen, Belch oder Bolchen, Belchen genannt, welche oben mit dichtem Erdreich bedeckt sind; letzteres ist häufig von mooriger Beschaffenheit und setzt sich gleichartig in die Hochthäler als Torfmoor fort. Einst waren hier breite Seeflächen, von denen freilich in historischer Zeit nur noch kleine, dürftige Seen zurückgeblieben sind, an sich allerdings sehr reizende Stellen, wie Titisee, Mummelsee, Schluchsee, Feldsee etc.. Die genannten weiten feuchten Bodenstrecken sind übrigens ein Segen für das Land, denn ihnen entströmen, wenn auch im Sommer schwächer, die ausdauernden Bäche und Flüsse, welche die Industrie des Schwarzwälders sichern und bei richtiger Behandlung noch lange vor reichlicherer Verwendung der ungesunden Dampfmaschine bewahren können.

Doch entbehrt der Schwarzwald darum keineswegs etwa der compact und pittoresk hervortretenden Felsklippen. Nur ragen sie nicht auf den Kuppen, über die Bodenkrume gen Himmel hervor. Dagegen sind Klippen, Felswände, Felsnadeln ist großer Menge an den Abhängen der Höhen überall zu finden, und in einer Anzahl großartiger, scharf eingerissener Thäler treten sie so massenhaft und gewaltig auf, daß sie in stundenweiten Zügen den Charakter der Gegend bestimmen, ja die übrigen deutschen Mittelgebirge hierin weit hinter sich lassen.

So ist es vor Allem in den größten und wichtigsten Thälern der Fall, welche von der südnördlich ziehenden Wasserscheide nach allen Richtungen sich hinaus in’s Flachland öffnen. Die wichtigsten derselben sind das Murgthal bei Baden-Baden, das große Kinzigthal, das breit gegen Offenburg ausläuft und das die Schwarzwaldbahn zum Theil durchzieht, das Dreisamthal,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 538. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_538.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)