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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

ihres Gemahls paßte wenig zu ihrem heftigen, herrschsüchtigen Temperamente.

Die Chronisten jener Zeitperiode schildern uns Margarethe Maultasch als Mannweib, groß, auffällig stark und häßlich. Sie war eine sehr reiche Fürstin, dabei leidenschaftliche Jägerin, ritt, focht und schoß ausgezeichnet mit der Armbrust. Ihre Ehe mit Prinz Johann blieb kinderlos. Sie erklärte mit Beziehung darauf, als sie nach dem Tode ihres Vaters in Tirol und Kärnten zur Regierung gelangte, nicht länger mit ihrem Gemahl leben zu wollen, und sann auf Mittel, sich von ihm zu trennen. Als Prinz Johann einst von der Jagd zurückkehrte, ward ihm auf Befehl Margarethens der Eintritt in das Schloß Tirol mit bewaffneter Hand verweigert und ein gleicher Empfang in den übrigen Burgen des Landes in Aussicht gestellt. Der Prinz mußte die Nacht bei einem Förster zubringen und verließ bald darauf das Land. Margarethens Wunsch, sich von ihrem Gemahl kirchlich trennen zu lassen und die Erlaubniß zu einer zweiten Vermählung zu erwirken, ward indeß vorläufig durch ein für sie schwerwiegendes politisches Ereigniß in den Hintergrund gedrängt. Das Haus Oesterreich erhob nämlich Ansprüche auf Kärnten; Margarethe sollte sich mit Tirol begnügen. An der Spitze ihrer tirolischen Ritter und Reisigen fiel sie sofort durch das Pusterthal in Kärnten ein, verstärkte sich hier durch kärntnerische Schaaren, welche die Vereinigung ihres Landes mit Oesterreich nicht wollten, schlug die überraschten Parteigänger Oesterreichs in allen Kämpfen, brannte mehrere Burgen, Flecken und Dörfer nieder und machte ansehnliche Beute.

Sie erschien bald vor der Veste Hochosterwitz, deren Burgherrn, Ritter Schenk von Osterwitz, sie zur Uebergabe aufforderte. Dieser hatte sich indeß zur österreichischen Partei geschlagen und erwiderte die Aufforderung der Maultasch durch eine höhnische Antwort. Darüber wüthend und durch die damals in der Burg befindlichen reichen Schätze und Kostbarkeiten angelockt, schwur sie in ihrem Lager, „das Geiernest müsse herunter, reichten seine Thürme auch bis in den Mond“. – Sofort folgte ein Sturmangriff gegen das erste Zugangsthor der Veste, der indeß von der Besatzung blutig abgewiesen wurde. Nun begann eine langwierige Belagerung, deren Ende im Hinblicke auf die große Widerstandsfähigkeit der Veste und die in jener Zeit ganz unzureichenden Angriffsmittel nicht abzusehen war.

Man vergesse nämlich nicht, daß jene Belagerung in das Jahr 1335 fällt, also in eine Zeit, die zur Kriegführung noch keine Feuerwaffen kannte. Erst sechsundzwanzig Jahre später, 1361, wurden die ersten schwerfälligen, unzuverlässigen Feuergewehre, „Luntenrohre“ genannt, eingeführt, die drei- bis vierlöthige Bleikugeln schossen. Die Schaaren der Margarethe Maultasch vor Hochosterwitz waren daher nur auf die Armbrust und die alten blanken Waffen beschränkt. Erstere schoß auf zweihundert Schritte scharfe und stumpfe Bolzen sowie Bleikugeln, die ein nicht allzustarkes Panzerhemd durchbohrten. Zu den blanken Angriffswaffen gehörten namentlich: Streitäxte, Morgensterne, Flammberge, gewöhnliche Schwerter, Hellebarden, Lanzen und Dolche. Als blanke Schutzwaffen waren Helm, Sturmhaube, Panzer, Arm- und Beinschienen und Schild im Gebrauche. Bei Belagerungen bediente man sich zum Einrennen der Thore und Mauern der Sturmböcke oder Mauerbrecher, zum Ersteigen der Wälle langer Sturmleitern. Hiermit wäre das Arsenal jener Zeitperiode ziemlich erschöpft. Man wird unschwer begreifen, daß mit solchen Angriffsmitteln der Veste kaum beizukommen war, vorausgesetzt, daß die Besatzung, namentlich die der Zugangsthürme, ihre Pflicht that.

Von Annäherungsarbeiten, die von der modernen Belagerungskunst errichtet und allmählich gegen den eingeschlossenen Platz vorgeschoben werden, war zur Zeit der Margarethe Maultasch auch nicht die Rede. Die Plätze oder Vesten wurden von den Belagerern einfach ganz oder auch nur theilweise umringt, einzelne im Bereiche der Armbrustgeschosse befindliche Abtheilungen deckten sich allenfalls hinter Terraingegenständen, während sich besonders gute Armbrustschützen der Belagerer in der Nähe der feindlichen Werke verbargen oder eingruben, um auf Alles, was sich vom Gegner blicken ließ, zu schießen.

Die Besatzung des ersten der vierzehn Thürme war selbstverständlich dem ganzen Anprall der Belagerer ausgesetzt, allein bei gehöriger Wachsamkeit, Umsicht und Energie seitens der Vertheidiger war der Thurm nicht leicht zu nehmen. Der schmale, in den Felsen gehauene Weg ließ die Stürmenden nur in gedrängter Masse gegen den tiefen Festungsgraben und das festverrammelte Thor vorgehen. Der Graben mußte vom Angreifer im unmittelbaren Angesicht der Thurmbesatzung überbrückt oder sonst überschritten werden, um das starke, verschlossene Thor, das innerhalb mittelst Querbalken, schweren aufgeschichteten Steinmassen etc. noch widerstandsfähiger gemacht war, durch Beilhiebe, Sturmböcke oder Mauerbrecher zu öffnen. Das war für die Stürmenden stets eine blutige, oftmals vergebliche Arbeit. Die Besatzung des Thurmes, namentlich die der obersten Plattform, begnügte sich nicht, blos mit der Armbrust unter die Stürmenden zu schießen, sondern es wurden auf die Feinde ganze Reihen schwerer Steine herabgeschleudert, wohl auch kochendes Wasser und flammendes Pech gegossen.

Die Leute des Ritters Schenk von Osterwitz, der die Veste gegen die Maultasch vertheidigte, thaten ihre Schuldigkeit: die geschichtlichen Ueberlieferungen melden übereinstimmend, „die wilde Maultasch sei nach langer (eine bestimmte Zeitdauer wird nicht angegeben) vergeblicher Belagerung wüthend abgezogen“.

An diesen Abzug knüpft sich eine Sage, die bis heute im Volksmunde sich erhalten hat, aber aus mancherlei Gründen wenig Glaubwürdigkeit verdient. Es heißt nämlich, die Besatzung der Veste Hochosterwitz sei durch Hunger schon hart bedrängt und deshalb nahe daran gewesen, sich der Maultasch zu ergeben. Da habe der Ritter Schenk seine Rettung in einer verzweifelten „Kriegslist“ gesucht. Er ließ, heißt es, den letzten Stier schlachten und in sein blutiges Fell die geringen Reste des noch vorhandenen Korns nähen. Darauf sei das Ganze unter Trompeten- und Paukenschall vom Walle den Belagerern zugeworfen worden. Die Maultasch hätte nun geglaubt, die Veste besitze noch viel Mundvorrath, und sei, weil sie durch Gewaltmittel nichts auszurichten vermochte, schließlich abgezogen.

Kriegslisten wie die erwähnte indeß werden, fast mit denselben Worten, auch gelegentlich anderer Belagerungen deutscher Vesten und Burgen berichtet, und das Stierfell, welches noch heute in einer Kammer der Veste Hochosterwitz gezeigt wird, verbürgt die Glaubwürdigkeit jener Sage so wenig, wie die Echtheit des angeblichen „Hutes der Maultasch“ verbürgt ist, der in derselben Kammer mit dem Stierfell aufbewahrt wird.

Den Abzug der Maultasch von Hochosterwitz scheint vielmehr lediglich eine politische Kundgebung veranlaßt zu haben. Kaiser Ludwig der Baier billigte, wie historisch festgestellt ist, die Vereinigung Kärntens mit Oesterreich, eine Entscheidung, der die Maultasch, wohl oder übel, sich unterwerfen mußte.

Kaum aus dem Kriege in Kärnten heimgekehrt, nahm Margarethe Maultasch ihr altes Scheidungsproject gegen ihren Gemahl wieder auf. Es dauerte indeß sechs Jahre, bis 1341, ehe sie mit kaiserlicher Hülfe den Bischof von Freising bewog, sie von Johann zu scheiden sowie ihre Wiedervermählung mit Ludwig von Brandenburg, dem Sohne Kaiser Ludwig’s des Baiern, zu bewirken.

Im nächstfolgenden Jahre (1342) ward die Hochzeit auf Schloß Tirol mit großer Pracht gefeiert. Bei der Trauung kam es in der Schloßcapelle zu einer eigenthümlichen Scene, die mehrere Historiker übereinstimmend erzählen.

Margarethe Maultasch nahm nämlich den Schleier, den sie bisher als verheirathete Fürstin getragen, vom Haupte, legte ihn auf den Altar und setzte sich den von einem Hoffräulein bereit gehaltenen Jungfernkranz mit dem laut gesprochenen Schwure auf, daß sie auf den Kranz, trotz ihrer zehnjährigen Ehe, ein volles Recht habe.

Das Interesse, welches der gebannte Kaiser Ludwig an dieser Vermählung hatte, veranlaßte einen nachträglichen zornigen Einspruch des Papstes Clemens des Sechsten, welcher die Ehe, weil die beiden Gatten im dritten Grade verwandt waren, für ungültig erklärte. Die weiteren politischen Wendungen kamen auch der Gräfin zu gute, nur mußte zur Befriedigung der päpstlichen Ansprüche die Trauung 1359 wiederholt werden.

Ihrem neuen Gemahl gebar Margarethe nur einen Sohn, Meinhardt. 1361 starb der Erstere; zwei Jahre später verlor sie auch ihren Sohn durch den Tod. Ihre zahlreichen Feinde

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 652. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_652.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)