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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Als Knabe hörte ich die Sage, der Künstler, der diese Statue gegossen, habe während des Gießens mit Schrecken bemerkt, daß sein Metall nicht dazu ausreiche, und da wären die Bürger der Stadt herbeigelaufen und hätten ihm ihre silbernen Löffel gebracht, um den Guß zu vollenden.“

Trotz der an Oelgemälden, Handzeichnungen, Radirungen, Kupferstichen, Gypsabgüssen, kunstgeschichtlichen Werken und wissenschaftlichen Büchern reichen Gallerie erlangte die Düsseldorfer Akademie keine besondere Bedeutung. Ja, als nach dem Tode Karl Theodor’s (1798) das Land an Max Joseph von Baiern überging und dieser beim Ausbruche des Krieges zwischen Frankreich und Preußen im Jahre 1805 die Bildergallerie nach München überführte, wobei von werthvollen Gemälden nur die große auf Holz gemalte Himmelfahrt Mariä von Rubens wegen der Schwierigkeit des Transportes zurückblieb, erlosch die Lebensfähigkeit der Schule bald ganz. Unter der Fremdherrschaft, der das Land kurz darauf verfiel und welche Düsseldorf zur Hauptstadt des neugeschaffenen Großherzogthums Berg erhob, bestand die Akademie nur noch dem Namen nach; die Franzosen in ihrer Einseitigkeit und Centralisationswuth waren nicht geeignet, ihr einen neuen Aufschwung zu geben. Ebenso wenig vermochte es das in seinen Finanzen ganz geschwächte Preußen, dem nach den Befreiungskriegen dieser Landestheil zugesprochen wurde. Hier aber war im Gegensatze zu den Fremden wenigstens der gute Wille vorhanden, und dieser schon genügte, den verglimmenden Funken wieder anzufachen. Nach manchen verfehlten Bestrebungen gelang es endlich, das nöthige Capital, dieses unerläßliche Fundament für jedes irdische Unternehmen, herbeizuschaffen. König Friedrich Wilhelm der Dritte von Preußen stellte 1822 die Akademie wieder her und berief noch in demselben Jahre Peter von Cornelius zum Director derselben. Freilich waren die Mittel auf’s Spärlichste zugemessen, und es klingt in jetziger Zeit fast fabelhaft, wenn man erfährt, daß das ganze Jahres-Einkommen der Anstalt blos aus 8500 Thalern bestanden habe.

War die Anstalt arm an Geld, so war das Akademiegebäude selbst, das spätere mit Recht vielgeschmähte, dunkle und winkelige Landgericht, arm an Licht und Raum. In richtiger Einsicht räumte der Staat denn auch bald den alten Galleriebau und einen Theil des durch die politischen Umwälzungen freigewordenen Kurfürstenschlosses der neuerstandenen Schule ein. Auf diesem Schauplatz erstorbener Größe und verrauschter Herrlichkeit – denn der bergische Hof gehörte zu den üppigster seiner Zeit – richtete sich jetzt die Kunstjüngerschaft ein, wenig beirrt durch den Geist der vielgenannten Jacobe von Baden, welcher in diesen verlassenen Hallen umgehen sollte. Die reizende Prinzessin war dem schwachsinnigen Kurfürsten Johann Wilhelm, der nach dem Aussterben des Mannesstammes dem geistlichen Stande entsagte, im Jahre 1685 angetraut worden. Bald darauf klagte ihre Schwägerin Sibylle sie eines Liebesverhältnisses mit dem schönsten Hofcavalier, dem Grafen Manderscheid, an. Das plötzliche Ableben der blühenden Frau, die man eines Morgens todt in ihrem Bette fand, gab zu dem Gerücht Veranlassung, sie sei von ihren Feinden vergiftet worden. Andere wollten gar von einen heimlichen Enthauptung im Schloßhofe wissen, wo man noch lange nachher Blutspuren zeigte. Seitdem soll ihr verstörter Geist, wenn dem Lande ein Unheil naht, im alten Schlosse umgehen, ähnlich der weißen Frau im Berliner Schlosse, und mancher Jünger unserer romantischen Schule hörte, wenn er sich an der Staffelei verspätet hatte, das Knistern ihrer seidenen Schleppe, das Geräusch auf- und zugehender Thüren, das Näherkommen und Verhallen ihrer Schritte, oder spürte gar das Wehen ihres Kleides, sodaß den Einsamen die gesunde Vernunft im Stich ließ und daß er, seine Malerutensilien zusammenraffend, in’s Freie floh. Die frische Luft, welche der dicht am Fuß des Schlosses dahinbrausende Rhein aushauchte, mag dann schnell genug die Gespenster wieder in ihr Grab zurückgescheucht haben.

Peter von Cornelius war von seiner Berufung an der Träger und der geistige Mittelpunkt der Akademie. So wahr ist es, daß nur durch eine hervorragende Persönlichkeit, nicht aber durch das Zusammenwirken vieler mittelmäßigen Kräfte, durch äußere Verhältnisse und Hülfsmittel ein neues Werk in Schwung gesetzt werden kann. Obgleich Cornelius wegen seiner Aufträge für München einen Theil des Jahres gar nicht in Düsseldorf zubrachte, war doch die Ausführung der Cartons für die Glyptothek, welche er hier zeichnete, von durchschlagender Wirkung auf die junge Künstlerschaft.

Die Schule aber erst im wahren Sinne aufzubauen, zu organisiren und bis in’s Detail zu vollenden, blieb Wilhelm von Schadow aufbehalten. Nachdem Cornelius an den Ort seiner eigentlichen künstlerischen Thätigkeit, München, übergesiedelt war, trat Schadow im Jahre 1826 die Leitung der Düsseldorfer Akademie an. Da er einige schon von ihm selbst in Berlin vorgebildete Schüler mitbrachte, war gleich ein fester Krystallisationspunkt vorhanden, um den sich Talent auf Talent anreihte. Die Namen und Werke der Maler aus dieser ersten und der spätern Periode unseres Kunstlebens sind zu bekannt, als daß wir sie hier anzuführen brauchten.

Der Aufschwung der Schule und ihr stetiges Wachsthum waren um so erfreulicher, als sie nicht im Verhältniß zu den knappen pecuniären Mitteln derselben standen, ja, sie erscheinen fast wunderbar, wenn man die Schwierigkeiten erwägt, unter welchen die Reorganisation der Anstalt, die Anstellung neuer Lehrer und die Anschaffung von Hülfsmitteln in’s Werk gesetzt wurden. Aber der Geist ist’s, der lebendig macht. Schadow’s Lehr- und Organisationsgabe, seine liebevolle Pflege jedes Talentes und jeder Richtung, seine persönliche Theilnahme an den Schülern, der gesellige Verkehr bedeutender Menschen in der kleinen Rheinstadt, Alles das wirkte elektrisirend auf die herbeiströmende Jugend.

Die Oelmalerei war das Hauptfeld der akademischen Thätigkeit, indessen gelang es später, durch Stiftung des rheinisch-westfälischen Kunstvereins, auch die Mittel zu monumentalen Werken herbeizuschaffen. Schadow’s Princip, das Ideal auf dem festen Grund der Natur aufzubauen, ist wohl allgemein als das richtige anerkannt worden, wenn auch das vollständige Gleichgewicht in der Praxis nie erreicht werden kann, daher denn auch der Schule die entgegengesetztesten Vorwürfe gemacht wurden. Den Cornelianern erschien sie zu realistisch, die Naturalisten hingegen verspotteten die hier üppig wuchernde Romantik, und so walten auch noch jetzt über sie die verschiedensten Meinungen. In dem einen Punkte aber sind wohl Alle einig, daß sie von hoher Bedeutung für die Kunstgeschichte sowohl, wie für das Kunstleben der Gegenwart ist. Von dieser Ueberzeugung durchdrungen, hat ihr die preußische Regierung stets lebhafte Fürsorge angedeihen lassen und ihr zugleich eine freie Entwickelung ihrer Verfassung und inneren Einrichtung gestattet.

So nahm denn nach dem Rücktritt Schadow’s und dem darauf folgenden Directorat des rühmlichst bekannten Historienmalers E. Bendemann (seit 1859) dieselbe eine republikanische Verfassung an, in der das Lehrercollegium, gleichsam wie ein Senat, die höchste und maßgebende Autorität bildet.

Als bester Gewinn der Neuzeit ist die Bildhauerschule zu betrachten, welche, 1864 gegründet und von dem als Künstler wie als Lehrer gleich ausgezeichneten Professor A. Wittig geleitet, in schönster Blüthe steht. Im Anschluß an diese wurde die Anstalt auch durch ein Museum für Gypsabgüsse bereichert.

Der Lehrstuhl für Kunstgeschichte, 1873 errichtet, füllte eine langgefühlte Lücke aus. Professor Dr. Roßmann, der geistreiche Kunstgelehrte, welcher diese Stelle zuerst bekleidete, wurde nach seiner Ernennung zum Generaldirector aller Kunstsammlungen in Sachsen durch den kenntnißreichen und thätigen Professor der Kunstgeschichte C. Woermann ersetzt, welcher soeben von einer langen Reise durch alle Hauptstädte Europas zurückgekehrt ist, um den dort gesammelten geistigen Schatz zum Besten der Anstalt zu verwerthen.

Zu den bewährten Lehrern aus alter Zeit, welche die religiöse Malerei vertreten, Deger und den Gebrüdern A. und C. Müller, kamen später noch die Professoren Wislicenus, von Gebhardt, W. Sohn, Röting, Dücker und P. Jansen hinzu. Wenn Gebhardt durch Innigkeit des Gefühls und seine Charakteristik sich den alten Niederländern anschließt, W. Sohn uns durch den Zauber der Farbe berauscht, so vertritt P. Jansen in würdigster Weise die monumentale Malerei und bahnt der Jugend die alten, lange nicht betretenen Pfade wieder. Das Zusammenwirken aller dieser Kräfte wird aber jetzt erst zur vollen Geltung kommen, nachdem sie unter einem Dach vereinigt sind, denn seit dem im Jahre 1872 stattgehabten Brande der alten Akademie fehlte es an einer gemeinsamen Heimstätte.

Schon lange war in der Nacht des 19. März 1872 das Element entfesselt, ehe irgend ein Bewohner Düsseldorfs, ehe die Künstler, welche meist in einem ganz anderen Stadttheil wohnen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 718. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_718.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)