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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Beisteuer unserer Schiller-Stiftung eine bedeutende Abhülfe gewähren würde. Immer aber bleiben wir bei dem Spruche: das Eine thun, das Andere nicht lassen! Das Publikum würde bei dieser Form der Hülfe die Last der Verpflichtung nur auf etwa fünfzig Schultern abwälzen und selbst dazu nichts thun, als für sein Geld ein Schiller’sches Stück genießen – wenn wir es nicht etwa gar erleben könnten, daß ein großer Theil desselben, wie das bei klassischen Theaterabenden nicht selten der Fall ist, das Haus leer ließe, um die Ausgabe für eine neue Offenbachiade zu sparen. Es ist Alles schon dagewesen.

Nein! Soll die Schiller-Stiftung ein nationales Werk, eine nationale Stiftung sein, so muß auch die Nation sich unmittelbar an ihr betheiligen. Bis jetzt gewährt die Art dieser Betheiligung einen fast kläglichen Anblick. Von den mehr als 3000 Städten, welche die vereinigten Schiller-Stiftungs-Länder Deutschlands und Oesterreichs zählen, besitzen nur 24 Zweigvereine dieser Stiftung. Von unseren 26 fürstlichen Residenzen haben nur 8 (Dresden, Berlin, Wien, München, Stuttgart, Karlsruhe, Darmstadt und Weimar) sich zu solchem Besitze aufgeschwungen. Wo bleiben Oldenburg, Schwerin und Braunschweig? Wo Gotha und Coburg? Wo Meiningen, dessen Bühne durch die Aufführungen klassischer Dramen glänzt? Wo Altenburg, Gera und die anderen? Von den 29 Universitäten deutscher Zunge (denn auch die Schweiz sollte hier nicht fehlen!) sind, die der genannten Residenzen ausgenommen, gar nur 4 vertreten: Breslau, Königsberg, Leipzig und Graz. Selbst Jena hat keinen Schiller-Verein bei all seinen Schiller-Erinnerungen. Wir haben über 400 andere Städte von 8000 bis 100,000 Einwohnern, und alle zusammen haben es nur zu 12 Zweigvereinen gebracht – von den noch etwa 2000 kleineren Städten und den (40) Dörfern mit mehr als 6000 Einwohnern gar nicht zu reden.

Da ist Boden, der mit nur einigem guten Willen, bei nur einiger Opferfähigkeit für unsere nationale Stiftung überall fruchtbar gemacht werden kann, wo das deutsche Nationalgefühl nicht blos zu schimmernden Triumphfesten, sondern auch zu einer stillen, guten That stark genug ist. Hier vereinigen sich außerdem Fest und That.

Schiller-Feste erfordern keinen Luxusaufwand. Den Hauptpunkt des Programms bildet stets eine Festrede über Schiller, seine Werke und sein Wirken; beide strahlen nach so vielen Richtungen aus, daß in Leipzig schon dreißig Schiller-Festreden gehalten werden konnten, ohne daß die Redner auf Wiederholungen geriethen. Musik und Gesang, letzterer womöglich an Schiller’schen Dichtungen festhaltend, schmücken den Eingang und den Schluß eines solchen Abends, der gewiß allenthalben, wie in Leipzig alljährlich, den Verehrern des Dichters weihevolle und erhebende Stunden gewährt. Wo es sich eignet, schließt ein Festmahl sich der ernsten Feier an.

Daß in Deutschland solche auch in kleineren Orten und in Dörfern möglich sind, auch darauf ist die Probe gemacht. Im vorigen Jahre beging der nördlichste Marktflecken an Rußlands Grenze, Prökuls bei Memel, ein Schiller-Fest, bei welchem, wie uns geschrieben wurde, ein Samenkorn zu einem Schiller-Verein gelegt wurde, und in diesem Jahre begeht das Dorf Reudnitz bei Leipzig sein eigenes Schiller-Fest – und wird nicht anstehen, vom Fest zum Vereine überzugehen.

Möchte unsere Bitte diesmal nicht blos gehört, möchte sie beherzigt werden und zu freudigem Handeln anregen. Und wo in Städten und Ortschaften die Last des Berufs die Männer abhält von der Ausübung der nationalen Pflicht, zu welcher sie diese Worte auffordern, da mögen die Frauen für sie eintreten, sie, die den höchsten Dank dem Friedrich Schiller schulden, der in der Verherrlichung der Frauen und der Familie alle Dichter übertroffen hat.

Friedrich Hofmann.

Die Gans beim Martinsschmause. In Deutschland herrscht vielfach die Sitte, daß im November Gastwirthe ihre Stammgäste zum „Martinsschmause“ einladen, wobei in festlich geschmückten Zimmern einige Schoppen Bier oder Wein getrunken werden und die Gans oder seltener der Karpfen das Hauptgericht bildet. Jahr aus, Jahr ein füllen sich bei dieser Gelegenheit die Räume unserer Gasthäuser mit lustigen Zechern an – aber nur wenigen darunter dürfte die Thatsache bekannt sein, daß dieses Fest, wiewohl in anderer Form, bereits die alten Germanen gefeiert haben.

Die Religion unserer heidnischen Vorfahren befaßte sich wenig mit abstracten Ideen. Wie sie selbst in steter Wechselbeziehung mit der Natur standen, so waren ihre Gottheiten und ihre Feste mit großen Naturerscheinungen eng verbunden. Der in jedem Jahre wiederkehrende Wechsel zwischen Sommer und Winter wurde feierlich begangen. So sind uns noch aus dem Mittelalter die Feste: Maigreven, Abholung des Maigrafen, des Maikönig etc. überliefert worden, und die heutigen Maiausflüge oder Maigänge, an denen sich Alt und Jung mit gleicher Freude zu betheiligen pflegt, sind ohne Zweifel aus jener Sitte hervorgegangen.

Aber wenn der Sommer zu Ende war, wenn den Himmel graue Herbstwolken verhängten und zahllose Vögelschaaren sich auf den Fluren sammelten, um ihre Wanderung in warme Länder anzutreten, dann pflegten die Heiden, bei welchen die Jahreszeiten die zeitweilige Uebermacht gewisser Gottheiten bedeuteten, dem Spender der Ernte und der Früchte, des Glückes und des Reichthums ein Opfer zu verrichten.

Leider fehlen uns nähere Angaben über die Einzelheiten dieses dem Wuotan zur Ehre abgehaltenen Herbstdankfestes. Denn als das Christenthum bei den nordischen Völkern Verbreitung gefunden hatte, suchten die Bekehrer das Heidenthum im Volke dadurch zu schwächen, daß sie den alten Feierlichkeiten und Volksfesten einen christlichen Anstrich verliehen. So wurde auch für das Herbstdankfest der St. Martinstag festgesetzt. Von den auf dieses Fest bezüglichen alten Bräuchen haben sich (vergl. „Gartenlaube“ 1864, S. 734) nur die Martinsgans, das Martinshorn (ein Gebäck) und der Martinstrunk, bei welchem der neue Wein geprüft wurde, erhalten. Interessant erscheint dabei die Bedeutung der Gans.

Als unsere Vorfahren am Herbstdankfeste dem Sommer den Abschiedsgruß gaben, erwachte in ihnen bange Besorgniß, wie der herannahende Winter ausfallen werde. Um nun den Schleier der Zukunft ein wenig zu lüften, verlegten sie sich auf kleine Auspicien. Die Vögel, welche sich regelmäßig vor dem Einbruch des Winters entfernten, mußten ja auf irgend eine Weise eine Vorahnung der Strenge des herannahenden Winters haben. Da man aber in das Seelenleben der Thiere nicht einzudringen vermochte, so prophezeite man einfach aus der Beschaffenheit des Brustbeines der Gans. Grimm hat in seiner Mythologie folgende darauf bezügliche Stellen verzeichnet:

„. . . und was müssen nicht die brustbeine der capphahnen, gänse und enten vor prognostica herlehnen? sind dieselben roth, so urtheilen sie eine anhaltende kälte, sind sie aber weiß, klar und durchsichtig, so werde das wetter im winter erleidlich sein.“

Ferner:

„wie dann das bein in meiner brust,
das trag ich auch nit gar umbsust,
denn man darin kann sehen wol,
wie es im winter wintern soll,
und mancher sich danach fast helt,
und mich für einen propheten zehlt.“

Dieselbe Sitte des Schmauses und der Prophezeiung aus dem Gänsebrustbeine hat sich auch bei den slavischen Völkern, vornehmlich bei dem polnischen Volke erhalten. Auch in den Büchern Veda’s ist die Gans als prophezeiender Vogel beschrieben.

In vielen Städten Norddeutschlands erscheint bis heute das Martinsmännchen, wie am Weihnachtsabend der Knecht Ruprecht; es läßt die Kinder beten und beschenkt sie mit Aepfeln und Nüssen. – –

Wie sehr haben sich die Verhältnisse geändert! Nur auf der Bühne herrscht heute der einst so mächtige Wotan; die scharfe Kritik der Vernunft hat aus der Religion den Heiligencultus gestrichen – aber die alte Sitte der jährlichen Herbstzusammenkünfte dauert, wenn auch in verkümmertem Zustande, fort und fort.

St. v. J.

Der im Netze gefangene Nachhall und eine akustische Merkwürdigkeit bei der Regensburger Walhalla. In Betreff des im Briefkasten unserer Nr. 39 besprochenen Vorschlages, den störenden Nachhall einer Kirche durch kreuzweises Aufspannen dunkler Wollenfäden im obern Raume zu beseitigen, haben wir nachzutragen, daß dieses einfache Mittel sich in der Genfer St. Peterskirche und kürzlich im Versammlungssaal der städtischen Behörden von Bordeaux vorzüglich bewährt hat, wie in der Sitzung vom 26. Juni 1879 der dortigen naturhistorischen Gesellschaft mitgetheilt wurde. Mit Bezug auf die in demselben kleinen Artikel erwähnte Beobachtung, daß Metallgitter starke Schadwirkungen nicht nur erheblich vermindern, sondern in musikalische Klänge verwandeln, möchte ich noch auf eine analoge akustische Erscheinung hinweisen, die, obwohl sie an einem vielbesuchten Touristenziele Tausenden aufgefallen sein muß, doch meines Wissens noch nirgends beschrieben wurde.

Wenn man nämlich die erste große Treppe zur „Walhalla“ bei Regensburg heraufgestiegen ist und die erste Terrasse betritt, von welcher nunmehr zwei gegenüberliegende Treppenarme höher führen, so bemerkt man plötzlich, daß jeder Schritt ein metallenes Klingen hervorruft, als ob der ganze gewaltige dolomitene Treppenbau aus getriebenem Kupfer bestände. Stampft man in der Mitte dieses Absatzes mit dem Fuße oder der Stockspitze auf, so hört man einen hellen, lange nachsingenden, musikalischen Ton. Auch beim Weitersteigen vernimmt man eine Weile noch dieses eigenthümliche Klingen, bis es vor dem Erreichen des zweiten Treppenabsatzes immer schwächer wird und endlich aufhört.

Die Ursache ist ohne Zweifel dieselbe, welche den Schall auf Gitterbrücken in ein Singen, Summen oder Zischen verwandelt. An jeder einzelnen Treppenstufe eine theilweise Reflexion erleidend, erzeugt der ursprüngliche Schall in schnellster Folge soviel zurückkehrende Schallwellen zwischen den beiden einander zugekehrten Steintreppen, daß dieselben sich zu einem musikalische Tone von ziemlicher Höhe summiren. Die großartige Treppenanlage der „Walhalla“ ist wie dazu geschaffen, diese interessante akustische Erscheinung in großer Vollkommenheit hervorzubringen, und es müßte insbesondere ein an der bezeichneten Stelle abgeschossenes Pistol die eigenartigste Wirkung hervorbringen.

E. Kr.

Noch einmal: „Nur wer die Sehnsucht kennt“. Der Thüringerin, welche aus der Moldau sich in ihre Heimath zurücksehnte,[WS 1] hat ein Edler, von dem wir nur wissen, daß er eine nähere Auskunft über die arme Wittwe unter der Adresse „M. R. 50, postlagernd, Frankfurt am Main“ sich erbat, die Mittel zur Heimreise gewährt, und sie ist glücklich wieder bei den Ihrigen. Sie wird ihrem Wohlthäter selbst unter der genannten Adresse danken, wenn wir von ihm erfahren haben werden, daß er unter derselben auch ferner seine Anonymität wahren will.


Kleiner Briefkasten.

M. A. in Schw. Sie haben Recht; unter solcher Adresse konnte Ihr Brief nicht an’s Ziel gelangen. An der betreffenden Stelle (Jahrg. 1877, Nr. 5) liegt, wie wir zu unserm Bedauern sehen, ein Druckfehler vor. Die beiden dort empfohlenen Händler mit hederichfreiem Sommerrübsamen zum Füttern der Vögel heißen Karl Capelle in Hannover und A. Reinecke in Abbenrode bei Vienenburg – nicht: Appenrade bei Kynenburg.

A. R. Antwort finden Sie postlagernd in Altenburg.

O. Z. in Tr. Keine Verwendung!

F. K. von M. in Kassel. Der vollständige Titel des fraglichen Buches ist: „Tausend und Ein Gedanke. Aphorismen für Geist und Herz, zusammengestellt von Heinrich Weiß. Dritte verbesserte und vermehrte Auflage. Dresden 1879. Selbstverlag von H. Weiß, Holbeinstraße 2.“ –


Verantwortlicher Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 760. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_760.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)