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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

biegen und zu schmiegen verstand. Dadurch aber wird es zur Unmöglichkeit, diese Gedichte in einer fremden Sprache wiederzugeben, ohne die charakteristische Schönheit zu beeinträchtigen.

Dies ist unzweifelhaft der hauptsächlichste Grund, weshalb Oehlenschläger sich nirgends außerhalb des Nordens, nicht einmal in Deutschland Eingang verschaffte, wozu sein Genie sonst die Berechtigung hatte und wonach er selbst so sehr trachtete. Er war von dem Gefühl durchdrungen, wie viel er der deutschen Literatur zu verdanken habe, von der aus seine dichterische Thätigkeit den entscheidenden Anstoß erhalten hatte und mit deren Koryphäen ihn ein inniges Freundschaftsband verknüpfte. Ja – unglücklicherweise war es ihm nicht genug, daß seine Schriften in’s Deutsche übersetzt wurden, er wollte deutscher Dichter, so gut wie dänischer sein. Mehrere seiner Arbeiten schrieb er zuerst auf deutsch, wie dies bereits von seinem „Correggio“ oben gesagt wurde, und die meisten übersetzte er selbst. Bezüglich seiner Behandlung des Deutschen möge hier Steffens’ Urtheil angeführt sein: „Wunderbar und seltsam war die poetische Leichtigkeit, mit welcher er das innere Verständniß der deutschen Sprache sich zu eigen zu machen wußte, obgleich er mit der Grammatik derselben völlig unbekannt war.“

Noch ein anderer Umstand trug dazu bei, daß man in Deutschland Oehlenschläger’s Werken keinen Geschmack abgewinnen konnte. Während nämlich die deutschen Romantiker sich immer mehr in’s dunkle, weihrauchumwogte Mittelalter vertiefen, hatte er in der Götter- und Heldenwelt des nordischen Alterthums die unerschöpfliche Goldmine, deren Schätze er entdeckte und zu heben vermochte. Diese Welt aber, aus welcher seinem Volke nicht nur Schönheit und Größe entgegenstrahlte, sondern in der es auch den Ausgangspunkt für die Entwickelung seines ganzen selbstständigen geistigen Lebens im Laufe der Zeiten kennen lernte – diese Welt mußte nothwendigerweise dem deutschen Publicum als etwas Fremdartiges erscheinen, weil die Culturströmungen, die das Geistesleben des deutschen Volkes formten und ausprägten, den Zusammenhang mit jener abgebrochen hatten.

Oehlenschläger’s Bedeutung für die Geistescultur Dänemarks kann nicht hoch genug angeschlagen werden; für die Entwickelung derselben in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts ist er zum größten Theil der alleinige Träger, denn seine Dichtung wirkte anregend nach allen Seiten hin und rief eine früher nie geahnte Bewegung hervor. Eine reiche, in allen Farben spielende poetische Literatur, die Entfaltung der in Oehlenschläger’s Dichtung liegenden Keime, ist aus derselben emporgesproßt. Und ihr Einfluß erstreckte sich weit über das Gebiet der schönen Literatur hinaus: er ganz besonders trug zur Erweckung und Kräftigung des Nationalgefühls bei. Indem Oehlenschläger die großen Gestalten der Vorzeit, wohl idealisirt und gemildert, aber doch mit Bewahrung der bedeutungsvollsten Züge, seinem Volke vorführte, brachte er dasselbe zur Klarheit über den innersten Grund seines Wesens, wozu es früher nicht hatte kommen können. Und dies that Oehlenschläger nicht blos für Dänemark, sondern für den ganzen Norden. Die ihm von Tegnér in Lunds alter ehrwürdiger Domkirche dargebrachte Huldigung war keine leere Schmeichelei und geschah nicht im Taumel einer schrankenlosen Begeisterung, sondern sie war der Ausdruck eines Gefühls, das auf vielfache Weise in Norwegen und Schweden nicht minder wie in seinem engeren Vaterlande zu Tage getreten war, des Gefühls, daß er für den gesammten Norden mehr gethan, als irgend ein anderer Dichter, daß er darum gerechten Anspruch hat auf den stolzen Namen des „nordischen Dichterkönigs“.

Dr. Fr. Winkel Horn.[1]


  1. Verfasser, ein junger dänischer Gelehrter, veröffentlicht gegenwärtig eine deutsch geschriebene „Geschichte der Literatur des skandinavischen Nordens von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart“ (Leipzig, Schlicke), welche als das erste erschöpfende Werk dieser Art berechtigtes Aufsehen erregt. Wir dürfen den Lesern eine dauernde Mitarbeit dieser gediegenen Kraft an unserer „Gartenlaube“ versprechen.
    D. Red.




Ausflüge in’s Luftmeer.


Die größten Höhen sind auf Luftfahrten zu wissenschaftlichen Zwecken erreicht worden, denn die professionellen Aëronauten begeben sich nicht gern in jene Regionen, wo das Thermometer 30 Grad unter den Gefrierpunkt sinkt und der Körper so sehr an Kraft verliert, daß bisweilen jede Bewegung unmöglich wird. Am 18. Juli 1803 stiegen Robertson und ein Genosse zu Hamburg auf und erreichten eine Höhe von 6831 Metern. Im folgenden Jahre erreichte der berühmte Chemiker Gay-Lussac, als er am 16. September in Paris aufstieg, 7016 Meter Höhe über dem Meeresspiegel. In dieser ungeheuren Höhe, in welcher der kühne Forscher fast drei Fünftel des Gewichts der Atmosphäre unter sich hatte, fühlte er fast gar keinen körperlichen Schmerz; Puls und Athem waren beschleunigt; dazu war die Luft außerordentlich trocken, aber er empfand kein Unbehagen, das ihn zum Niedersteigen hätte veranlassen können. Während am Erdboden eine Wärme von 28 Grad Celsius herrschte, zeigte das Thermometer in der angegebenen Höhe 9½ Grad Kälte.

Barral und Bixio unternahmen am 29. Juni 1850 eine Luftreise in einem Ballon, der sich voraussichtlich bis zu 12,000 Meter Höhe erheben konnte. Unter Wind und Regen stiegen sie auf und verschwanden pfeilschnell in den Wolken. Es war eigentlich gut, daß der Ballon in Folge des ungünstigen Wetters schadhaft geworden war und in 5900 Meter Höhe einen Riß erhielt, der sein Niederfallen herbeiführte; denn nach den Erfahrungen, die wir nunmehr besitzen, würden bei dem raschen Emporsteigen des Ballons die beide Insassen desselben wohl schwerlich lebend aus 10,000 Meter Höhe herabgekommen sein. Am 27. Juli 1850 wiederholten sie ihre Fahrt und erreichten eine Höhe von 7049 Metern. Die Luft war hier so kalt, daß das Thermometer 40 Grad unter den Gefrierpunkt sank.

John Welsh stieg am 10. November 1852 in der Nähe von London bis zu einer Höhe von 6989 Meter auf und fand in dieser Höhe 24 Grad Kälte. Die größte Höhe im Luftballon erreichte 1862 Glaisher; er kam bis zu 8838 Meter, wo er bewußtlos wurde, ja der Ballon soll sogar 11,000 Meter Höhe erreicht haben. Die Luftfahrt, welche Crocé-Spinelli und Sivel das Leben kostete, erstreckte sich bis zu 8600 Meter Höhe. Tissandier, der einzige Ueberlebende des schrecklichen Dramas, vermochte diese größte Höhe jedoch nicht direct an seinem Instrumente abzulesen, denn in 8000 Meter Höhe fiel er bewußtlos nieder und wachte erst nach einer halben Stunde auf, als der Ballon sank.

Nach diesen Erfahrungen werden wir wohl darauf verzichten müssen, die Luftregionen in 8000 und mehr Metern Höhe zu untersuchen, so interessant dies auch in mancher Beziehung sein möchte. Dem Sauerstoffmangel in jenen Höhen kann man allerdings abhelfen, und in der That athmeten Tissandier und seine Genossen, nachdem sie 7000 Meter Höhe erreicht hatten, wiederholt Sauerstoffgas von geeigneter Zubereitung, das sie in Röhren mitgenommen hatten; aber dem geringen Luftdrucke dort kann man sich nicht entziehen, und dieser ist aller Wahrscheinlichkeit nach die Veranlassung der schrecklichen Katastrophe gewesen, welcher Crocé-Spinelli und Sivel zum Opfer fielen. Tissandier glaubt, seine Gefährten würden nicht erlegen sein, wenn sie die Fähigkeit behalten hätten, sich zu bewegen und Sauerstoff einzuathmen.

Ballonfahrten zu lediglich wissenschaftlichen Zwecken haben für das größere Publicum zunächst nur ein beschränktes Interesse; um so beifälliger wird dagegen Alles aufgenommen, was eine Aussicht eröffnet, die Luftschifffahrt praktisch verwerthbar zu machen. Die Meisten denken dabei weniger an Fortbewegung von Gütern durch den Ballon, als vielmehr an billige, bequeme und rasche Vergnügungsfahrten, so etwa nach Asien, oder nach den Quellen des Nil oder den Urwäldern am Amazonenstrome. Wenn man dabei Abends wieder zu Hause sein, den Ballon hübsch zusammenklappen und bis zum Gebrauch am nächsten Sonntag im Schrank aufbewahren könnte, so wäre das noch schöner. Leider ist es mit der Luftschifffahrt zunächst noch nicht so weit, denn immer noch fehlt die vielersehnte Möglichkeit, den Ballon beliebig zu steuern; und da durch das unsinnige Treiben verschiedener Leute, die ohne Geld und ohne Talent das Problem lösen wollten, alle Bestrebungen in dieser Richtung lange genug sehr in Mißcredit gekommen sind, wird jene Möglichkeit schwerlich so bald gefunden werden.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 768. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_768.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)