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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

zum gewöhnlichen Aufenthalte dient, ist diese Uebereinstimmung unwillkürliche Anpassung durch natürliche Selection, so weit aber das Thier bei Gefahr dorthin flieht und sich dort duckt und ruhig verhält, im Bewußtsein, so nicht leicht gesehen, respective erkannt zu werden, beruht die Gleichfarbigkeit auf der Unterscheidung und dem Willen.

Auf reine Intelligenz ist jedenfalls ein höchst interessantes Mittel zurückzuführen, durch welches sich der in Moorgegenden brütende Kranich unkenntlich zu machen sucht. Er schminkt sich nämlich. Sobald ihn das Brutgeschäft längere Zeit an sein Nest fesselt, nimmt er, sich seiner von der Umgebung abstechenden Färbung wohl bewußt, die rothe Moorerde in den Schnabel, zieht die einzelnen Federn durch denselben und färbt so sein ganzes Gefieder roth, macht es also in der Farbe der Umgebung gleich; er ist jetzt nur schwer in derselben zu entdecken. Die Schlauheit des Kranichs ist so über allen Zweifel erhaben, daß man hier unbedenklich Bewußtsein vom Nutzen der Schminkprocedur annehmen darf.

Eine andere Gewohnheit, die das Unkenntlichwerden bezweckt und die, ohne allgemeiner verbreitet zu sein, doch in den verschiedensten Thierclassen wieder auftaucht, ist das Bedecken mit den Dingen der nächsten Umgebung. Schon die Seeigel, ebenso große Räuber, wie gesuchte Leckerbissen, heften ihre langen, immerwährend hin und her tastenden Saugfüßchen an die nächstliegenden Algenfetzen, Steinchen und Muschelschalen, ziehen dieselben dann an sich und bedecken nach und nach ihren ganzen kugelförmigen Körper damit. Wie meisterhaft es manche Krabben, namentlich die Seespinnen verstehen, sich durch Maskiren mit den Dingen der nächsten Umgebung unsichtbar zu machen, habe ich bereits in Nr. 41, Jahrg. 1878 der „Gartenlaube“ geschildert. Die Rochen und Schollen überschütten sich zu gleichem Zwecke mit Sand.

Da dieses ungemein zweckentsprechende Schutzmittel, soll es im vollen Bewußtsein der Nützlichkeit angewendet werden, eine außergewöhnliche Intelligenz voraussetzt, so müssen wir die Entstehung dieser Gewohnheit bei den niederen Thieren, z. B. beim Seeigel, fast ausschließlich der Selection zuschreiben. Bewußt übt sie beispielsweise der Rüsselseehund. Will sich derselbe der Ruhe auf dem Lande hingeben, so bewirft er sich, ähnlich wie die Flachfische, mit Sand, wodurch er sich nicht nur gegen die Sonnenhitze schützt, sondern auch maskirt, indem er dann leicht für einen Felsen oder Sandhaufen gehalten werden kann.

Bei den Vögeln gelten ähnliche Schutzmittel meist der Brut. Während alle Vögel zum Nestbau mehr oder weniger solche Stoffe zu wählen verstehen, welche in der Färbung möglichst wenig von der unmittelbaren Umgebung abstechen, überziehen Zeisig und Edelfink noch außerdem das Nest so geschickt mit denselben Flechten, welche die Rinde des Baumes bedecken, daß auch der Kundige Mühe hat, dasselbe zu entdecken, und Unkundige es fast immer für einen Baumknorren halten. Uebrigens macht auch die Mooshummel ihr Nest durch Bedecken mit Moos unkenntlich.

Wie viel die Art des Duckens, das heißt die Körperstellung zur Unkenntlichkeit beitragen kann, weiß der Wiedehopf gut zu schätzen. Er stürzt, wenn sich ein schlimmer Feind naht, aus der Luft herab, breitet die Flügel glatt auf dem Boden aus, legt den Kopf zurück und streckt den Schnabel in die Höhe, sodaß er für den ersten Blick ganz unkenntlich ist.

Eines höchst eigenthümlichen und, wie es scheint, auf reiner Schlauheit beruhenden Kunstgriffes bedient sich der Wendehals. Naht sich ihm ein gefürchteter Feind, so dehnt er den Hals lang aus, dreht ihn langsam und macht damit die Bewegungen einer Schlange nach. Wird er nun auch gerade nicht für eine solche gehalten, so erscheint er doch seinem Verfolger dann leicht als ein fremdartiges Wesen, und da alle Thiere gegen jedes ihnen Unbekannte sehr mißtrauisch sind, so entgeht der Wendehals durch seine willkürliche „Mimicry“ leicht der Gefahr.

So findet sich denn eine auffallende Uebereinstimmung in den Mitteln zum Unkenntlichmachen, welche unbewußt durch die Selection erworben sind, und solchen, welche auf instinctiven Empfindungs- und Wahrnehmungstrieben beruhen oder aus Zweckvorstellungen entspringen.




Idyll.[1]

Tripp und trapp – tripp und trapp!
Trepp’ hinauf und Trepp’ hinab!
Sind es Mäuslein, die da laufen
Hin und her in lust’gem Haufen?
Sind es Rehlein, die da jagen
Wie es sonst im grünen Hagen
   Sitte war?
Nein, ach nein, ’s ist ja nur meine
   Liebe kleine
Grenzenlos unbänd’ge Schaar!

Tripp und trapp – tripp und trapp!
Zimmer auf und Zimmer ab!
Habt Erbarmen, Bösewichter –
Euer Vater ist ein Dichter,
Doch bei solchem Lärm und Lachen
Mag ein Andrer Verse machen!
   Darum geht!
Oder kann des Geistes Wehen
   Der verstehen,
Der sich selber kaum versteht?

Tripp und trapp – tripp und trapp!
Gott sei Dank, sie ziehen ab!
Eine Pforte hör’ ich fallen,
Ruf und Schritte fern verhallen.
In die leergewordnen Räume
Kehren die verscheuchten Träume
    Mir zurück;
Wieder fühl’ ich wonnig Leben
    Mich umschweben –
Hätt’ ich öfter doch das Glück –

Glück, wie bei dem Nachbar wohnt!
Tripp und trapp hat ihn verschont;
Friede weilt auf trauten Orte,
Nach des Hausherrn stolzem Worte,
Glanz und Ordnung spät und frühe,
Die der Hausfrau stille Mühe
    Allem lieh,
Und die Stirne dort in Falten
    Zieht das Schalten
Ungefüger Störer nie –

Nie dies tolle tripp und trapp! – –
Doch zuweilen – wenn hinab
Meine muntren Lämmer springen,
Hör’ ich dort das Fenster klingen:
Heiße Blicke spähn hernieder
Und, so dünkt mich, hin und wieder
    Tönt heraus
In den Jubel meiner Kleinen
    Leises Weinen
Aus dem kinderlosen Haus. – –

Auf der Treppe welch Geklapp?
Gott sei Dank, mein tripp und trapp!
Flinke Füßchen hör’ ich kommen;
Durch die Thüre lugt beklommen
Schelmenblick und Huldgeberde –
Nun so brich, Du wilde Heerde
    Nur herein – :
Mag ein Andrer Verse schmieden,
    Glück und Frieden
Bringt Ihr mir in’s Kämmerlein.

Gustav Weck.



  1. Aus des talentvollen Verfassers demnächst erscheinendem Werke „Unsere Lieblinge. Ein Liederbuch für Väter und Mütter. Illustrirt von Otto Försterling und Oscar Pletsch.“ (Glogau, Flemming.) Gustav Weck ist unsern Lesern durch mehrere anmuthige poetische Beiträge obigen Genres bereits vortheilhaft bekannt.
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 820. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_820.jpg&oldid=- (Version vom 25.10.2019)