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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Segen. Ich habe sie gefunden, die mich lieben wird. Der göttliche Hauch kam über meine finstere Seele, und es ward Licht. Theresa, schlafe nicht! O schlafe nicht! Höre meiner Seele zu, die eine Hölle von Leiden und einen Himmel von Seligkeiten vor Dir ausschütten muß! O laß die Philosophie, und komm zur Liebe! Hier ist sie, in dieser Brust, ringend wie ein Gewitter, flammend wie eine neugeborene Sonne! Schlafe nicht, Theresa, denn ich muß die ganze Nacht zu Dir sprechen! Und hilf mir morgen ein wenig, damit der Tag schnell vorüber geht, und wenn ich übermorgen komme, so sage gleich „Maurus“ zu mir, damit ich weiß, daß Du alles gehört und verstanden hast, was meine Seele Dir sagt!

So ging ich die ganze Nacht zwischen Rouen und Védie hin und her in süßester Erregtheit. Die Nacht war dunkel, aber es wetterleuchtete häufig, und zuweilen schimmerte auf Augenblicke der Mond durch Wolken hindurch. Diese sanfte Lichtbewegung war mir wie eine holde Verheißung, und als gegen Morgen die Wolken nach Süden trieben und im Osten Venus erglänzte, da blickte ich lächelnd zu ihr hinauf und rief leise:

„Göttin, ich hasse Dich nicht mehr. Ich habe jetzt mehr als die Schönheit; ich habe das Glück!“

(Fortsetzung folgt.)




Michael Munkacsy.
Von Fr. Pecht.


Daß den Menschen nichts besser im Gedächtniß bleibt, als was ihnen Furcht oder Grauen eingeflößt, sie erschüttert oder gerührt hat, ist eine alte Erfahrung, die von den Künstlern zu allen Zeiten verwerthet worden. Wir vergessen den viel weniger, welcher uns Thränen ausgepreßt, als den, welcher uns lachen gemacht. Darin besteht auch das Geheimniß jenes immensen Erfolges, den der Maler errungen, von dessen reicher Thätigkeit hier eine kurze Skizze gegeben werden soll.

Es war bei der Ausstellung des Jahres 1870 in Düsseldorf, daß man den Namen Munkacsy zum ersten Male unter einem – damals auch in der „Gartenlaube“ (vergl. Jahrg. 1870, Nr. 30), wiedergegebenen – Bilde las, das alle Beschauer mit magischer Gewalt fesselte und von sämmtlichen vorhandenen Werken die größte Anziehungskraft ausübte. Und doch glänzte es weder durch den Reiz sonniger Farbenpracht, noch durch den schöner Formen, ging beiden vielmehr mit einer auffallenden Entschlossenheit aus dem Wege. Führte es uns doch in die düstere Zelle eines ungarischen Gefängnisses, wo ein zum Tode verurtheilter wilder Pußtensohn in Fesseln dasaß und zu allen Qualen des Abschiedes von Frau und Kind noch die ertragen mußte, von einer theilnahmlosen oder ihn sogar verabscheuenden Menge angestarrt zu werden.

So wild, unheimlich und trostlos die Scene, so groß war auch die Energie, mit der sie gegeben war. Wolfgang Müller von Königswinter hat das Bild den Lesern der „Gartenlaube“ bei Gelegenheit der Wiedergabe desselben in ergreifender Weise geschildert. Diese Malerei hatte mit der in Düsseldorf üblichen absolut nichts gemein, versüßte und verhüllte nichts, kannte keine Spannung. Sie entsprach durchaus dem düsteren Gegenstande, und in ihrer energischen Behandlung, in dem jede mildernde Farbe anscheinend hassenden, fast blos aus schwarz und weiß gemischten finstern Ton sowie der großartig einfachen und kräftigen Modellirung der Gestalten erinnerte sie, wenn überhaupt an irgend etwas, am ersten an Salvator Rosa oder Spagnolett. Das war aber eben das Packende an dem Kunstwerke, daß Inhalt und Form sich vollkommen entsprachen; man fühlte, daß hier nur Selbsterlebtes auf die Leinwand hingemalt sei von einem Manne, der es mit ungewöhnlicher Kraft und Frische empfunden.

Alle Welt, die sich um das Bild drängte, fragte nach dem Maler, der mit so viel Ursprünglichkeit, mit solch fast drohender Energie aufgetreten. Niemand wußte viel von ihm. Er sei ein Ungar, hieß es, erst sechsundzwanzig Jahre alt, ein ehemaliger Schreinergeselle, der, von glühender Liebe zur Kunst erfaßt, zuerst einigen Unterricht in Pest und Wien genossen, dann in München Franz Adam’s Schüler gewesen und nun hierhergekommen sei, um seine Studien abzuschließen. Auch hier habe er still und abgeschlossen vor sich hingelebt, wenig beachtet bis gestern, während sein Name jetzt auf einmal in Aller Munde war.

Munkacsy’s Vater führte den Namen Lieb; erst der Sohn nahm als ungarischer Patriot jenen magyarischen Namen an. Der Vater war als Theilnehmer an der Revolution im Gefängniß gestorben, und hatte den kleinen Michael mit vier Geschwistern als hülflose Waisen hinterlassen, denn die Mutter war schon längst todt. Michael fand in einer Tante eine zweite Mutter. Aber in einer dunklen Nacht bricht eine Räuberbande in’s Haus, plündert und mordet und läßt den Kleinen in den vier leeren Wänden verlassen an der Leiche dieser Pflegemutter zurück. Kann man sich bei solchen schrecklichen Jugenderinnerungen über den düstern Ernst wundern, der als Grundton in seinen ersten Bildern durchklingt?

Er kam nun zu einem seiner Onkel, Namens Reök, einem Advocaten, der aber durch die Revolution auch ganz verarmt war und daher den Jungen bald zu einem Tischler in die Lehre gab. Hier blieb er nun vier Jahre, bis er als Geselle freigesprochen ward. Freilich wartete seiner nun noch härtere Arbeit, aber er konnte jetzt doch wenigstens in den Freistunden seinem Drange nach Belehrung und Wissen aller Art folgen, nachdem er bis dahin fast keinen Unterricht genossen. Einige junge Leute, die in Arad, wo er in Arbeit stand, das Gymnasium besuchten und deren Bekanntschaft er nach und nach gemacht, dienten ihm dabei als Lehrer. Zuerst lernte er lesen und schreiben; dann begann er sich mit Geschichte und Literatur bekannt zu machen, sodaß er bald Schiller mit Begeisterung las, ja selber Verse zu machen versuchte. In der Werkstatt aber lernte er einstweilen das ungarische Volksleben nach allen Seiten hin kennen und prägte sich seine Typen in’s Gedächtniß.

Drei Jahre arbeitete er so als Geselle für spärlichen Lohn und wuchs zu einem hochaufgeschossenen Jüngling heran, aber das leidenschaftliche Studium des Abends bei von fünf Uhr Morgens bis in die Nacht dauernder Arbeit und elender Nahrung erschöpfte die Kräfte des achtzehnjährigen Tischlergesellen, der sich gerade im stärksten Wachsthum befand, und er ward schwer krank. Glücklicher Weise konnte sein jetzt wieder zu etwas Vermögen gekommener Onkel ihn zu sich nach Gyula nehmen. Dort lernt er eines Tages den Portraitmaler Samosy kennen und sieht mit Entzücken demselben beim Malen zu. Jetzt wird er sich auf einmal seines Berufes bewußt und beschwört den Onkel, ihn bei Samosy Unterricht nehmen zu lassen. Letzterer, ein wohlwollender und gebildeter Mann, nimmt sich seiner freundlich an und unterweist ihn so gut wie möglich in seiner Kunst. Sein Talent nach einiger Zeit bemerkend, führt er ihn mit nach Arad, wo sich Munkacsy bereits durch Unterricht im Zeichnen fortbringt, endlich selber Portraits, gewöhnlich für ein Mittagessen, macht und, da er einst einen Schneider mit seiner Familie gemalt, triumphirend sein Honorar in Gestalt eines warmen Winterrocks empfängt. Samosy unterrichtet ihn indeß auch noch ferner, und er fängt bereits an, eigene Compositionen zu versuchen, ja kehrt, um Studien zu machen, nach Gyula zum Onkel zurück. Er malt nun Interieurs mit Bauern, und eines dieser Bilder, eine Einladung zur Hochzeit, fällt so gut aus, daß er den Muth faßt, damit nach Pest zu gehen, wo es ihm der Kunstverein für achtzig Gulden abkauft. Jetzt ist sein Schicksal entschieden, denn bald verkauft er ein zweites sogar für hundertdreißig Gulden, und geht mit diesem Capital nach Wien, um dort in den Museen Studien zu machen. Als er aber 1866 wieder nach Pest zurückgekehrt, befällt ihn ein Augenleiden, das ihn sechs Monate im Spital festhält und beinahe seiner Künstlerlaufbahn ein Ende gemacht hätte. Jedoch ist er nicht der Mann, sich durch Schwierigkeiten zurückschrecken zu lassen, sondern geht jetzt, kaum geheilt, mit zwanzig Gulden in der Tasche nach München, wo er zwei Jahre bleibt, sich nach einander in verschiedenen Ateliers herumtreibt, eine Menge Freunde erwirbt und besonders von Leibl beeinflußt wird, bis er München mit Düsseldorf vertauscht, wo wir ihn kennen gelernt.

Sein oben erwähntes Bild „Der Verurtheilte“ wanderte nun

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 839. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_839.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)