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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Der blinde Milton dictirt seinen Töchtern das "Verlorene Paradies". Von Michael Munkacsy.
Nach einer Photographie aus dem Verlage von Charles Sedelmeyer in Paris.

nach Paris und machte dort im Salon wo möglich noch größeres Aufsehen als in Düsseldorf; es erhielt die goldene Medaille, und alle Zeitungen sprachen von dem neuen glänzenden Stern, der am Kunsthimmel aufgegangen. Das veranlaßte Munkacsy 1872, selber nach Paris zu gehen, wo er fortan in jedem neuen Salon durch irgend ein neues Meisterwerk die Aufmerksamkeit an sich fesselte. Seine Stoffe entnahm er auch jetzt zunächst alle dem Leben der untersten Classen seiner Heimath. Die Poesie des Elends war es, die dauernd das Geheimniß seines Erfolges bildete; er verstand es nach wie vor, erschütternde Momente des Lebens einförmig, trostlos, aber mit rücksichtsloser Energie und höchster künstlerischer Vollendung wiederzugeben. Ein junger Verwundeter, der einem Tisch voll charpie-zupfender Frauen und Mädchen seine fürchterlichen Erlebnisse im unglücklichen Freiheitskampfe erzählt, war noch aus Düsseldorf mit nach Paris gebracht worden; es folgten dort halbwilde Csikose und Conscribirte in der Kneipe, verdächtige Nachtschwärmer, von der Polizei abgefaßt, ein trunkener Schneider, der, zu seiner Frau heimgebracht, von ihr sehr übel empfangen wird, ein ländlicher Kampfhahn, der sich anschickt, mit einem wandernden Hercules zu ringen, und andere dergleichen Scenen. Sie lieferten ihm noch jahrelang die Stoffe, welche er bald mit düsterem Ernst, bald mit unheimlich-wildem Humor behandelte. Der Spiritusduft dieses Proletarierlebens hatte natürlich nichts Anziehendes, und nur das Interesse an der Meisterschaft der Schilderung konnte Einen über die Einförmigkeit derselben hinwegtragen.

Auf der Wiener Weltausstellung, wo Munkacsy die ungarische Kunstabtheilung mit einer Anzahl seiner berühmtesten Bilder vollständig beherrschte, stellte sich aber doch bald unwiderleglich heraus, daß mit diesem armen, unentwickelten Leben auf die Länge künstlerisch nichts anzufangen war. Indem mit Munkacsy’s fortschreitender Bildung diese am Galgen endigenden Helden der Pußta aufhörten, seine Ideale zu sein, wuchs die Nothwendigkeit für ihn, sich andere zu suchen.

Eine neue Epoche in seinem Leben sollte ihm alsbald den Uebergang in eine höhere Darstellungssphäre vermitteln. Wir folgen bei ihrer Erzählung den darüber unter seinen näheren Freunden umlaufenden Traditionen, da er, selber wenig mittheilsam, über dergleichen innere Erlebnisse nicht spricht. Er hatte unter andern Salons auch den einer geistvollen Dame, einer Luxemburgerin, besucht, die, leidenschaftliche Kunstfreundin, an der Entwickelung des schnell berühmt gewordenen Deutsch-Ungarn großen Antheil nahm. An einen alten General verheirathet, jung, schön und reich, suchte sie im Verkehr mit begabten und berühmten Menschen, im Genuß der Kunst die Anregung des Gemüths, die ihr die Ehe kaum bieten konnte; Munkacsy scheint ihr schon längere Zeit seine stille Verehrung gewidmet zu haben. Jetzt machte sie der Tod des Gatten frei. Wie sie früher seine Muse gewesen, so ward sie nun bald die Gattin des berühmten Künstlers, die durch das Glück der Liebe nicht nur sein Haus, sondern auch seine künstlerischen Schöpfungen mit jener Atmosphäre wohltuenden Gemüthsfriedens erfüllte, welche aus den letzteren fortan spricht.

Hatten seine Bilder bis dahin ausgesehen, als ob ihr Autor noch kein Lächeln gekannt, immer nur Regenwetter gesehen habe, so ist gleich das erste, das jetzt (1876) entstand, bereits ein glänzendes Denkmal dieser wohlthuenden Umwandlung. Es führt uns in das mit allem Luxus ausgestattete Atelier des Malers

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 840. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_840.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)