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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

Edison ein Stückchen gepreßten, mit Theer untermischten Lampenrußes, zum Gebrauch für sein Telephon bestimmt, mechanisch zwischen den Fingern zu rollen. Während sich seine Gedanken noch immer mit anderen Dingen beschäftigten, drehten seine Finger das Stückchen Lampentheer hin und her, bis es zu einem dünnen Faden ausgerollt war. Zufällig fielen seine Blicke darauf, und es kam ihm der Einfall, das Fädchen dürfte, weißglühend gemacht, als Brenner gut verwendbar sein. Wenige Minuten später wurde das Experiment gemacht, und zur Freude des Erfinders ergaben sich günstige, wenn auch nicht überraschende Resultate. Weitere Versuche wurden mit veränderter Form und anderer Zusammensetzung der Substanz angestellt, und jede weitere Probe bewies, daß Edison endlich auf dem richtigen Wege sich befinde. Eine Spule mit Nähgarn lag auf dem Tische des Laboratoriums. Er schnitt ein Stückchen des Fadens ab, that es in eine Fuge zwischen zwei Eisenklammern und stellte das Ganze in den Schmelzofen. Das vorzügliche Licht, welches er dem getheerten Lampenruß abzugewinnen im Stande war, hatte ihn davon überzeugt, daß Kohlenfasern aus einem bisher noch nicht beim elektrischen Lichte angewendeten Stoffe die verborgenen Factoren sein müßten, um den Trimph des weißglühenden Lichtes zu vollenden, und diese Idee ließ ihn mit den verkohlten Ueberbleibseln des Fadens experimentiren.

Nach Verlauf einer Stunde entfernte er die eiserne, den Faden festhaltende Form aus dem Ofen und entnahm derselben die zarten Kohlenreste des Nähgarns, alles, was von demselben nach der Feuerprobe noch übrig geblieben war. Diese zarte Faser that er in eine Glasglocke und setzte damit die Drähte der Maschine, welche den elektrischen Strom erzeugt, in Verbindung, pumpte die Luft aus der Glasglocke und ließ die Electricität zuströmen.

Und siehe da! Ein herrliches Licht strahlt ihm entgegen. Er läßt einen stärkeren Strom zudringen, in der Erwartung, die schwache Faser sofort zerfließen zu sehen – doch nein! Die einzige Veränderung besteht in einem noch strahlenderen Lichte. Immer stärker läßt er den Strom wirken, aber der feine Faden bleibt ganz. Dann setzt er die ganze Kraft seiner Maschine ein und harrt gespannt der Folgen. Eine Minute oder länger scheint der zarte Faden mit der ihn durchströmenden intensiven Hitze zu kämpfen – einer Hitze, welche selbst Diamanten aufblähen würde – endlich erliegt er aber und erlischt in Dunkelheit. Der mächtige Strom hat den Faden zerstört, aber nicht ohne daß derselbe vorher die Lichtkraft von mindestens vier Gasflammen ausgeströmt hätte.

Edison beeilt sich, diese merkwürdige Faser, augenscheinlich so zart, in Wirklichkeit aber unzerstörbarer als Platina, eifrig unter dem Mikroskop zu prüfen. Er gewahrt, daß die Oberfläche derselben sehr glänzend ist, daß ihre einzelnen Theilchen dicht unter einander verwoben erscheinen und – daß die spröde Faser sich bis zu einem bemerkenswerthen Grade verhärtet hatte, nachdem sie dem elektrischen Strome ausgesetzt worden war. Tag und Nacht, kaum daß er sich Zeit zu einer ordentlichen Mahlzeit oder zur flüchtigen Ruhe gönnte, setzte nun der Erfinder seine Experimente fort, und von der Verkohlung des Fadens ging er zu Holzsplitterchen, Stroh, Papier und anderen Substanzen über, welche bis dahin für solchen Zweck noch nie verwendet worden waren. Das Resultat dieser Versuche erwies als die zur Verkohlung und zur Ausstrahlung eines weißglühenden Lichtes bestgeeignete Substanz Papier von der Dicke einer starken Visitenkarte, aber selbst das dünnere lieferte befriedigende Resultate. Die wunderbare Leuchtkraft, die Stetigkeit, Verläßlichkeit und Schmelzbarkeit der Kohlenfaser waren jedoch nicht die einzigen Elemente der neuen Entdeckung, welche das Herz Edison’s mit wahrer Freude erfüllten: vielmehr krönte seinen Triumph, daß hier das Element eines gehörigen und gleichmäßigen Widerstandes gegen den Durchgang des elektrischen Stromes gefunden war. In der ganzen Geschichte seiner Arbeit von dem Augenblicke an, in welchem er dieselbe begann, waren seine Bemühungen hauptsächlich dahin gerichtet gewesen, dieses Element zu gewinnen, und ohne dasselbe, wären auch alle anderen Bedingungen erfüllt, alle anderen Eigenschaften im vollsten Maße vorhanden gewesen, würde der Erfolg des elektrischen weißglühenden oder vielmehr farblosen Lichtes kein vollständiger gewesen sein.

Die Papierkohle wird im Laboratorium auf folgende Weise hergestellt. Mit einer passenden Matrize werden aus einem Stück Cartonpapier Streifen in der Gestalt eines kleinen Hufeisens, etwa 2 Zoll lang und ½ Zoll breit, ausgeschnitten. Eine Anzahl dieser Streifen wird flach in eine schmiedeeiserne Form von der Größe einer Hand gelegt, nachdem sie durch Stückchen Seidenpapier von einander getrennt sind. Die Form wird dann geschlossen und in einen Ofen gebracht, wo sie bis zu 600° F. (= 333° C.) erhitzt wird. Alsdann gelangt sie in einen Schmelzofen und wird bis zur Weißgluth erhitzt, hierauf entfernt und langsam abgekühlt. Wenn dann die Form geöffnet wird, findet man die verkohlten Reste des kleinen Hufeisens aus Cartonpapier, die mit größter Vorsicht abgehoben werden müssen, damit sie nicht zusammenfallen. Diese werden nun in eine kleine Glaskugel gethan und mit den Drähten verbunden, welche zur Generirmaschine führen; aus der Kugel wird dann vermittelst der Luftpumpe die Luft entfernt und die Kugel selbst verschlossen, und die Lampe ist zum Gebrauch fertig, wie die auf S. 81 beigegebene Illustration sie zeigt.

Man wird bei der Betrachtung der Lampe bemerken, daß eine umständliche Regulirvorrichtung fehlt, wie sie durchweg bei Edison’s früheren Lampenconstructionen vorhanden ist. Alle diese Vorrichtungen, welche seine ganze Combinationsgabe so sehr in Ansprnch genommen, erwiesen sich später als überflüssig, denn Edison sah ein, daß die Electricität genau so wie das Gas durch einen Haupthahn regulirt werden kann. Vermittelst seines Systems der Verbindung der Drähte werden durch die Abdrehung einiger Brenner die anderen nicht mehr in Mitleidenschaft gezogen, als beim Auslöschen ebenso vieler Gasflammen, welche dieselbe Hauptröhre speist. Was die Einfachheit der Construction und Regulirung betrifft, so scheint die vollendete Lampe den Höhepunkt der Vollkommenheit erreicht zu haben, und Edison selbst glaubt nicht, daß dieselbe überhaupt noch vereinfacht werden kann, denn sie läßt sich complet für 25 Cents oder 1 Mark 5 Pfennig anfertigen.

Die in der Illustration dargestellte Lampe ist auf den Tisch zu stellen; für Kronleuchter und Wandcandelaber besteht sie nur aus der Vacuumkugel und der Kohlenfaser, die mit dem Candelaber verbunden werden müssen, während die Drähte der in irgend einer Centralbeleuchtungsstation abgestellten Generirmaschine zugeführt werden, welche vielleicht eine halbe englische Meile entfernt sein kann. Man führt Drähte einfach durch die Gasröhren, sodaß die einzige nothwendige Veränderung zur Benutzung einer Gasvorrichtung als Trägers elektrischer Lampen die sein würde, die Drähte durch die Gasröhren zu legen, die Brenner ab- und die elektrische Lampe an ihre Stelle zu schrauben.

Das für die elektrische Beleuchtung der großen amerikanischen Städte in Absicht genommene System wird auch demgemäß auf ein Gebiet von etwa einem Drittel jeder englischen Quadratmeile je eine Centralbeleuchtungsstation einbegreifen. Es liegt in der Absicht der Gesellschaft, welche sich zur praktischen Verwerthung der Erfindung gebildet hat und deren zum Pariwerth von 100 Dollars ausgegebene Antheilscheine bereits auf 3000 Dollars gestiegen sind, die verschiedenen Generirmaschinen einer Station, von denen jede etwa fünfzig einzelne Lampen versorgt, durch mehrere Maschinen von ungeheurer Kraft treiben zu lassen, obgleich Edison auch solche Generirmaschinen hergestellt hat, welche in irgend einem Zimmer irgend eines Hauses mit leichter Mühe angebracht und in Thätigkeit gesetzt werden können.

Auch bei Erfindung der Generirmaschinen stieß er anfangs auf die entmuthigendsten Schwierigkeiten. Sein erster Apparat hatte die Gestalt einer großen Stimmgabel, welche so construirt war, daß ihre beiden Enden mit rapider Schnelligkeit vor den Polen eines großen Magneten vibrirten. Allein diese Construction erwies sich als unpraktisch, und es nahm nahezu vierzig Tage und Nächte in Anspruch, das Richtige, Praktische zu finden. Schließlich aber gipfelten die fortgesetzten Versuche in der Herstellung eines nicht nur vollständig dem von Edison gewünschten Zwecke entsprechenden Generators – dem der Erfinder zu Ehren Faraday’s den Namen „Faradische Maschine“ beigelegt hat – sondern er stellte dadurch auch einen Motor her, der vermittelst eines einfachen an einer Kurbel zu befestigenden Riemens allerlei häusliche Arbeiten: Treiben einer Nähmaschine, Pumpen von Wasser etc. verrichten kann.

Das Problem nun, die in jedem Haushalt verbrauchte

Elektricität zu messen hat Edison auf eine geniale Weise gelöst.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_083.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)