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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Elemente, aus welchen sich eine Reihe anmuthiger Bildchen zusammensetzen. Zur Linken ragen auf sanfter Anhöhe zwei verstümmelte Säulen empor, die einzigen Reste des alten Olympieions; rechts reckt über die hügelige Steinwüste von Neapolis und Achradina hinweg der gigantische, gegen zehn deutsche Meilen entfernte Aetna sein leuchtendes Schneehaupt, heute ausnahmsweise unverschleiert, in den klaren, tiefblauen Winterhimmel. Geradeaus schweift der Blick über einförmige, braunrothe Höhenzüge allmählich bis zum antiken Fort Euryelos hinan, das einst den höchsten Punkt der alten Stadt beherrschte, dahinter aber glänzt die Kette der Crimiti, ernste, tiefdunkle Berge, welche die Gedanken in das rauhe Innere der Insel ziehen.


Papyrusstauden im Kyaneflusse bei Syracus.
Nach der Natur aufgenommen von Professor C. Werner.


Nach kurzem Rudern auf dem träge dahingleitenden, schilfumbordeten Anapos verließen wir denselben wieder, um in die ihm zuströmende Kyane einzulenken. Das ist ein stilles, heimliches Flüßchen, dessen Bett aber bald so eng wird, daß es dem Boote kaum noch Raum gewährt. An das Handhaben der Ruder war daher nicht mehr zu denken; zwei unserer Leute sprangen an's Ufer und zogen im Schweiße ihres Angesichts das Boot an dicken Stricken weiter, während die Zurückgebliebenen mit langen Rohrstangen schiebend nachhalfen. Im Hochsommer, wenn der Scirocco Afrikas heiße Dünste ungemildert herüberbringt und das Wasser der Flüsse versiechen läßt, stellen sich dieser Fahrt unbezwingliche Hindernisse entgegen. Man muß dann versuchen, den Papyruswald zu Fuß zu erreichen – ein so schwieriges, wie unrathsames Beginnen bei dem Mangel an Fußpfaden durch das versumpfte, von giftigem Gewürm wimmelnde Flachland, dessen Ausdünstungen zudem dann sehr zu fürchten sind. Vormals lagerten sich hier wiederholt die Heere der Karthager und Athener, und stets hielt der Tod reichliche Ernte in ihren Reihen.

Jetzt, im Winter, ist es hier gefahrlos, und gerade die Fahrt zu Wasser, so mühsam sie für die Bootsknechte auch sein mag, gehört zu dem Anmuthigsten, was die Umgegend von Syrakus bietet. Kaum läßt sich etwas Romantischeres denken, als dieses mühsame Bahnbrechen durch Schilf und Röhricht, welches den Fußpfad verengt, ja ihn oft förmlich überwölbt. Dann rauscht das Rohr über unseren Häuptern zusammen und bespritzt uns mit glitzernden Tropfen, während die Welle unter uns leise dahinrinnt. An den Ufern blüht die zarte Iris und manche fremdartige Sumpfpflanze, daneben schaukeln Wasserlilien, losgelöst und von summenden Insecten umschwärmt, auf der bläulichen Fluth. Da tauchen auch schon die ersten Papyrusstauden auf, die sich zu immer dichter und dichter werdenden Gruppen reihen, bis uns ein förmlicher Wald umfängt. Die Stämme dieses Waldes sind schlanke, glatte, dreikantige Halme von zwölf bis fünfzehn, ja achtzehn Fuß Höhe, seine Wipfel graziöse langfaserige Wedel, die der Volksmund bezeichnend Perrücken nennt. Gleich kleinen Palmenkronen schweben sie auf der Spitze der Halme, leise vom Winde bewegt und träumerisch zu der vorbeifluthenden Welle hinabwinkend – ein wunderbarer fremdartiger Anblick, der uns mit dem Zauber der Tropenwelt umspinnt. Denn fremde Gäste nur sind diese Pflanzen unserem Welttheil. „Verlorene Kinder des Nils“ nennt sie Gregorovius, und wirklich setzt die Sage ihre Urheimath an diesen geheimnißvollen Wunderfluß Afrikas. Gegen Mitte des dritten Jahrhunderts v. Chr. soll Hieron der Zweite von Syrakus die Pflanze von dem damaligen Herrscher Aegyptens, Ptolemaeos dem Zweiten Philadelphos, erhalten haben und zwar, von noch anderen Geschenken begleitet, als Gegengabe für das riesige Prachtschiff, das König Hieron dem Ptolemäer als Zeichen seiner Freundschaft gesandt hatte. Neuere Forschungen, vornehmlich die des italienischen Botanikers Parlatore, haben wohl nachzuweisen versucht, daß der syracusanische Papyrus aus Syrien stamme und erst im neunten Jahrhundert n. Chr. durch die Araber an diese Küste gekommen sei. Diese Annahme stützt sich hauptsächlich auf den Umstand, daß keiner der alten Schriftsteller, selbst der über Alles berichtende Plinius nicht, das Vorhandensein der Papyrusstaude auf Sicilien erwähnt. Und doch scheint die schöne alte Sage auf uralter Tradition zu beruhen, und sie klingt durchaus nicht unwahrscheinlich, wenn man sich die Beziehungen zwischen Aegypten und Sicilien zur Zeit des ersten punischen Krieges vergegenwärtigt.

Unsere Fahrt fortsetzend, gelangten wir nach mühsamem Durchbrechen einer engen, durch Schilf und Papyrus gesperrten Wasserpforte zum Quellbecken der Kyane, einem anmuthigen, sich fast kreisrund ausbreitenden Teich, la Pisma genannt. So fern

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_241.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)