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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


selbst gehörte der Gesellschaft als Ehrenmitglied an. Den Gegensatz dazu bildeten der „Club des königlichen Hauptes“, der aus Whigs bestand und dessen Mitglieder am Hute grüne Bänder trugen, zum Unterschied von den Tories, deren Hutbänder scharlachroth waren. Der whiggistische Club correspondirte mit ganz England und kam einer Art Executivgewalt gleich. Die Conversation drehte sich größtentheils um den Schutz der Freiheit und des Eigenthums. Unter dem Vorwande, die Reformirten seien von einem bevorstehenden Blutbade bedroht, lud man die Clubmitglieder ein, seidene Panzer anzulegen, die damals für kugelfest gehalten wurden. Diese Lächerlichkeit zog die Auflösung des Clubs nach sich.

Vom Standpunkte der Sittengeschichte aus betrachtet, haben die zahlreichen Clubs, die damals in Großbritannien entstanden, glückliche Folgen gehabt, namentlich dadurch, daß sie zwischen den Bürgern die gesellschaftlichen Bande, die während der Bürgerkriege gelockert worden waren, fester knüpften und daß sie die Wiege der Redefreiheit waren, die heutzutage ein so hervorstechender Zug des englischen Lebens ist. Hinsichtlich des günstigen Einflusses der Clubs auf die Literatur sei nur der einen Thatsache gedacht, daß der „Kit-Cat-Club“ zur Ermunterung der dramatischen Production 4000 Guineen votirte.

Als im Laufe der Zeit die politischen Zwistigkeiten einer ruhigeren Stimmung wichen, ging man daran, die Basis des Clubwesens zu verbreitern, indem man sie namentlich den Anforderungen des Gaumens dienstbar machte. Es gab einen „Kalbskopf-Club“, einen „Gans-Club“, einen „Aalpasteten-Club“ etc. Der berühmteste unter diesen gastronomischen Vereinen war der im Jahre 1735 entstandene und erst vor etwa acht oder neun Jahren aufgelöste „Beefsteak-Club“.

Der Harlequin des Coventgarden-Theaters, Rich, arrangirte eines Tages die Generalprobe einer Pantomime und hatte dazu einige Edelleute geladen. Einer derselben, der Graf von Peterborough, verspätete sich, was den hungrig gewordenen Künstler jedoch nicht abhielt, sein Diner in Gestalt eines Beefsteaks zuzubereiten; Rich lud nun den Grafen ein, an seinem bescheidenen Mahl theilzunehmen, und der Graf fand an dem Beefsteak und an der Conversation des Komikers solchen Gefallen, daß er in der nächsten Woche in Begleitung einiger Freunde wiederkam und sich bei Rich zu einer ähnlichen Mahlzeit einlud. So entstand der „Beefsteak-Club“, welchem unter Anderem Hogarth, Brougham, Sheridan Thornhill und Fox angehörten. Die Mitglieder – deren Zahl auf vierundzwanzig beschränkt war, später aber, um den Prinzen von Wales zulassen zu können, auf fünfundzwanzig erhöht wurde – nahmen alljährlich von Ende November bis Ende Juni jeden Samstag ein vornehmlich aus Beefsteak bestehendes, echt englisches Fünf-Uhr-Diner ein, bei dem man die Feier der Freiheit mit der des Rindfleisches verband.

Der Banketsaal war mit Eichengetäfel ausgekleidet, auf dem das Wappen des Clubs, ein Bratrost, in Relief prangte. Sobald die Saaluhr fünf schlug, hob sich ein Vorhang und enthüllte die Küche, in welcher man die Köche in der Ausübung ihrer verschiedenen Obliegenheiten erblickte. Diese Küche trug eine Inschrift – zwei Verse aus „Macbeth“ – und von der Mitte des Plafonds hing der allererste Bratrost des Clubs in ureigenster Gestalt herab, eine ehrwürdige Reliquie, welche zwei Feuersbrünste überdauert hatte. Nach jedem Diner nahm der Präsident seinen Ehrenplatz auf einer erhöhten Plattform ein, die mit den Insignien des Clubs, sowie mit einem kleinen Dreimasterhut geschmückt war, den Garrick dereinst bei der Darstellung einer wichtigen Rolle zu tragen pflegte.

In seinem goldenen Zeitalter stand der „Beefsteak-Club“ zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, als er Kemble, Kobb, Ferguson, den Herzog von Clarence und den Herzog von Norfolk zu seinen Mitgliedern zählte. Selbstverständlich hatten in einer solchen Gesellschaft das gute Beefsteak und der feine Wein nur den Zweck, geistreichen Gesprächen als Würze zu dienen. Die Seele des Clubs war lange Zeit der 1836 im Alter von hundert Jahren verstorbene Capitain Morris, mit dem die Glanzzeit desselben überhaupt ein Ende nahm.

Es gab noch einen andern „Beefsteak-Club“, dessen Ursprung jedoch unbekannt ist; jedenfalls existirte er bereits unter Karl dem Zweiten. Die einzige Frau, die er ausnahmsweise unter seine Mitglieder zählte, die berühmte Schauspielerin Peg Woffington, war lange gleichzeitig seine Präsidentin. Das Abzeichen der Mitglieder bestand in einem goldenen, an einem grünen Bande um den Hals getragenen kleinen Bratrost.

Es war ein Hauptmerkmal des früheren englischen Clubwesens, daß es sich den verschiedenartigsten Geschmacksrichtungen anzupassen wußte. Jedermann konnte sich einem seinen eigenen Neigungen entsprechenden Club anschließen. Die Phlegmatischen gingen in den „Humdrum-Club“, wo sich ihnen beim Eintritt in den Saal ein feierlicher Anblick darbot: die Mitglieder beobachteten ein tiefes Stillschweigen und hatten Pfeifen im Munde und Biertöpfe vor sich; man hätte sich in einer Gesellschaft von Taubstummen wähnen können. Die Lärmsüchtigen traten dem „Club der Ausgelassenen“ bei. Die Starkgeistigen konnten sich in den „Club der Philosophen“ einschreiben lassen, in den Jedermann, der ein neues Argument gegen die Religion vorzubringen wußte, gegen Erlegung von vier Pence zugelassen wurde, die auf Punsch ausgegeben werden mußten. Waren die Eigenheiten eines Menschen noch so sonderbar, in London fand er sicherlich einen entsprechenden Club oder doch Leute, die bereit waren, sich behufs Gründung eines solchen ihm anzuschließen.

Es entstand ein Vogelzüchter-Club, ein Blumenliebhaber-Club (für die Tulpennarren) und ein Modegecken-Club, in welchem nur von Kleidern, Bändern und neuen Moden die Rede war. Eine Anzahl griesgrämiger und übelgelaunter Leute bildete einen „Club der Mürrischen“, in welchem gegen alles Mögliche losgezogen wurde und dessen Mitglieder einander nach Herzenslust beschimpften und „herunterrissen“. Die Wucherer suchten Ihresgleichen im „Split-Farthing-Club“ (etwa „Pfennigfuchser-Club“) auf, welcher, um Kerzen und Oel zu ersparen, in einer finstern Kammer tagte. Die Kaufleute, die in ihrem geschäftlichen Leben Unglück hatten, trösteten sich im „Club der Unglücklichen“; schon ein einfaches Fallissement berechtigte zur Aufnahme als Mitglied, ein betrügerischer Bankerott verlieh aber einen höheren Anspruch auf diese Ehre. Die Bettler schleppten sich zum „Bettler-Club“, einer Art Wundertempel, in dem die Blinden plötzlich sehend, die Stummen redselig wurden. Die Diebe besuchten den „Diebs-Club“, die Marktweiber den „Club der flachen Hauben“. Eine spaßige Erscheinung war der „Club der Lügner“, in den Leute mit einer Neigung zum Aufschneiden aufgenommen zu werden trachteten. Die wichtigste Bestimmung war, daß jedes Mitglied, das zwischen sechs und zehn Uhr Abends die geringste Wahrheit sprach, zur Bezahlung einer Gallone Wein verhalten war; dieselbe Strafe traf Jeden, der allzuplumpe und unwahrscheinlich klingende Lügen vorbrachte. Die sich zur Aufnahme Meldenden hatten eine Prüfung zu bestehen; es handelte sich nicht um's Lügen allein, sondern um künstlerisches Lügen. Ein blaues Fäßchen und eine rothe Feder bildeten die Insignien des Präsidenten. Sobald an einem Clubabend ein Mitglied eine kühnere und gelungenere Lüge zum Besten gab, als der Vorsitzende, mußte dieser den Präsidentensitz und die Insignien sofort dem glücklichen Lügner abtreten.

Einer der berühmtesten war der „Club der häßlichen Leute“, bei dessen Gründungsbanket ein überaus häßlicher Hörer des „King's College“ sich muthig zur Uebernahme der Functionen eines Caplans entschloß. Weniger glücklich war man, als es sich um die Wahl eines Präsidenten handelte; denn lange wollte Niemand diese Ehre annehmen. Die auf eine Tafel gravirten Regeln besagten, daß Niemand Mitglied werden könne, der nicht mit einer auffallenden Häßlichkeit behaftet war; meldeten sich bei einer Vacanz zwei gleich häßliche Aspiranten, so wurde derjenige gewählt, der eine dickere Haut besaß. Jedes neueintretende Mitglied mußte die Gesellschaft mit einem Gericht Kabeljau tractiren und eine Lobrede auf Aesop hatten, dessen Portrait im Clubsaale neben denen von Thersites, Duns Scotus, Scarron und Hudibras aufgehängt war. Der Club fand solchen Anklang, daß die Mitglieder Muth bekamen und den König (Karl den Zweiten) anforderten, beizutreten. Er antwortete lachend, er könne nicht selbst kommen, werde aber zwei Ziegenböcke senden. Anfänglich hatte der Club seinen Sitz in Cambridge, aber sein großer Erfolg veranlaßte ihn später zur Uebersiedelung nach der Hauptstadt.

Der „Club der Häßlichen“ besaß eine Concurrenz in dem „Ohnenasen-Club“. Einem Herrn mit wunderlichen Neigungen fiel bei einem Spaziergange durch die Straßen Londons eines Tages die große Anzahl der nasenlosen Leute auf, denen er

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_293.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)