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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Hinzufügen von Bemerkungen sich ermüdet hatte, so las sie in der Laube ihres Gartens mit dem greisen Advocaten Campanella, einem Freund Mazzini’s, die italienischen Classiker. Ich hielt sie stets für gesund und zu einem hohen Alter berufen; nur einmal wurden mir hierüber Bedenken wach. Es war im Campo Santo von Pisa; wir bewunderten die Freskenbilder von Andrea Orgagna und die Tempera-Wandbilder von Benozzo Gozzoli, welche diesen Corridorumgang schmücken: da glitt meine Begleiterin auf einer der Stufen aus, welche plötzlich und unmerklich in diesen Corridoren auf- und niederführen. Diesem Ausgleiten folgte alsbald eine Ohnmacht. War dies ein böses Vorzeichen, die Ohnmacht in dem Campo Santo, wo sich 600 Gräber unter dem Marmor des Fußbodens befinden? War es eine Mahnung aus der Tiefe, welche das herandrohende Loos des Todes voraus verkündete?

Das traurige Schicksal von Ludmilla Assing erinnerte mich an eine andere deutsche Schriftstellerin, die auch in Italien lebte und auch, nachdem sie einen italienischen Officier geheirathet hatte, im Irrenhause gestorben ist. Auch sie besaß eine Villa, und zwar dicht bei Stresa, unmittelbar an den reizenden Ufern des Lago Maggiore. Vom Altan derselben sah man auf die gegenüberliegenden – Borromeischen Inseln und tief hinein in die Geheimnisse der Alpenwelt, auf die Gipfel, welche die Pässe des Simplon und Sanct Gotthard bilden. Auch sie war lebensfrisch, als ich sie besuchte; noch sehe ich ihre schlanke, hohe Gestalt unter den immergrünen Cypressen und Magnolien auf den Terrassen der Isola bella – und nicht allzu lange darauf kam die Kunde ihres Todes. Es war die Wittwe des preußischen Gerichtsrathes Boigtel, die unter dem Namen Arthur Stahl geistvolle spanische und ägyptische Reisebilder verfaßt hat und als Verfasserin eines viel zu wenig gekannten Romans. „Die Tochter der Alhambra“, auch in unserer Literatur Anspruch auf gerechte Beachtung sich erworben hat.

Als ich mit Ludmilla Assing über das Schicksal der schriftstellerischen Collegin sprach, als wir beide dasselbe tief beklagten, da ahnten wir nicht, daß schon, ehe zwei Jahre vergangen, die Chronik der Zeitungen von ihr selbst ganz das gleiche Trauerloos berichten würde. Sic eunt fata hominum.




Blätter und Blüthen.





Die ersten Pioniere der Weltstraßen. Beinahe zu gleicher Zeit, als die Kunde von der erfolgten Durchschlagung des St. Gotthard-Tunnels in alle Welt ging, sanctionirte Oesterreichs Parlament den Bau der Arlbergbahn und damit die Herstellung eines Tunnels, der, was Großartigkeit der Anlage betrifft, ein würdiger Rivale zu dem jetzt der Vollendung nahenden St. Gotthard-Tunnel zu werden verspricht. Weltstraße auf Weltstraße!

Das läßt mich an einen herrlichen Morgen des letzten Spätsommers lebhaft zurückdenken, an welchem ich, vom Rigi kommend, die unvergleichliche Axenstraße am Urnersee entlang nach Altdorf fuhr. Ueberall regte es sich ameisenhaft, endlose Züge jener piemontesischen Steinarbeiter, deren Ruf als Felsenbezwinger unseren Erdtheil seit Jahrzehnten erfüllt, zogen vorüber. Dampfboote, vor Schleppkähne gespannt, und urstämmige Frachtwagen schafften den Proviant für die Minen, den unvermeidlichen Dynamit, herbei, durch schwarze Fahnen die Gefahr, welche sie in sich bargen, kennzeichnend – ein Bild des Todes, im Gegensatz zu dem lebensvollen fröhlichen Arbeitergetümmel. Auf dieser Vortrace zum St. Gotthard-Tunnel gab es hauptsächlich Tagessprengungen; bald sah ich im Verlaufe der Fahrt überall an der linksseitigen Berglehne entlang Minen aufblitzen, und der lang anhaltende grollende Donner rief in den Bergschluchten unzählige Echos wach. Die Zahl der am Wege gelegenen Wirthshäuser, Ambulancen, Cantinen und Osterien hatte sich, dem gesteigerten Bedürfniß entsprechend, unglaublich vermehrt; denn in den Mußestunden, da die Sprengungen stattfinden, suchen sich die Italiener gern die zur Ausübung ihres anstrengenden Berufs nöthige Stärkung in einem Fläschchen vino d’ Asti. Leicht fand sich Gelegenheit, mit einigen Partienführern der Steinvernichter ein Gespräch anzuknüpfen. Es waren ergraute Piemontesen, sehnige, wetterfeste Figuren, aber die Augen noch des italienischen Jugendfeuers voll.

„Sehen Sie,“ erklärte mir der Eine, übereinstimmend mit seinem Gefährten und wahrscheinlichen Geschäftstheilhaber „wir sind alt geworden in unserem wahrlich beschwerlichen Berufe, aber wir denken trotz alledem nicht an Ruhe und Genießen, obschon wir Jeder ein kleines Capital uns erspart haben. Wir fingen beim Bau des Semmering an und vollendeten dann die Karststrecke vor Triest. Den Brenner zu bewältigen, wurde unsere nächste Aufgabe, und kaum war dieser fertig, als wir die Arbeiten am Mont Cenis-Tunnel begannen. Diese Aufgabe bleibt uns als die liebste in der Erinnerung; denn sie galt der theuren Heimath. Hierauf folgten wir dem Rufe der Suez-Canal-Unternehmung – wohl nicht so schwierig, wie die europäische Felsekämpfe – aber es war wirklich keine Kleinigkeit für uns, unter Afrikas Sonne zu arbeiten. Erlagen doch bisweilen die Eingeborenen dem mörderischen Klima und der Arbeit früher, als unsere eigenen Landsleute. Dann nahmen wir Spaten und Hacke, sagten den Ufern des Nils Ade und zogen zur Donau-Regulirung nach Wien, und jetzt sehen Sie uns hier am Gotthard. Zum nächsten Frühjahr müssen wir fertig werden. Und wir tummeln uns jetzt bei der Arbeit doppelt; denn sonst könnten wir den Panama-Canal oder drüben im Vorarlberg den Arlberg-Tunnel versäumen, von denen mit Bestimmtheit verlautet, daß sie nächstes begonnen werden. Insbesondere reflectiren wir auf den Gebirgsdurchschnitt zwischen den beiden großen Weltmeeren. Herr Lesseps braucht für sein Unternehmen geschulte Arbeiter, und wir haben Vertrauen zu ihm, wie wir auch wissen, daß er seit der Probe in Aegypten solches zu uns hat. Ohne uns,“ fuhr der graubärtige Mann fort, „darf der Panama-Canal nicht fertig werden, und wir setzen unsere Ehre darein, nicht zu ruhen und zu rasten, so lange es solche Aufgaben zu bewältigen giebt.“

Ich drückte mein Erstaunen und meine Theilnahme aus, daß sich die Leute ein so fernes Arbeitsziel wie den Durchstich Centralamerikas als nächstes Object ihrer Thatkraft ausersehen hatten. „Unser Beruf ist kein gewöhnlicher,“ erhielt ich zur Antwort, „täglich, ja stündlich schauen wir dem Tod in das Angesicht; Orden und Ehrenzeichen giebt es für uns nicht; deshalb folgen wir dem Rufe, der uns in unserem bescheidenen Leben den größten Nutzen in Aussicht stellt.“

Und in der That leben diese Leute ihrer Leistung gegenüber kärglich, wie nicht leicht der Arbeiter einer anderen Nationalität, dafür danken sie ihrer Genügsamkeit Ersparnisse, wie wir sie bei unsern Arbeitern beispielsweise vergeblich suchen würden.

Die Zeit zur Wiederaufnahme der Arbeit war gekommen; die Mineurs hatten ihre Schuldigkeit gethan, und auch ich mußte an den Aufbruch denken. Ich drückte den wackeren Männern die rauhe Hand und wünschte ihnen Glück bis zum Ende ihrer dornenvollen, wohl nur von wenigen ihrer Mitmenschen nach Verdienst gewürdigten Laufbahn.

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Als Nachtrag zu „Die Sparteriewaaren-Erzeugung“ geht uns folgende Mitteilung zu. „Ihre Zeitschrift enthält in Nr. 9 eine Beschreibung der Sparteriewaaren-Erzeugung, an welche anschließend noch zu erwähnen ist, daß auch in dem Orte Zeidler in Böhmen die Sparteriewaaren-Erzeugung einer großen Anzahl Familien das tägliche Brod bietet; es ist besonders die Firma Joseph Lindner in Zeidler, die hierin Hervorragendes leistet, sodaß deren Erzeugnisse bei der Weltausstellung 1878 zu Paris von der internationalen Jury diplomirt, mit der großen silbernen Medaille prämiirt und von Fachblättern lobend hervorgehoben wurden. Joseph Lindner, dessen Firma auch in Ebersbach in Sachsen ein Zweigetablissement aufzuweisen hat, besitzt ein Patent zur Erzeugung von Sparteriegeweben mit imitirten und echten Gold-, Silber- und Wollfäden, aus denen verschiedenartige Luxus-Cartonnagen, sowie moderne Hüte für Kinder, Damen und Herren etc. sowohl von genannter Firma, wie von auswärtigen Geschäftshäusern gefertigt werden.“

Diesem Nachtrage fügen wir noch die Notiz bei, daß auch das Gemeindeamt von Alt-Ehrenberg officiell erklärt, „die Erzeugung der Sparteriewaaren sowohl in Platten, wie in daraus verfertigten Herren- und Damenhüten in jeder gewünschten Form habe schon vor der Niederlassung der Firma A. Rueff u. Comp. dortselbst auf der jetzigen Höhe gestanden, und sei der Vertrieb durch die Kaufleute Endler und Liebisch in Nixdorf und J. Hoßner in Schluckenau vermittelt worden.“ Daß die drei Letztgenannten in einer besonderen Zuschrift gegen die wider sie erhobenen Beschuldigungen sich verwahren, sei hier ausdrücklich constatirt.

D. Red.






Berichtigung. In unseren kleinen Artikel. Die telegraphische Verbindung mit in Bewegung befindlichen Eisenbahnzügen (Blätter und Blüthen von Nr. 16) hat sich ein sinnentstellender Druckfehler eingeschlichen, den wir hiermit berichtigen. Man lese dort in der sechsten Zeile vor Schluß des Artikels nicht. „in gleicher, aber entgegengesetzter“ sondern: „in gleicher oder entgegengesetzter Richtung“!




Kleiner Briefkasten.


Ch. J. Th. in München. Sie wünschen in der „Gartenlaube“ „Anleitungen für Anfertigung mikroskopischer Präparate“ zu finden. Wir fürchten aber, daß solche Mittheilungen für die große Mehrzahl unserer Leser nicht erwünscht sein würden, und möchten Sie daran erinnern, daß in den zahlreichen Specialwerken über das Mikroskop von Willkomm, Frey, Harting, Schacht, Dippel, Hager etc. vielfach Winke dieser Art enthalten sind.

Herrn Justus Ebhardt in Rom. Ihre Beschwerde darüber, daß der Stahly’sche Artikel „Ostern in Rom“ (Nr. 13 unseres Blattes) nur ein Capitel Ihres uns damals noch unbekannten vortrefflichen Buches „Menschen und Dinge im heutigen Italien“ (Leipzig, Reißner und Ganz) umschreibe, ohne diese Quelle anzugeben, ist leider nur allzu berechtigt; wir sprechen Ihnen an dieser Stelle unser aufrichtiges Bedauern über die von Herrn Stahly begangene literarische Freibeuterei aus, an welcher wir selbst natürlich völlig unschuldig sind.

G. A. - G. Clausius in Berlin. Ungeeignet! Verfügen Sie über das Manuscript!

Wilhelm F-st in Wien. Geben Sie Ihre volle Adresse an!

E. K. in W. Nicht geeignet und deshalb vernichtet.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_300.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)