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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Man hat, da von Hammer die Idee einer deutschen Schiller-Stiftung zuerst in Verbindung mit dem Dank für das Uhlmann'sche Anerbieten ausgesprochen worden ist, jene Gedenktafel als den Grund- oder Eckstein des ganzen Gebäudes bezeichnet, und sie symbolisirt als solcher in der That auf wohlthuende Weise den volksthümlichen Gedanken, der jene Stiftung entstehen ließ. Aus so kleinem Samenkorn ist der seitdem in die Höhe gewachsene Baum hervorgegangen. Da weite Kreise der Nation einst mit – leider nicht eben nachhaltiger – Begeisterung das Werk schaffen halfen und die Nation wohl auch einmal das Gedächtniß einer guten That, wie so oft das einer tapferen, feiern mag –

„Brave freuen sich der That“ –

so soll das seit der Loschwitzer Feier nahezu verstrichene Vierteljahrhundert nicht zu Ende gehen, ohne daß, wie es in nachstehender Skizze geschieht, die stufenweise Entwickelung des großartigen Werks weiteren Kreisen anschaulich gemacht wird.

Wie dachte sich Hammer die Ziele desselben? In seinem schon erwähnten Aufruf vom 24. April 1855 wünscht er, „daß sich eine Anzahl Freunde des großen Dichters und Menschen vereinigen möge, um durch eine ‚Schiller-Stiftung‘ einen Fonds zur Unterstützung für die Hinterbliebenen armer Schriftsteller zu begründen.“ Und einige Zeilen weiter sagt er, es werde hoffentlich an Schiller’s hundertstem Geburtstage (10. November 1859) das Capital bereits soweit angewachsen sein, „daß es hinreicht, mehr als einer hinterbliebenen Familie würdiger Schriftsteller, insbesondere Dichter, materielle Sicherung und Förderung, z. B. auch hinsichtlich der Erziehung, zu bieten.“

Eine damals in Dresden anwesende, seitdem verstorbene Hamburgerin, Frau Johanna Helmcke, war die Erste, welche im großen Sinn den Reigen der Spendenden eröffnete. Sie schenkte tausend Thaler. Später hat sie nochmals tausend Thaler gezeichnet.

Mit jener ersten Gabe war dem geplanten Vorhaben ein stattliches Pfand des Vertrauens entgegengebracht, und die allgemeine Theilnahme wandte sich ihm nun mit Entschiedenheit zu. Noch vor dem Loschwitzer Gedenkfest hatte das für letzteres zusammengetretene Comité – Geheimer Medicinalrath Dr. Carus, Hofrath Dr. Klemm, Hofrath Winkler (Theodor Hell) und Dr. Julius Hammer – durch Hinzutritt Gutzkow’s, des Staatsministers a. D. von Wietersheim und des Majors Serre eine Vervollständigung erfahren. In dem von diesem Comité am 10. Mai erlassenen Aufrufe wurde, angesichts der wachsenden Bedeutung der Stiftung, der Zweck derselben dahin erweitert: „sie solle solchen Schriftstellern, welche, dichterischer Formen sich bedienend, dem Genius unseres Volkes in edler, die Mehrung der Bildung anstrebender Treue sich gewidmet haben, für den Fall über sie verhängter eigener schwerer Lebenssorge oder den Fall der Hülfslosigkeit ihrer nächsten, auf ihr Talent angewiesenen Hinterlassenen einen thatkräftigen Beistand leisten.“

Die anfänglich in’s Auge gefaßte ausschließliche Unterstützung der Hinterbliebenen war solcher Art in die zweite Linie gerückt, und es konnte nicht wohl ausbleiben, daß die weitere Ansicht laut wurde: es möge auch jene von Julius Hammer gleich anfangs festgestellte Bezugnahme auf den Dichter Schiller insoweit umgedeutet werden, daß die Stiftung nicht insbesondere dem Loos der Dichter eine Erleichterung bieten solle, vielmehr allen Schriftstellern, und unter ihnen auch den Männern der Wissenschaft.

Diesem Wunsche stand aber schon der Umstand entgegen, daß ansehnliche Gaben unter Hinweis auf jene Bezugnahme gespendet worden waren und daß fortwährend Beträge einliefen, die jenem an Schiller’s dichterische Thätigkeit anknüpfenden Zweck gewidmet waren. Nicht minder wurde mit Recht auf die Undenkbarkeit hingewiesen, daß eine einzige Stiftung jemals eine so in’s Ungemessene gesteigerte Aufgabe werde bewältigen können. Aber auch auf die mannigfachen, den Männern der Wissenschaft schon zu Gute kommenden staatlichen Veranstaltungen richtete sich im Laufe der Debatten das Augenmerk, und schließlich überwog die Ansicht, daß eine den Namen Schiller tragende Stiftung sich in der That von dem Gedanken, der im Gedicht „Die Theilung der Erde“ Ausdruck gefunden hat, nicht allzu weit entfernen dürfe. In solchem Sinne durfte Hammer an Schiller’s Worte erinnern: „Poeten sollten immer nur durch Geschenke belohnt, nicht besoldet werden; es ist eine Verwandtschaft zwischen den glücklichen Gedanken und den Gaben des Glückes: beide fallen vom Himmel.“

Im Uebrigen sagte man sich schon damals, daß, wenn es auch „bei jeder derartigen Vereinigung von höchster praktischer Wichtigkeit sei, den Zweck möglichst zu individualisiren“, und wenn sich’s vor Allem empfehle, nicht durch Meinungszwiespalt das kaum Begonnene zu gefährden, die engere oder weitere Auslegung des Stiftungszwecks doch vertrauensvoll der Zukunft überlassen werden müsse. Berlin wo Dr. Julius Pabst die erste Anregung zur Gründung einer Zweigstiftung gegeben hatte, trat in diesem Sinne zur rechten Zeit mit Nachdruck für die Dresdener Beschlüsse ein.

Die endlich als definitiv festgestellte Formulirung des Durchschnittsergebnisses der verschiedenen Meinungen bildet den § 2 der Stiftungssatzungen. Derselbe lautet:

„Der Zweck der deutschen Schiller-Stiftung besteht darin: deutsche Schriftsteller und Schriftstellerinnen, welche für die Nationalliteratur (mit Ausschluß der strengen Fachwissenschaften) verdienstlich gewirkt, vorzugsweise solche, die sich dichterischer Formen bedient haben, dadurch zu ehren, daß sie ihnen oder ihren nächst angehörigen Hinterlassenen in Fällen über sie verhängter schwerer Lebenssorge Hülfe und Beistand bietet. – Sollten es die Mittel der Stiftung erlauben und Schriftsteller und Schriftstellerinnen, auf welche obige Merkmale nicht sämmtlich passen, zu Hülfe und Beistand empfohlen werden, so bleibt deren Berücksichtigung dem Ermessen des Verwaltungsrathes überlassen.“

Kein Menschenwerk ist vollkommen, so auch nicht die Fassung dieses Nachsatzes. Aber wenigstens in Bezug auf die Voraussetzung der Hülfsbedürftigkeit ist er von wünschenswerther Deutlichkeit, und diese Deutlichkeit hat im Verlaufe der Zeit sich als keine überflüssige erwiesen.

Noch hatten die Mittel der Stiftung einen solchen Umfang nicht gewonnen, daß Julius Hammer und Major Serre jetzt schon, wie dies später geschah, in ihrer Freude über das mächtig emporwachsende Werk in dem schließlich doch als unausführbar erkannten Gedanken einer Akademie sich hätten begegnen können. Man muß nicht glauben, daß damals die Gründung einer Zweig-Stiftung Kinderspiel war und sich unter dem Einflusse der allgemeinen Schiller-Begeisterung halb von selbst machte. Wenn jetzt „die schlechten Zeiten und die schon so großen Mittel der Stiftung“ die landläufige Ausrede bilden, um deren willen die Gründung neuer Zweig-Stiftungen unterbleibt, so hatten damals die eifrigen Männer, welche für die gute Sache eintraten, außer jenen Einreden über den Stiftungszweck und die Worte „Dichter“ oder „Schriftsteller“ noch eine Menge Bedenken zu beseitigen, die heute nicht mehr aufgeworfen werden können. Hier wollte man zunächst abwarten, ob nicht doch Alles nur Strohfeuer sei; dort gab es politische Einwürfe – beispielsweise: ob denn die österreichischen Dichter zu Schiller ein gleich nationales Verhältniß hätten, wie die deutschen Dichter „draußen im Reich“?

In Wien, das mit seinen 65,800 Gulden gegenwärtig als zweitreichste Zweig-Stiftung dasteht, wurde zwar Einwendungen dieser Art, wo sie auftauchten, mit Nachdruck begegnet, aber ihr hemmender Einfluß führte immer neue Verzögerungen herbei, und so kam es, daß die steirische Hauptstadt sich die Ehre erwarb, die früheste Zweig-Stiftung Oesterreichs zu werden.

Wie gut der brave Holtei, der eigentliche Gründer der Grazer Zweig-Stiftung, den Ton zu treffen wußte, um für die Gründung einer Zweig-Stiftung zu interessiren, das mag hier durch einige Citate belegt werden; denn es kommt immer noch darauf an, die rechten Wege zum Erreichen solchen Zieles fest in’s Auge zu fassen, und dieser ganze Rückblick verfolgt ja den Zweck, zu ähnlichen Anstrengungen Jeden anzurufen, in dem die Liebe zur Literatur in Wahrheit eine Stätte hat.

Um den Sinn und Zweck der Stiftung und namentlich auch den Werth kleiner Gaben möglichst deutlich in's Licht zu setzen, erinnert Holtei an die früher einmal für den Luftschiffer Godart in Graz veranstaltete Sammlung, nachdem der Ballon desselben durch die Schuld eines „tabakrauchenden Müßiggängers“ in Flammen aufgegangen war. „Das war schön,“ sagt Holtei in Bezug auf jene Sammlung, „aber aufrichtig gesagt, sollte denn doch, was man aus rasch aufloderndem Mitgefühl für das Fortkommen eines ausländischen Aëronauten gern gethan, zehnmal lieber gethan werden, wo Geist, Seele und Gemüth, wo heilige Pflicht, wo das Bewußtsein so laut und vernehmlich reden: ‚Wir sind Deutsche, und deutsche Poesie und Literatur weben das Band, welches

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 310. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_310.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)