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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

Das Haus des „Athenaeum-Club“ hat 35,000 Pfund Sterling gekostet, die Möblirung 5000 Pfund, die Wäsche 2500 Pfund; im Keller liegen immer Weine im Werthe von 3500 und 4000 Pfund. Das Gebäude und die Einrichtung des „Reform-Club“ kosteten gar 80,000 Pfund; dieser Club zahlt für Brennmaterial zu Heizungs- und Beleuchtungszwecken jährlich 2000 Pfund, für Schreibrequisiten 250 Pfund, 2000 Pfund für Weine und andere Getränke, 100 Pfund für Eis.


„Kukuk!“ Von Meyer von Bremen.
Nach einer Photographie aus dem Verlage der „Photograph. Gesellschaft in Berlin“ auf Holz übertragen.


Der jeweilige Kellervorrath des „United Service“ wird auf 8000 Pfund geschätzt. Aber auch der geistigen Seite des Lebens wird in den Clubs hohe Aufmerksamkeit geschenkt. Der „Athenaeum-Club“ verausgabt für das Abonnement von Zeitungen und Revuen jährlich 600, der „Reform-Club“ 400 Pfund. Die Bibliothek des „Athenaeum“ enthält mindestens 60,000 Bände, und jährlich werden neue Bücher, Karten und Stiche im Werthe von 500 Pfund angeschafft.

Die neuartigen Clubs sind nicht, wie die weiter oben beschriebenen „Subscriptions-Clubs“, das Eigenthum einzelner Personen, die den von diesen Etablissements abgeworfenen Gewinn allein einstreichen. Wer als Mitglied in einen heutigen Club aufgenommen ist und die zwischen 20 und 40 Pfund variirende Eintrittsgebühr sowie den 5 bis 10 Pfund betragenden Jahresbeitrag entrichtet, kann den Club nach Belieben zum Speisen, Spielen, Lesen, Plaudern, Schreiben und eventuell zum Schlafen benutzen; er ist im Club zu Hause.

Die Verwaltung der Clubangelegenheit liegt in Gemäßheit des Autonomieprincips einem aus dreißig bis vierzig Mitgliedern bestehenden Comité ob, und der aus drei bis acht Mitgliedern bestehende Executivausschuß desselben tritt wöchentlich einmal zur Regelung der Finanzen zusammen. Dem Verwaltungscomité stehen verschiedene Subcomités zur Seite, z. B. ein Wein-, ein Buch-, ein Billardausschuß etc. Der greifbarste materielle Vortheil, dessen die Mitglieder für ihre Jahresbeiträge theilhaftig werden, besteht darin, daß sie die besten Speisen und Getränke zum Kostenpreise bekommen.

Selbstverständlich hat, da bekanntlich nichts auf Erden vollkommen ist, das Clubwesen auch seine Schattenseiten. Die Moralisten sind der Ansicht, es lockere die Familienbande, untergrabe den Sinn für das Familienleben und halte die Männer vom Umgange mit dem weiblichen Geschlechte ab; in der That hören die englischen Damen nicht auf, den Clubs den Krieg zu erklären. Aber bei der bekannten Vorliebe des Engländers für's „home“, für den häuslichen Herd, ist dem Clubwesen kein allzu schädigender Einfluß zuzutrauen, keineswegs ein so arger, wie dem Schenken- und Kaffeehauswesen.

Wer in England gelebt hat, wird erkennen, daß etwas dem dortigen Clubwesen Aehnliches auf dem Continent vorderhand unmöglich ist. Dasselbe bedingt bürgerliche Rechte, gesetzliche Gewährleistungen und überhaupt eingewurzelte freiheitliche Einrichtungen, wie sie anderswo in Europa nicht zu Hause sind. Geselligkeitsliebe – naturgemäß der Hauptanlaß zur Einführung der Clubs – ist gewiß auch in anderen Ländern vorhanden, aber in England kommen ihr die Gesetze und der Nationalcharakter zu Hülfe.

Die Geschichte des altenglischen Clubwesens ist die Geschichte des englischen Nationalcharakters und seiner Entstehungsweise. Die Organisation des heutigen englischen Clubwesens giebt ein Bild der gegenwärtigen bessern Gesellschaften Englands mit ihrer Vorliebe für den Luxus, die Ordnung und ein bequemes materielles Leben. Diese Art der Vereinigung ist in England zum unabweisbaren Bedürfniß geworden, was sich am deutlichsten darin zeigt, daß das Clubwesen, welches noch vor einem Jahrzehnt auf die reichen und wohlhabenden Classen beschränkt war, sich im Mittelstande und in den untersten Schichten der Gesellschaft, natürlich auf bescheidenerem Fuße, immer mehr Bahn zu brechen beginnt.[1]


  1. Wir haben diese interessanten Artikel über „das englische Clubwesen sonst und jetzt“ den Aushängebogen eines Werkes entnommen, das unser geschätzter Mitarbeiter Leopold Katscher soeben unter dem Titel: „Bilder aus dem englischen Leben“, Verlag von Wilhelm Friedrich in Leipzig, herausgiebt.
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 329. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_329.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)