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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

über Edelstein-Alchemie eingehender dargelegt wurde, hauptsächlich drei verschiedene Wege. Man versetzt ihn durch Auflösung oder Erhitzung in gelöste, flüssige oder dampfförmige Gestalt und giebt den dadurch beweglicher gemachten kleinsten Theilchen durch langsame Verdunstung des Lösungsmittels oder allmähliche Abkühlung Zeit und Gelegenheit, die diesem Stoffe eigenthümliche Krystallform anzunehmen. Allein außer dem geschmolzenen Eisen, aus welchem der Kohlenstoff als undurchsichtiger Graphit auskrystallisirt, fand man kein Lösungsmittel desselben und noch weniger gelang es, ihn für sich zu schmelzen, geschweige denn, ihn zu verflüchtigen. Eine Zeit hindurch gab man sich der Hoffnung hin, die Kohle durch die gewaltige Gluth des zwischen zwei Kohlenspitzen übergehenden galvanischen Lichtbogens zu schmelzen, und hat thatsächlich in demselben kleinere Schmelzperlen entstehen sehen, welche die Härte des Diamanten besaßen. Sie waren aber schwarz und undurchsichtig, wie die schwarzen Diamanten Brasiliens, welche so wenig selten sind und so niedrig im Preise stehen, daß man sie in der Neuzeit zum Besatze von Steinsägen benützt, mit denen man nicht nur Marmor, sondern auch Granit mit der größten Leichtigkeit schneidet.

Aus dem Verhalten eines in den Gluthbogen einer kräftigen elektrischen Batterie gebrachten Diamanten glaubt man im Gegentheil schließen zu müssen, daß der Diamant in der Natur nicht durch Schmelzung entstanden sein könne. Man sieht ihn nämlich, wenn man durch ein dunkelgefärbtes Glas auf den mit blendendem Lichte glänzenden Stein blickt, sich dabei stark aufblähen und in eine coaksähnliche Kohle verwandeln. Die heimlichen Diamanten-Fabrikanten – denn in der Stille hat so mancher Chemiker an dem Problem gearbeitet – versuchten es nun mit der langsamen Ausscheidung des Kohlenstoffs aus seinen Verbindungen, sei es durch chemische Mittel oder durch den galvanischen Strom, mit dessen Hülfe man bereits manches Element aus seinen Verbindungen zum ersten Male isolirt hatte. Im Besondern wurde eine Zeit lang eifrig mit der eine wasserhelle Flüssigkeit darstellenden Verbindung des Schwefels mit dem Kohlenstoff gearbeitet. Es erwies sich jedoch alle Liebesmühe vergebens; überall, wo man den Kohlenstoff zwang, aus einer Verbindung auszutreten, erschien er als schwarzer, rußiger Geselle, so unähnlich wie möglich dem ersehnten strahlenden Anblick der dritten Modification.

Als nun um die letzte Jahreswende James Mactear in Glasgow wirklich künstliche Diamanten erzeugt zu haben glaubte, welche aber die mannigfachen Proben, denen man sie unterwarf, nicht bestanden, ahnte man wohl nicht, daß ein Landsmann von ihm, J. B. Hannay, in derselben Stadt schon auf einem besseren Wege zur Erreichung dieses ersehnten Zieles sei. Hannay hatte sich kurz vorher in Gemeinschaft mit einem Mitarbeiter, Namens Hogarth, mit einer Untersuchungsreihe beschäftigt, welche die Zusammenpreßbarkeit der Gase betraf, über welche der geneigte Leser ebenfalls im Jahrgang 1878 der „Gartenlaube“ (Seite 80) Näheres findet. Wir wissen, durch die daselbst näher beschriebenen neuen Untersuchungen, daß sich alle Gase durch die vereinte Wirkung von starkem Druck und Kälte in Flüssigkeiten verwandeln lassen. Die Kälte gehört nothwendig mit dazu, und Dr. Andrews in Belfast hat in neuerer Zeit (1869) gezeigt, daß es für jedes Gas einen bestimmten Temperaturgrad giebt, über welchen hinaus es durch keinen Druck mehr in eine Flüssigkeit verwandelt werden kann. Man nennt diesen Grenzpunkt den kritischen Punkt des betreffenden Gases und hat bemerkt, daß alle Gase dicht jenseits desselben durch starken Druck in einen Zustand versetzt werden, der weder derjenige einer wirklichen Flüssigkeit, noch der eines richtigen Gases ist. Man hat vielmehr einen wahren Uebergangszustand zwischen beiden vor sich, aus welchem sie durch leichte Abkühlung in den flüssigen, durch geringe Druckverminderung in den wahren Gaszustand übergehen.

Es bot sich nun wie von selbst die Frage dar, wie sich in zugeschmolzenen Röhren über ihren kritischen Punkt erhitzte Flüssigkeiten verhalten möchten, die feste Körper aufgelöst enthielten. Wird der letztere ausgeschieden werden, wenn die Flüssigkeit in jenen Mittelzustand übergeht?

Die Versuche von Hannay und Hogarth zeigten, daß z. B. eine weingeistige Lösung von Jodkalium, die in einer starken zugeschmolzenen Glasröhre weit über ihren kritischen Punkt erhitzt wurde, diesen salzartigen Stoff keineswegs ausschied; er blieb in dem gasförmig gewordenen Lösungsmittel aufgelöst, wie vorher in der Flüssigkeit. Erst wenn man die Spitze der Glasröhre durchbrach und damit den Druck plötzlich aufhob, schied sich das Iodkalium aus der gasförmigen Lösung aus, und zwar in Gestalt einer Schneewolke aus feinen Krystallen oder eines zarten Rauhreifes, der sich auf den inneren Wandungen der Glasröhre absetzte.

Weitere Versuche zeigten, daß solche überhitzte und zusammengepreßte Gase, ganz wie eine Flüssigkeit, auch nachträglich feste Körper mit Leichtigkeit auflösten, wie denn z. B. Kieselerde, Thonerde, Zinkoxyd und andere in kochendem Wasser schwerlösliche Stoffe von überhitztem und stark zusammengedrücktem Wasserdampf leicht aufgelöst und beim Nachlaß des Druckes zum Theil in krystallinischer Gestalt ausgeschieden wurden. Doch läßt sich mit Wassergas in diesem Zustande schlecht experimentiren, da es auch die Glaswandungen dabei auflöst.

Wahrscheinlich veranlaßten nun Mactear’s angebliche künstliche Diamanten Hannay und Hogarth erst, zu ihren einschlägigen Versuchen zurückzukehren und zu probiren, ob nicht auch Kohle auf diese Weise in Gasen aufgelöst und nachher in krystallinischer Gestalt ausgeschieden werden konnte. Allein – mochten sie nun Graphit, Holzkohle oder feinsten Lampenruß anwenden, es wollte ihnen nicht gelingen, die Kohle trotz der feinsten Zertheilung in irgend einem überhitzten Gase aufzulösen. Sie kamen deshalb darauf, Gase anzuwenden, die den Kohlenstoff in chemischer Verbindung enthalten, und seine Ausscheidung zu bewirken, während sich das Gas in jenem zusammengepreßten Zustande befand, wobei es ja möglich war, daß der Kohlenstoff, wenn auch nicht mehr chemisch gebunden, so doch aufgelöst bleiben konnte, um sich, wie die anderen festen Körper, nachher in krystallinischer Form auszuscheiden. Der Kohlenstoff bildet eine Menge flüchtiger Verbindungen mit Wasserstoff, zu denen beispielsweise unser Petroleum und Leuchtgas gehören, und man kann denselben in stark erhitzten und verschlossenen Röhren den Wasserstoff durch Metalle entziehen, die, wie Natrium und Magnesium, bei hohen Temperaturen eine starke Verwandtschaft zum Wasserstoff haben. Dieser Versuch wurde in sehr dicken flintenlaufartigen Eisenröhren mit anderthalb Zoll starken Wandungen ausgeführt, wobei man Sorge tragen mußte, daß zugleich ein feuerbeständiges Gas vorhanden war, in welchem der ausgeschiedene Kohlenstoff gelöst bleiben konnte. Die feuerbeständigen Verbindungen von Kohlenstoff und Stickstoff (Cyangas etc.) zeigten sich am besten dazu geeignet.

Der Versuch gelang nicht gleich ohne Umschweife. Von zehn Stück dieser starken Eisenröhren, die nur einen halben Zoll innerer Weite besaßen, widerstand nur eine dem starken Gasdruck während des Glühens; neun wurden aufgerissen. Aber wenn der Versuch gelang, zeigten sich in der Röhre feine glänzende Splitter von in krystallinischer Gestalt ausgeschieder Kohle, das heißt von wirklichen Diamanten.

Hannay selbst, und Professor Maskelyne, ein berühmter englischer Mineraloge, sowie andere Naturforscher haben diese Splitter allen möglichen Proben unterworfen, um sich zu vergewissern, ob es wirkliche Diamanten seien. Und sie haben alle diese Proben bestanden. Ihre Härte ist so groß, daß sie Sapphir mit Leichtigkeit ritzen, was eben nur der Diamant vermag. Sie sind, wie der echte Diamant, dreiundeinhalbmal schwerer als Wasser. In dem elektrischen Glühbogen verhalten sie sich ebenfalls ganz wie der natürliche Diamant, und vor dem Löthrohre oder in Sauerstoff verbrennen sie ohne Rückstand und geben soviel Kohlensäure, daß man den Kohlenstoffgehalt, ähnlich wie bei echten Diamanten, auf achtundneunzig Procent berechnen konnte. Die Krystallgestalt betreffend, fand man eine höchst charakteristische Eigenthümlichkeit der natürlichen Diamanten, nämlich, daß sie nicht wie fast alle anderen Krystalle gerade, sondern gewölbte Flächen zeigen, auch an den künstlichen wieder, doch ließ sich wegen der Kleinheit der Fragmente hier wenig Sicheres feststellen. Es scheint fast, als ob man es mit zersprungenen Krystallen zu thun habe; denn nur an wenigen Stücken fand man ausgebildete Flächen oder Ecken, vielleicht war der plötzliche Uebergang von starkem zu geringem Druck oder von hoher zu niedriger Temperatur daran schuld. Eins nur erscheint sicher: das lange angestrebte Problem, Diamanten zu erzeugen, dürfte hiermit gelöst sein.

Ob dieses für die Wissenschaft höchst interessante Ergebniß für das praktische Leben jemals irgend eine Bedeutung gewinnen wird, steht dahin. Vorläufig dürfen Diejenigen, welche einen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_339.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)