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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

Was war zu thun? Wir konnten doch den alten ‚Wolf‘ nicht binden und wie eine Bestie nach Hause schleppen. Er würde uns das Binden auch gut eingesalzen haben. Wir mußten also abziehen, wie wir gekommen waren, und erschienen ohne ihn vor Miguela, die auch diesmal ruhig und gelassen that; sie fragte, wie das erste Mal, doch viel bestimmter:

‚Ihr schwört mir, daß es wahr ist, was Ihr sagt?‘

Und als wir schwuren, sagte sie wie damals, doch mit müder Stimme und müden Augen:

‚Nun gut, er wird wissen, was er zu thun hat, und Niemand hat darnach zu fragen.‘

Allmählich lebte sich auch Miguela immer mehr in ihre eigenen Gedanken ein und sah wieder frischer und freier um sich. Die Ernte kam; sie trug vom Morgen bis zum Abend den Mais und anderes Getreide ein, welches der Alte bergauf, bergab gepflanzt hatte; drei, vier Männer arbeiteten den ganzen Tag in ihrem Dienste. Sie aber regierte und schaffte wie die Herrin des Hauses, und doch rührte sie kein Stück Geld als ihr eigen an. Es fehlte nicht an guten Rathgebern für dies und das; ‚wartet, bis Ignacio, mein Oheim, kommt!‘ antwortete sie. Es fehlte nicht an Freiern, welche ihre Hand begehrten; ‚meine Hand dient meinem Oheim Ignacio, und der Hof gehört ihm,‘ rief sie und warf die Thür zu.

So verging die Zeit. Da – der Teufel kann nun einmal keinen Frieden unter den Christen leiden – wird von verruchten Zungen das Gerücht herumgetragen, der Alte hätte einen Schatz gefunden, welchen die alten Indios dort vergraben, und wir Leute von Santa Barbara hätten ihn kalt gemacht und seinen Schatz geraubt. Kann man den Teufel sehen, wenn er umgeht? Das Gerücht hatten wir da, ohne das verdammte Hirn zu kennen, das dieses Gift ausgegohren.

Anfänglich hörte Miguela nicht auf das Geschwätz; aber immer wieder ausgestreute Saat geht endlich doch auf; so krallte sich Satan in ihre Seele ein, und der Argwohn faßte Wurzel; die Goldprobe, die für uns zeugen sollte, wurde nun als Zeuge gegen uns angerufen, und als die Zeit unseres Jagdzuges herangekommen war, erklärte Miguela:

‚Wenn Ihr diesmal wieder ohne meinen Oheim Ignacio zurückkommt, so werde ich das Gericht gegen Euch aufbieten.‘

Verdrießlich über das Gerede und Miguela’s offene Anklage und Drohung, riefen ihr Etliche von uns zu:

‚So geh doch selbst und hole Dir den Alten! Sind wir etwa zu Euern Hütern und Wächtern bestellt?‘

Miguela sah den Sprechenden scharf in’s Auge, und trotzige Entschlossenheit lag in ihrem Gesichte – der Pfeil war abgeschossen und saß. Miguela wies jede Beschwichtigung zurück und entgegnete heftig:

‚Gut, wenn Ihr von heute ab (es war Sonntag) bis zum Samstag nicht zurückgekehrt seid mit Ignacio, so werde ich selbst gehen und nach ihm suchen, und finde ich ihn nicht, so melde ich’s dem Gericht!‘

Ich redete ihr in’s Gewissen, mir zu glauben, da ich ihr doch nie eine Lüge gesagt, erinnerte sie, daß ich von jeher Ignacio’s Freund gewesen, aber sie schüttelte abwehrend den Kopf und blieb dabei:

‚Euch, Compadre, trau ich nichts Schlechtes zu, aber was ich gesagt habe, habe ich gesagt.‘

Ich rüstete sofort zum Aufbruche; denn es war keine Zeit zu verlieren, um die von Miguela gestellte Frist einhalten zu können; daß sie aber nach Ablauf derselben ihren Vorsatz ausführen werde, stand so fest, wie Petri Fels. Ich suchte unsere zuverlässigsten Leute zusammen und ging mit ihnen voraus; die anderen folgten uns in verschiedenen Abtheilungen nach; einen jungen Freund aber, auf welchen ich wie auf mein eigen Auge vertrauen konnte, hatte ich zurückgelassen und ihm auf die Seele gebunden, Miguela nicht aus Hand und Augen zu lassen, sobald sie den wahnsinnigen Gang unternehmen sollte.

Diese Weisung, Herr, war überflüssig; denn mein armer junger Freund trug das Mädchen mehr auf dem Herzen, als Vater und Mutter; auch Miguela war ihm nicht böse, aber in der Treue zu dem Alten nahm sie keinen Freier an.

Wir zogen davon – still, freudlos; wie so ganz anders, als wohl sonst! Es war, als ob auf Jedem die Ahnung eines Unglücks lastete. Der ‚grimme Wolf‘ empfing uns mürrisch und knurrte uns an: ‚wir sollten ihm vom Halse bleiben, uns das Gold allein suchen.‘ Sonst hatte sich der alte Bursche ganz leidlich eingerichtet.

Alle Ueberredung scheiterte an seinem trotzigen Eigensinne; wir kramten Lüge auf Lüge aus: Haus und Hof gehe dem Verfalle entgegen; Miguela härme und arbeite sich zu Tode; sie sei schon so weit herunter, daß sie die Wirthschaft nicht mehr überwachen könne; sie werde bestohlen und betrogen, leide Noth und Kummer und bringe Tag und Nacht in Thränen zu. Er zuckte über Alles gleichgültig die Achseln; sein Gewissen schien so ausgetrocknet, wie sein Fleisch und Blut. ‚Es möge geschehen, was geschehe!‘ autwortete er trocken und eigenthümlich grinsend, ‚Miguela werde bald aus der alten Hütte herausfliegen, wie der Schmetterling aus der Puppe.‘

‚Ignacio,‘ rufe ich, ‚welch ein Dämon ist in Dich gefahren! Du hieltest doch sonst nicht so an Geld und Gut. Wenn Du’s so weiter treibst, geht Miguela zu Grunde.‘

‚Zu Grunde, Narr, zu Grunde?‘ krächzt er grinsend. ‚Leben soll sie, sag’ ich Dir, leben, erst recht leben.‘

‚Vom Teufel bist Du besessen, daß Du mich nicht hörst!‘ fahre ich ihn endlich zornig an. ‚Du ließest Dir doch sonst wenigstens von mir noch ein Wort sagen. So höre denn: Miguela glaubt, daß wir Dich todt geschlagen haben, und wenn Du jetzt nicht mit uns zurückkommst, so macht sie sich selbst auf den Weg, Dich zu suchen, sich von Deinem Leben oder Tode zu überzeugen, und daß sie nicht lebendig bis hierher kommt, weißt Du selber.‘

Einen Augenblick zuckte der Alte zusammen; sein aschgraues, vertrocknetes Gesicht zittert, aber nur ein kurzer Ruck war’s, wie etwa ein Zittern durch den Stamm geht, wenn die Axt an seine Wurzel gelegt wird; dann grinst er uns wieder höhnisch an und poltert die Worte stoßweise hervor:

‚Possen, Possen! Mit Speck fängt man Mäuse. Spart Euch die Mühe! Und Euer Spüren nützt Euch auch nichts; ich habe meine Löcher gut verstopft.‘

‚Ignacio, ich sage Dir bei Allem, was uns heilig ist, wenn Du nicht mit uns kommst, so geht Miguela in den Tod. – Nun denn,‘ fahre ich ungeduldig und zornig fort, als alle Reden nichts fruchten, ‚so laß sie hinfahren, ewig verdammt, ohne Absolution!‘

Das wirkt. Der Alte steht wie eine Steinsäule da; er starrt mich an mit Augen, mit Augen, sage ich, welche wie die eines Raubvogels durch die Nacht glühen; dann geht ein fliegendes Zittern durch seine dürren Glieder.

‚José Maria – bei den Gebeinen Deiner Mutter sage mir, daß Du nicht lügst! Hier hast Du Gold, aber sprich ehrlich!‘ Krampfhaft packt er meinen Arm.

Ich wiederhole, was ich gesagt.

‚Miguela’s Seele verdammt?‘ ruft er aus rauher Brust heraus. ‚Verflucht, wer das sagt! Leben soll sie, sag’ ich, leben, glücklich hier und selig da! Zurück! Packt auf! Eilt Euch, geht voran – ich, ich will nur noch ein Paternoster beten.‘

Wir treten frohlockend aus seiner Hütte heraus; zwei Leute von uns aber sehen durch die Wandspalten, daß der Alte, während er sein Paternoster oder was sonst murmelt, einen Topf aus der Erde holt; er schüttet den Inhalt in einen Beutel und schlägt um den Beutel ein Fell. Wir sehen einander an und legen den Finger auf den Mund; was der Alte aus dem Topf schüttete, war Gold, vieles, gutes Gold gewesen.

Inzwischen war auch die zweite, größere Abtheilung unserer Leute herangekommen; sie hatten bald heraus, was wir gesehen, denn gieriger, als wir, nach des Alten Geheimniß, witterten sie gleichsam, wie Raubvögel, in der Luft, was wir mit unseren Augen sahen. Sie waren mit der Absicht gekommen, dem Alten nachzuspüren, mit ihm zu theilen oder ihm das Handwerk zu legen; darum blieben sie, als wir abzogen, und auch uns trauten sie nicht mehr. Aber der Alte hatte ‚die Löcher gut verstopft‘; so viel sie auch suchten, wühlten, spürten und Zeit vergeudeten, sie entdeckten keine Leitspuren; der Alte hatte jedes Merkmal verwischt, ja, um sich vor jeder Ueberrumpelung zu sichern und uns von der rechten Fährte abzuleiten, schlau und täuschend falsche Spuren augelegt.

Wir aber ließen uns nicht länger weder durch Ueberredungen, noch durch Drohungen zurückhalten; es war uns schon zu viel Zeit durch den Trotz des Alten verloren. Der sprach kein Wort weiter, kaum aber vermochten wir ihm zu folgen, so eilig schritt er aus.

Bald jedoch fanden wir den Weg verlegt; eine Stromfluth

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 627. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_627.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)