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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Kaum fühlte man Lust und Kraft, die wundervollen gothischen Denkmale in leidlichem Zustande zu erhalten, und als die Gothik dem neuen Zeitgeiste zum Opfer gefallen und allerwärts in Verruf gekommen war, bequemte man sich auch in Köln zum Anschluß an Rococo und Zopf. Man überbot einander in Ueberkleistern, Abhobeln, Glatthauen und Verstümmeln der vorhandenen Kunstwerke.

Im Jahre 1767 wurde die ganze Domkirche durch die Italiener Johann Syrus und Genossen vollaus in neuerem Geschmack illuminirt und übertüncht. Der Hochaltar an Dome wurde 1770 verstümmelt und durch den kuppelförmigen Aufsatz verunstaltet; das an der westlichen Schlußwand des Chores errichtete prachtvolle Grabmal des Erzbischofs Wilhelm von Gennep zerstört, um bequemen Raum für eine Thür in diese Wand zu gewinnen; die werthvollen gemalten Glasfenster unter dem Laubgange der obersten Fenster und in den unteren Seitencapellen wurden entfernt und durch ordinäres weißes Glas ersetzt. Damit noch nicht genug, wurde die um das Chor gehende durchbrochene Steingallerie zerstört und an ihrer Stelle ein Eisengitter in neuerem Geschmacke aufgerichtet. Allerwärts, wo eine Reparatur vorgenommen, irgend ein Monument aufgestellt, ein neuer Altar errichtet wurde, gab man sich alle Mühe, den Gegensatz zu den Anforderungen des Stiles, in welchem die Kirche erbaut war, oder zu den alten ursprünglichen Ornamenten und Denkmälern des Domes so schreiend wie möglich zu machen, den größten Frevel aber verübte der blinde Vandalismus an dem links vom Hochaltar stehenden Sacramentshäuschen. Dieses Meisterwerk der architektonischen Sculptur mußte im Jahre 1766 dem entarteten Geschmacke zum Opfer fallen und unter den Hammerschlägen einer vandalischen Rohheit zusammenstürzen. Die zerschlagenen Bruchstücke wurden größtentheils als Schutt in den Rhein gefahren; kleinere Reste wurden gerettet und befinden sich jetzt im städtischen Museum. Aber die größte Gefahr für den Bestand des Domes trat ein, als das Capitel sich mit den Schätzen seiner Kirche flüchtete und der Gottesdienst im Dome ganz eingestellt wurde. Eine Zeitlang mußte nun der ehrwürdige Bau, in welchem Könige die Krone des deutschen Reiches empfangen hatten, zum Fourragemagazin für die republikanische Armee dienen.

Ja, als im Jahre 1801 die Aufhebung des Kölner Erzbisthums ausgesprochen wurde, trat sogar die Gefahr nahe, daß die Domkirche auf den Abbruch verkauft würde. Sie wurde dadurch beseitigt, daß bei der neuen Pfarrcircumscription des Jahres 1802 der Dom zur Hauptpfarrkirche des vierten Bezirks bestimmt und ihm das Vermögen der alten von St. Lorenz überwiesen wurde. Er erhielt jetzt wieder einen Theil der geflüchteten Kirchenschätze zurück. Lange hatten sich die französische und darmstädter Regierung über das Eigenthumsrecht des Restes der zu Frankfurt in Beschlag genommenen Domkostbarkeiten gestritten.

Endlich kam man dahin überein, daß von diesen Schätzen die Schreine der heiligen drei Könige und des heiligen Engelbertus, die große Monstranz und die Clementischen Paramente zurückgeliefert werden sollten. Als die Kaiserin Josephine im Jahre 1804 den Dom besichtigte, setzte sie eine zureichende Summe zur Wiederherstellung des Dreikönigen-Kastens aus und schenkte außerdem noch mehrere Hundert Napoleonsd’or zur Ausbesserung der Domkirche. Aber die geringe Summe war nicht im Stande, dem raschen Verfalle der Domkirche Einhalt zu thun, und als Napoleon angegangen wurde, die erforderlichen Herstellung- und Unterhaltungskosten der Domkirche zu bewilligen, erklärte er, daß die Staatscasse außer Stande sei, die Summe für kirchliche Zwecke herzugeben.

Je länger man die Reparatur aufschob, desto bedrohlicher gestalteten sich die Schäden. Endlich im Jahre 1807 entschloß man sich, die nothwendigsten Ausbesserungen vornehmen zu lassen. Der Kostenanschlag, den die Bauverständigen Schmitz und Odenthal zur Reparatur an den Dächern, dem Chore, den Seitenchören, den Schiffen und dem Thurme der städtischen Verwaltung einreichten, belief sich auf 23,5440 Franken 90 Centimes; 19,652 Franken wurden bewilligt und verausgabt. Auch diese Reparatur konnte den raschen Verfall nicht hemmen. Im Sommer 1811 wandten sich die Kirchmeister der Dompfarre an den Maire und ersuchten ihn, durch Sachverständige eine Besichtigung vornehmen zu lassen und für die zureichende Instandsetzung sorgen zu wollen. Der darmstädter Baurath Georg Moller, der für einen äußerst „gründlichen Kenner der meisten größern antiken und modernen Gebäude und namentlich der sogenannten gothischen Kathedralen“ galt, wurde von Seiten der Stadt beauftragt, in Gemeinschaft mit dem Baumeister Leidel und dem Stadtbaumeister Schmitz die Bauschäden zu untersuchen. Das betreffende Gutachten ging dahin, daß der Thurm auf dem Chordache abgetragen und ein starker eiserner Anker zur Verbindung der den Anfang zum Kreuz der Domkirche bildenden Mauern angebracht werden solle.

Nicht wenig hatte zu der Berufung Moller's Sulpiz Boisserée beigetragen. Dieser schwärmte für das höchste Werk mittelalterlicher Baukunst, deren Studium er sich auf's Eifrigste angelegen sein ließ, und des Domes Erhaltung und Vollendung war sein sehnlichster Wunsch; denselben zu verwirklichen, scheute er keine Opfer, keine Mühe, und seinen Vorstellungen ist es guten Theils zu verdanken, daß, nachdem die Rheinprovinz dem Königreiche Preußen einverleibt worden, man sich in Berlin allmählich mit dem Gedanken an eine Herstellung des altehrwürdigen Kölner Domes befreundete. Der Geheime Oberbaurath, später Oberlandesbaumeister Schinkel erhielt im Jahre 1816 den Auftrag, den baulichen Zustand des Kölner Domes an Ort und Stelle zu untersuchen und die Resultate seiner Wahrnehmungen und Ueberzeugungen der Staatsregierung zur ferneren Beschlußnahme vorzulegen. In Folge dieses Auftrages traf Schinkel gegen Ende August 1816 in Köln ein. Auf Grund seines den bedenklichen Zustand der Domkirche in grelles Licht stellenden Berichtes und auf besondere Befürwortung des Kronprinzen befahl König Friedrich Wilhelm der Dritte, „daß das Vorhandene erhalten werden solle“. Es währte aber noch lange, ehe man rüstig Hand an's Werk legte. Erst im Jahre 1823 machte man Miene, die Herstellungsarbeiten an den äußeren Mauern mit Ernst zu beginnen, bald aber ließ man wieder nach, und das Ganze beschränkte sich darauf, die große Giebelmauer vor dem hohen Chore zu verankern und einige Thürmchen an der Südseite abzubrechen.

Am 19. April des folgenden Jahres nahm man die auf die Summe von 381,000 Thalern veranschlagten Arbeiten wieder auf. Das Hochchor erhielt ein neues Dach; am 18. August wurde der Dachstuhl aufgeschlagen, und am 18. October war auch die Eindeckung beendigt; im Ganzen wurden 109,623 Pfund Blei aufgelegt. Das auf der Spitze des Chores befindliche Kreuz wurde herabgenommen, durch freiwillige Beiträge ein neues beschafft und am 3. August 1825 aufgestellt. Zur Fortsetzung der Reparaturen bewilligte der König auf wiederholte Vorstellung des Baudirectors Schinkel im Jahre 1826 7000 Thaler, zugleich genehmigte er die Einführung einer besonderen Kathedralsteuer, welche von Heirathen, Geburten und Sterbefällen in der ganzen Diöcese erhoben werden sollte. Am 8. März 1826 wurde mit der Herstellung des südlichen Fenstergiebels begonnen, und am 19. August 1827 legte der Erzbischof Ferdinand den Schlußstein zu dem neu erbauten Fenster im untern Theile der Nordwand. Unter Leitung des Bau-Inspectors Ahlert hatten diese Arbeiten bis im Jahre 1833 ihren ungestörten Fortgang. In diesem Jahre wurde nach Ahlert's Tode der Bau-Inspector Zwirner zur Leitung der Reparaturbauten am Dome berufen, und er brachte frische Regung und neues Leben in die Dombausache.

Je mehr er sich bei der mühevollen Herstellung des Hochchores mit dem Studium des ganzen Baues beschäftigte, desto lebhafter wurde in ihm der Wunsch, seine volle Kraft der Vollendung dieses Wunderbaues widmen zu können. Er benutzte im September 1833 die Anwesenheit des für die mittelalterlichen Kunstwerke in hohem Grade begeisterten Kronprinzen dazu, um diesem die Dombausache warm an’s Herz zu legen. Nach dem von ihm vorgelegten Plane sollte zuerst der Ausbau und die Eindeckung der Seitenschiffe und der Langkirche, dann die Entfernung der Abschlußmauer am Chore innerhalb sechs Jahren mit einem Kostenaufwande von 154,000 Thalern vorgenommen werden. Die Baukosten, welche zum vollen Ausbau des Domes, mit Ausschluß der Thürme, erforderlich seien, veranschlagte er auf zwei Millionen Thaler. Der Kronprinz, durch Zwirner’s Vortrag freudig überrascht, versprach das Ausbauproject mit allen Kräften zu unterstützen, und ließ im folgenden Jahre einen partiellen Bauplan dem Oberbaudirector Schinkel zur Revision vorlegen.

Die Zeit war da, in welcher es sich entscheiden mußte, ob mit rüstiger Hand der Fortschritt begonnen oder ob die gut geschulten Arbeiter entlassen, die Bauhütten geschlossen und die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 687. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_687.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)