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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

zugleich von den freieren Ideen der Reformationszeit durchdrungen war. Das Gewerbe, welchem sich der Jüngling widmete, umfaßte im Mittelalter ein viel weiteres Gebiet, als wir heute anzunehmen gewohnt sind. Der Meister der Goldschmiedekunst mußte zugleich in Allem, was wir mit „bildender Kunst“ bezeichnen, eingehend Bescheid wissen; Empfindung und künstlerischer Entwurf gehörte nicht weniger zu seinem Berufe, wie die technische Ausführung. So wissen wir, daß der berühmte Benvenuto Cellini nicht allein in allen Zweigen der eigentlichen Goldschmiedekunst, als Gießen, Treiben, Emailliren und Medailliren Bedeutendes leistete, sondern auch als talentvoller Bildhauer und Krystallschneider bekannt war und sich gelegentlich noch mit vielen anderen Sachen, wie Alchemie u. dergl. m. beschäftigte.

Wie jeder lernende Handwerker des Mittelalters mußte sich auch Eisenhut in die strenge Ordnung seiner Zunft, der wir nicht zum geringsten Theile die staunenswerthe Ausbildung des deutschen Kunstgewerbes jener Zeit zuschreiben, unbedingt fügen, bis ihm der Freispruch des Meisters erlaubte, die eigenen Wege einzuschlagen. An dem Tage seiner Freisprechung verließ der junge Geselle die Heimath, um sich auf die Wanderschaft zu begeben, die sich wohl zunächst über Westfalen erstreckte. Von hier, wo um jene Zeit unter den Knop’s in Münster, Aldegrever in Paderborn und anderen bedeutenden Meistern die Goldschmiedekunst in hoher Blüthe stand, trieb ihn der Wissensdrang und der Eifer, eine höhere Ausbildung in seiner Kunst zu erlangen, als ihm die Heimath zu geben vermochte, in das gelobte Land der Künstler, nach Italien. Ob er in Süddeutschland geweilt hat, wo, namentlich in Nürnberg, Ulm und Augsburg, berühmte Meister der Goldschmiedekunst, wie die Jamitzer und Ehinger, ansässig waren, die selbst für Paris und London arbeiteten, ist wegen der kurzen Dauer seiner Reise unwahrscheinlich; auch finden wir in seinen Arbeiten nicht die geringste Aehnlichkeit, geschweige denn irgend welche Anlehnung an süddeutsche Kunst.

Schon im Beginne der siebenziger Jahre betrat Anton Eisenhut den gefeierten Boden Italiens und blieb vorläufig als Kupferstecher in Florenz. Zwar war der berühmte Benvenuto Cellini, dessen Bedeutung man sehr überschätzt hat, bereits 1572 gestorben, aber der ganze übrige Schwarm bedeutender Künstler, welche Alle ihr Licht von dem großen Michel Angelo borgten, wirkte noch in demselben Sinne wie Cellini. Ueber Eisenhut’s Aufenthalt in Florenz erfahren wir nichts; erst mit dem Jahre 1580, wo er sich nach Rom begab, beginnt das undurchdringliche Dunkel, welches den deutschen Meister bis dahin umgiebt, sich etwas zu lichten. Hier scheint Eisenhut mit wissenschaftlichen Kreisen und vielleicht selbst mit Papst Gregor dem Dreizehnten, der vom Jahre 1572 bis 1585 die dreifache Krone trug, in Berührung gekommen zu sein, wenigstens kennen wir ein in Kupfer gestochenes Portrait Gregor’s des Dreizehnten mit reich ornamentirtem Rande, welches den Namen Anton Eisenhut’s aus Warburg trägt. Seine erste größere Arbeit als Kupferstecher, welche um dieselbe Zeit entstand, war eine wissenschaftliche, die Illustration zu der „Metallotheka“, einer Beschreibung der Mineraliensammlung des Vaticans von Michael Mercati, von welcher sich ein Exemplar auf der königlichen Bibliothek in Berlin befindet. Der italienische Gelehrte gedenkt bei Gelegenheit Anton Eisenhut’s von Warburg als eines vortrefflichen jungen Mannes, dessen Kunstfertigkeit in Zeichnung und Stich er seit mehreren Jahren für sich gebrauche und von dessen hohen Leistungen die Illustrationen seines Werkes Zeugniß geben würden.

Kurz darauf verließ Anton Eisenhut den classischen Boden Italiens, und bereits im Jahre 1585 finden wir ihn wieder in Deutschland und 1589 in Warburg. Wahrscheinlich hat er während dieser vier Jahre die Niederlande, auf welche seine Silberwerke nicht undeutlich hinweisen, besucht. Auffälliger Weise ist der Kupferstich, den er selbst für seinen ersten in der Heimath angiebt, eine allegorische Darstellung der Ketzerei, ein Drache in reicher italienischer Landschaft; fast sieht es aus, als sollte das Werk ein Glaubensbekenntniß sein, das er seinem Landesherrn dem Bischof von Paderborn, ablegte. Von dieser Zeit an lernen wir ihn in seinem eigentlichen Gewerbe als Goldschmied kennen, dem er das Ende seines Lebens fast vollkommen und mit einem Erfolge gewidmet, der ihm für alle Zeiten die erste Stelle unter den deutschen Meistern giebt und ihn ebenbürtig neben die bedeutendsten Künstler des Auslandes stellt.

Dem Kunstsinne der Familie Fürstenberg, welcher der Landesherr Eisenhut’s, Bischof Dietrich von Paderborn entstammte, konnte die außerordentliche Begabung unseres Meisters nicht entgehen, und so lange er lebte, hatten die Fürstenberger Arbeit für ihn. Noch mehr als Dietrich von Fürstenberg scheint dessen Bruder, der reiche Kaspar, für den Meister Anton eingenommen gewesen zu sein; denn sein Tagebuch zählt überaus zahlreiche Bestellungen auf, welche sich nicht allein auf Gold-, Silber- und Juwelierarbeiten beschränken, sondern sich auch auf Malereien von Porcellan, ja sogar auf Zeichnungen von Brautteppichen oder Tapeten erstrecken. Kaspar läßt den Meister wiederholt, wie er aufzeichnet, nach Neuhaus kommen, besucht ihn aber auch in seiner Werkstätte in Warburg, als er für ihn eine besonders schwierige und kunstvolle Arbeit unter Händen hatte, „den silbernen Buckal, den Adler genandt“, welcher von Eisenhut am 26. März 1597 abgeliefert, aber im Laufe der Zeiten spurlos verschwunden ist.

So lebte der Meister, hochgeachtet von seinen Fürsten und angesehen von seinen Mitbürgern, in Warburg bis in den Anfang des folgenden Jahrhunderts hinein und starb um oder kurz nach 1603. Seine letzte Arbeit aus diesem Jahre ist die Büchermarke des Fürstbischofs Theodor von Fürstenberg, ein Kupferstich, welcher das Familienwappen der Fürstenberger zeigt.

Wenn wir heute einen Blick auf die Silberarbeiten werfen, die in der Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer als Werke Eisenhut’s gelten, so finden wir darunter zwei Gegenstände, welche nicht den Namen Anton Eisenhut’s tragen und ihm daher nur mit zweifelhafter Sicherheit zugeschrieben werden können. Es sind dies das aus Silber gegossene spätgothische Rauchfaß, welches Julius Lessing für einen Eisenhut hält, und das große Soester Crucifix. Beide erscheinen mir nicht als Arbeiten des Warburger Meisters, wenngleich die Vermuthung nicht unbegründet ist, Eisenhut habe den Fuß des Crucifixes, der ganz in seinem Charakter gehalten ist, angefertigt, während das Kreuz selbst einer älteren Zeit angehören dürfte. Bei dem zweifelhaften Werthe jener beiden Kunstwerke ersparen wir uns hier deren Beschreibung, und es bleiben somit für Eisenhut nur vier Arbeiten von zweifelloser Echtheit übrig.

Das früheste Werk — es trägt die Jahreszahl 1588 neben dem „Anton Eisenhoidt warburgensis fecit“ — ist ein aus Silber getriebener vergoldeter Kelch von einer Höhe von 0,25 Meter. Der höchst gelungene, leichte Aufbau ruht auf einem Fuße im Sechspaß, welcher Raum für sechs getriebene symbolische Bilder aus dem alten Testament in runden Medaillons bietet; sie stellen der Reihe nach „Das Opfer Abraham’s“, „Das Osterlamm“, „Das Sammeln von Mannah“, „Moses schlägt aus dem Felsen Wasser“, „Die Errichtung der ehernen Schlange“ und „Jonas und der Walfisch“ dar. Den Uebergang zum Knauf bilden angelehnte allegorische weibliche Figuren von edelster Formenschönheit, während dieser selbst aus sechs Nischen mit gegossenen weiblichen Figuren in antiker Gewandung besteht; hier sind ausnahmsweise Ausschmückungen durch edles Gestein angebracht worden. Für die tulpenförmige Kappe ist der Aufbau im Ganzen wohl zu schlank ausgefallen, bei dem der in reichster erhabener Arbeit prangende Fuß der außerordentlichen Einfachheit des oberen Theiles gegenüber zu compact wirkt.

An den Kelch reiht sich würdig der Weihwasserkessel mit dem Sprengwedel an (vergl. die beigegebene Abbildung!), ein Werk, welches die Inschrift „Antonius Eisenhoit warburgensis fecit“ trägt. Den Kessel zieren ringsherum vier biblische Darstellungen „Die Taufe Christi“, „Christus und die Samariterin“, „Christus und Petrus auf dem Meere“ und „Philippus und der Kämmerer aus dem Mohrenlande“ in getriebener Silberarbeit, während der Boden den „Durchzug der Juden durch das rothe Meer“ zeigt. Die ornamentale Arbeit, die gleichsam als Rahmen für die einzelnen Bilder dient, ist in den reichsten Renaissanceformen gehalten, die in ihren schwunghaften Linien und üppigem Schmuck an die Schule erinnern, welche der Meister in Italien genossen hat. Der zum Kessel gehörige Sprengwedel ist ebenfalls aus Silber getrieben und vorzüglich deswegen interessant, weil er freistehende ornamentale Verzierung zeigt, wie sie in dieser Vollendung und zierlichen Schönheit bei keinem anderen Eisenhut’schen Werke zu bemerken sind. Das ganze Sieb des Wedels ist mit äußerst feingearbeiteten Rosettchen bedeckt, während den Schaft vier getriebene Figuren bilden.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 722. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_722.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)