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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

nur angekohltes Gemenge solcher Dinge gefunden hat. Am Julfeste dagegen wurde vorzüglich das vom Freyr besonders geliebte Thier, der Eber, geopfert. Oft wurde es schon im Frühjahr ausgewählt und durch den Rest des Jahres gemästet, um dem milden Gotte Freude zu bereiten. Der Wagen dieser friedlichen und frohen Gottheit sollte in der Meinung unserer Vorfahren von einem goldborstigen Eber, Gullinbursti, gezogen worden sein, und daher stammt auch die Sitte, die weißen Borsten des Opferthieres zu vergolden. In Skandinavien wurde das Opfer am Julabend vom Könige vollbracht, und sobald der Eber in den Saal hinein getragen worden, legten die Lehnsmänner ihre Hände auf die Rückenborsten des Thieres und schwuren von Neuem dem Könige Treue.

Aber es waren nicht blos Thiere und Früchte die Gegenstände des Opfers – der Germane übte auch, und sogar in bedeutendem Umfange, das Menschenopfer – nicht nur nach siegreichen Schlachten oder zur Versöhnung der Götter in einzelnen Fällen, sondern in regelmäßiger Wiederkehr bei den Jahresfesten, namentlich dem Julfest. Wird uns doch von einem Julfest auf Seeland berichtet, bei dem alle neun Jahre neunundneunzig Menschen, neunundneunzig Pferde, Hunde und Hähne geopfert wurden!

Nach dem Opfer fand das wie bei fast allen Völkern so auch bei den Germanen übliche Mahl statt, bei dem das Pferdefleisch gleichfalls eine Rolle spielte.

Während des Mahles wanderte das Trinkhorn, mit Meth gefüllt, im Kreise, doch nicht, ohne daß den Göttern in Gestalt von Libationen ihr Antheil geworden wäre. Mit einem Trinkgelage von germanischen Dimensionen schloß dann das Fest.

Um die nämliche Zeit aber, wo einst in den germanischen Wäldern die Opferfeuer leuchteten und wilde Krieger ihren Göttern blutige Opfer brachten – um diese Zeit war es, daß im fernen Morgenlande in stiller, weihevoller Nacht ein Stern sein mildes Licht auf die Hütte eines Hirten niedersandte, auf die Hütte, in welcher zu dieser Stunde der Verkündiger der christlichen Glaubenslehre geboren wurde, mit der für die Völker der Erde eine neue Culturepoche begann.

In ihr wurde bald der Glaube an alte heidnische Götter durch die christliche Lehre verdrängt, und ihre Tempel und Opferaltäre wurden durch das Kreuz ersetzt. Nur in den Volksbräuchen finden wir noch heute Ueberreste der heidnischen Sitte, die sich von Geschlecht zu Geschlecht in verkümmerter Form erhalten hat. So wird noch heute im hohen Norden der „Juleber“, eine Art Gebäck, um die Weihnachtszeit bereitet, und noch vor zweihundert Jahren wurde am Rhein in manchen Dörfern das Opferschwein gemeinschaftlich aufgefüttert, und z. B in Herkenrath bei Bensberg noch vor kurzer Zeit Schweinefleisch am Antoniustage auf dem Altare geopfert. Diese und andere Gebräuche, wie auch die „Julklappe“, welche schwache Anklänge an das altnordisches Fest bilden (vergl. „Gartenlaube“, Jahrg. 1854, Nr. 50), verschwinden immer mehr, während die Sitte des glänzenden Weihnachtsbaumes und der Kinderbescherung im deutschen Volke feste Wurzeln gefaßt hat.

Dorette Rickmann.
Eine Stralsunder Geschichte von 1786.
Von C. v. Sydow.
(Schluß.)

Seit einem Monat ist der Oheim Rickmann gestorben. Dorette, die wilde, schnippische Dorette, ist heute ein stilles, in sich gekehrtes Mädchen; sie hält sich jetzt beim Bürgermeister Seiler auf und wird für die Folgezeit zu Frau Consul Gerhard gehen, welche ja schon ein altes Interesse für das nun verwaiste Mädchen hegt.

Dies Alles giebt dem jungen Organisten viel zu denken, als er über den Rubenow-Platz schreitet. Er ist an der Kirche angelangt und will die schwere Thür öffnen, als ihn der kleine Schwestersohn seiner Braut, welcher ihm schon eine Strecke weit gefolgt ist, einholt.

„Muhme Frederick läßt Sie bitten, Sie möchten doch mal zu ihr kommen,“ sagt er und zieht sehr ehrerbietig seine Mütze.

Ein ungeduldiger Seufzer und ein finsteres Stirnrunzeln sind die nächste Antwort: „Ich komme, Kind.“

Als er nach zehn Minuten das Haus betritt, kommt ihm seine künftige Schwägerin, Frau Romus, schon entgegen.

„Sie ist heute viel kränker; sie will mit Ihnen allein sprechen,“ sagt sie und tritt mit einer halb sorgenvollen, halb beleidigten Miene in den Hof hinaus, während Johannes zu seiner Braut hinein geht.

Diese richtet sich nicht mehr, wie in den früheren Tagen, mühsam auf, um ihn zu begrüßen; sie winkt nur mit den Augen und sagt mit leiser Stimme:

„Setzen Sie sich hier dicht heran, Strohmeyer!“

Er sieht ihr prüfend in’s Gesicht; dann faßt er hastig ihre Hand, als wolle er gewisse Gedanken dadurch ersticken.

„Sie haben heute viel zu thun; verzeihen Sie, daß ich Sie rufen ließ – nicht wartete, bis Sie kämen,“ spricht sie in Absätzen weiter; „aber – es hätte – zu spät sein können.“

„Wirklich?“ fragt Johannes mit einiger Hast.

„Ja, Sie haben es – wohl auch geahnt – daß es zu Ende geht. Haben Sie – den Doctor nicht – gefragt?“

„Nein, ich scheute mich,“ erwidert Johannes beklommen.

Die Frau deutet das auf ihre Weise:

„Ich danke Ihnen, Strohmeyer, daß Sie mich – ein wenig lieb gewonnen haben.“ Dann macht sie eine längere Pause, ehe sie fortfährt: „Ich war recht glücklich mit Caspar, aber Sie sind mir in diesen – paar Monaten – auch lieb geworden. Ich hätte gewünscht, dies“ ... sie deutet auf ihren schwindsüchtigen Hals, in welchem für sie der Tod sitzt, „wäre erst – nach – der Hochzeit gekommen. Vor Allem Frieda’s wegen. Es – ist besser, ein Mädchen hat einen tüchtigen – Stiefvater, als – einen verkehrten Vormund. Ich traue Romus nicht; er hat sein eigen Hab und Gut fast verspeculirt – er kann es bei seinem Mün – del ebenso – machen; die Obervormundschaft ist nicht immer sehr wachsam; ach! was Caspar so mühsam gespart hat! Ich – bin so – heiser – verstehen Sie noch?“

„Ja, Therese ... aber ruhen Sie sich erst aus!“

„So – kommen Sie näher! Ich sage Ihnen das auch, damit Sie mich – nicht verkennen – und nicht meinen, ich hätte Caspar – nicht – betrauert – wie sich’s gebührt; darum war mir so viel daran gelegen, Ihre Hand zu gewinnen – ich – hat – te viel Gutes von – Ihnen vernommen, sehen Sie! – Ach – sehen Sie – wenn Sie – sie adoptiren könnten – viel Vertrauen“ – und ihre Augen leuchten voll auf sein Gesicht, das in unerklärlichem Ausdrucke über ihre Kissen gebeugt ist; – „wenn das wäre, hätten Sie Alles in Händen – Aber Romus läßt es nicht – zu – sprach – schon mit – ihm –“

Johannes antwortet mit starker Stimme:

„Ich meine; ich bin vor den Gesetzen zu jung, um sie adoptiren zu können, aber Rath und Wohlwollen sollen Ihrer Tochter nie von meiner Seite fehlen.“

Dann setzt er noch hinzu, und seine Augen blicken finster: „Lassen Sie sich das Geld nicht so bekümmern, Frau Therese, wenn Ihre Tochter, sonst – glücklich wird! – Für ein Mädchen braucht’s noch weniger des Geldes, als für einen Mann.“

„Ach, ja,“ seufzt die Frau, „aber man – will – doch – auch nicht, daß das schöne Geld – so un – tergeht – auch in Ansehung Ihrer"! – Ihnen – entgeht es nun auch – Ihnen hätte – ich’s auch gar – wohl – gegönnt.“

Johannes lächelt gezwungen, und eine dunkle Röthe steigt ihm bis hoch in die Schläfen.

„Wer weiß, ob mir das Geld Gutes gebrächt hätte!“

„Es hat nicht sein sollen,“ entgegnet die Frau sanft. „Strohmeyer – holen Sie die – Bibel – und lesen Sie mir – einen Abschnitt vor – hernach – will – ich – schlafen – mir ist etwas besser.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 858. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_858.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)