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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

begünstigten. Kam doch in Königsberg sogar der Fall vor, daß ein Beamter seine Haushälterin dazu vermocht hatte, sich versichern zu lassen, und daß er sie dann vergiftete, um die Versicherungssumme zu erheben. Dort führte die Energie der Volksstimme zur Wiederausgrabung der Leiche, zur Enthüllung des falschen Todtenscheins und zur Verurtheilung des Mörders.

Die Leipziger Anstalt hatte berechnet, daß in der Königsberger Agentur allein von 1836 bis 1839 zwölf Personen mehr gestorben und 32,700 Thaler mehr für Todesfälle verausgabt worden waren, als bei ordnungsgemäßen Versicherungen möglich sein durfte. Dieselben bitteren Erfahrungen machten die Gothaer Bank und die englischen Gesellschaften. Olearius reiste im Herbst 1839 zur Untersuchung dieser Mißverhältnisse nach Königsberg und traf dort einen Dr. Swaine aus London mit demselben Auftrag. Die Anwesenheit der Beiden erschreckte die verbrecherischen Speculanten nicht wenig, und die Bestellung eines bestimmten Vertrauensarztes, einiger besonderen Vertrauenspersonen zur Berathung in zweifelhaften Fällen und strengere Wahrung des Gesellschaftsinteresses von Seiten der Agenten genügten, um dem Uebel für die Zukunft Einhalt zu thun.

(Schluß folgt.)




 Niágara.
 Von Friedrich Bodenstedt.

Trüb war der Himmel, als ich zuerst dich sah
In deiner wilden Größe, Niágara.
Wie fernes Donnern schlug mir dein Schall in’s Ohr,
Als mein Blick sich im Suchen nach dir verlor
Im flachen, verödeten Wintergefilde,
Verdüstert durch bleierne Wolkengebilde …
Doch näher und näher stets hört’ ich es schallen,
Wie wenn Wasserberge an Felsen zerprallen,
Im unendlichen Meer vom Orkane gehoben.
Mit unsichtbaren Händen geschleudert nach oben.

Da plötzlich erhebt sich vor mir ein Geflimmer
Von versprühendem Schaum, der in eigenem Schimmer
Aus der Tiefe aufsteigt und ein Wolkengewimmel
Erzeugt, weit glänzender noch als das am Himmel.
Und ich folge dem Glanz, und jählings thut
Sich ein Abgrund auf voll demantener Gluth,
Wo die mächtig stürzenden Wasser von oben
Tiefunten zerstieben mit donnerndem Toben.
Da wühlt es und bäumt sich und wirbelt und gährt
In verwirrender Wuth, doch lieblich verklärt
Durch verschleiernd Gewölk aus versprühendem Schaum,
Das sich schimmernd erhebt, leicht schwebend wie Flaum.

Nun, als trüg’ er dem Glanze der Tiefe Neid,
Zerreißt auch der Himmel sein Wolkenkleid,
Und die Sonne gießt ihre ganze Gluth
Hinab in die tosende Wasserfluth,
Um in schwindenden Bildern noch Schön’res zu zeigen,
Als an ewigem Glanze ihr selber zu eigen.

Die Sturzfluthen trinken den sonnigen Glanz
Und strahlen ihn wieder, gesättigt ganz.
Und wie Künstler mit gottverlieh’nen Gewalten
Aus sich selbst die erhabensten Bilder gestalten,
So scheint nun in des Niágara Borden
Jede Welle, jeder Tropfen zum Künstler geworden,
Und Schöneres kommt durch sie an den Tag,
Als menschliches Schaffen zu bilden vermag.
Die Wogen glühen, von Schönheit trunken,
Aus den Schaumkronen springen blitzende Funken;
Es leuchtet in allen Formen und Farben.
Hier erheben sich schimmernde Strahlengarben;
Dort, über die Irisinsel gezogen,
Schwebt hoch ein durchsichtiger Regenbogen,
Und darunter die Felswand stemmt auf den Wegen
Des gewaltigen Stroms sich ihm breit entgegen,
Daß die Wasser getheilt das Eiland umwinden,
Bis sie unten sich wieder zusammenfinden
Nach tiefem Sprung von getrenntem Hang
In donnerndem Triumphgesang.

Nie erschien mir ein Strombild an Wundern so reich,
So stürmisch im Wechsel, doch immer sich gleich
In bezaubernder Macht urgewaltigen Seins
Und hehrer Gebilde des Schalles und Scheins.

Trüb war der Himmel, als ich zuerst dich sah
In deiner wilden Größe, Niágara,
Und die Sonne war schon im Untergehn,
Als ich kam, dich zum letzten Male zu sehn.
Und du hießest mich, selbst tief hinunterzusteigen,
Um dich mir in voller Größe zu zeigen
Im tiefen, gewundenen Felsenbette.
Dich umragt keine schimmernde Bergeskette;
Deine Ufer sind flach und öde ganz,
Doch du brauchst keines prangenden Rahmens Glanz:
Deine eigene Gluth, deiner Wellen Klang
Wird mir leuchten und klingen mein Lebenlang.




Elephantenleben in der Wildniß.


Als Alexander der Große auf seinem Siegeszuge gegen Indien vordrang, führten die Völker des Südens gegen die griechischen Phalangen riesige Ungeheuer in’s Feld, die auf ihren Rücken Thürme trugen und mit ihren schweren Füßen die Reihen erzgepanzerter Krieger wie Strohhalme niederstampften. Wohl kannten schon damals die Griechen das kostbare Elfenbein und hatten früher von den merkwürdig gestalteten Rüsselthieren gehört, aber erst in der Schlacht von Arbela, wo Darius gegen Alexander fünfzehn Elephanten verwendete, machten sie mit ihnen zum ersten Male nähere Bekanntschaft. Die Barbaren wurden geschlagen, und das griechische Heer erbeutete die feindlichen Kriegselephanten, nach welchen Aristoteles, der gelehrte Begleiter des große Macedoniers, für die europäischen Völker die erste naturgetreue Beschreibung dieses Thieres lieferte. Später spielten in den Kämpfen, welche Rom um die Weltherrschaft mit den Völkern Afrikas und Asiens führte, die Elephanten eine wichtige Rolle, bis die Tapferkeit der Legionen und die Kriegskunst der Consuln über das Erdenrund den endlichen Sieg davontrugen. Von nun an mußten diese klugen Thiere nicht auf Schlachtfeldern, sondern auf dem Sande des römischen Circus mit den Tigern der Wüste auf Leben und Tod kämpfen oder zur Belustigung des Volkes allerlei komische Kunststücke verrichten. So wurden die Europäer mit gezähmten Elephanten wohlvertraut, und noch heute sind diese Dickhäuter in den zoologischen Gärten größerer Städte bevorzugte Lieblinge der Menge.

Wiewohl man aber täglich die Gelegenheit hatte, das kluge Benehmen und die Gutmüthigkeit der Thiere zu beobachten, wurden dennoch über ihre Lebensgewohnheiten in der Wildniß vielfache irrthümliche Vorstellungen im Volke verbreitet, bis zuletzt in diesem Jahrhundert gelehrte Reisende durch glaubwürdige Berichte und fesselnde Beschreibungen einer neuen wahrheitsgemäßen Anschauung zum Siege verhalfen.

Alle Elephanten, sowohl die afrikanischen wie die ostindischen, deren naturgeschichtliche Merkmale unseren Lesern aus den früheren Jahrgängen der „Gartenlaube“ bekannt sind, leben in Heerden oder Familien, welche unter sich geschlossene Verbände bilden. Die Kopfzahl einer solchen Familie schwankt zwischen zehn bis über fünfhundert. Kirk behauptet sogar, am Sambese einer Heerde von achthundert Stück begegnet zu sein, welche einen über eine englische Meile langen Zug auf ihrem Marsche bildete. In diese natürlichen Verbände werden Thiere aus einer fremden Familie niemals aufgenommen, und Elephanten, welche durch irgend einen Zufall von ihrer Heerde getrennt wurden, müssen ein förmliches Einsiedlerleben führen.

Freilich suchen sie, dem angeborenen Gesellschaftstriebe folgend, sich den Heerden, denen sie begegnen, anzuschließen, aber stets werden sie auf wenig zuvorkommende Weise aus denselben ausgestoßen und weiden dann allein in einer respectablen Entfernung von der Familie. Dieses einsame Leben übt auf ihren Charakter einen merklichen Einfluß. Während die Elephanten im allgemeinen sich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_016.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2022)