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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

ehrenvollen Rufe, als Gesetzgeber in die Bundeslegislatur einzutreten, Gehör geben sollte. Schließlich entschied er sich jedoch für das Letztere, erfüllte aber seine militärischen Pflichten bis zum December 1863, wo er seinen Sitz im Repräsentantenhause zu Washington City einnahm, den er durch die Wahl seiner Mitbürger bis auf diesen Augenblick mit Ehren behauptete. Garfield zählt eben zu den von Gott begnadeten Menschen, die, ohne sich vorzudrängen, überall, wo sie erscheinen und thätig eingreifen, sich Liebe, Achtung und Ansehen zu erwerben verstehen. So geschah es auch im Congreß. Er wurde bald in die wichtigsten Ausschüsse gewählt und vertheidigte als Redner seine Ansichten im Plenum in so sachlicher Weise und mit solcher logischen Schärfe, daß er sehr bald zu den wirksamsten Congreßrednern gehörte. Fast bei jeder Debatte von Bedeutung fand seine Meinung Gehör und achtungsvolle Berücksichtigung. Das Gesetz, welches ein nationales Erziehungsbureau in’s Leben rief, wurde von ihm in Vorschlag gebracht und durchgesetzt. Seine Reden über die in alle staatlichen und socialen Verhältnisse so tief eingreifende Finanzfrage gewannen ihm den Ruf eines der gründlichsten Kenner der finanziellen Zustände der Union. Die von ihm im Jahre 1868 gehaltene Rede über Silber- und Papiergeld fand auch ihren Weg nach Europa und trug nicht wenig dazu bei, den Nationalcredit der Vereinigten Staaten diesseits des Atlantischen Oceans zu stärken und aufrecht zu erhalten. In England wurde diese Rede so beifällig begrüßt, daß der bekannte Cobden-Club den Beschluß faßte, Garfield ihretwegen zum Ehrenmitglied zu ernennen, eine Auszeichnung, die bis dahin nur wenigen amerikanischen Congreßleuten, z. B. dem verstorbenen Bundessenator Charles Sumner, zu Theil geworden ist. In fast allen wesentlichen Fragen ist Garfield ein warmer Unterstützer der Reformpolitik des Präsidenten Rutherford B. Hayes gewesen. Als James G. Blaine, Vertreter des Staates Maine im Congresse, im Jahre 1877 in den Senat gewählt wurde, übernahm Garfield auf einstimmigen Wunsch seiner Parteigenossen die Führerschaft derselben im Repräsentantenhause, und im Januar 1880 wurde er von der Legislatur des Staates Ohio an Stelle des Demokraten Allen G. Thurman zum Mitglied des Bundessenats gewählt, in den er am 4. März 1881 eingetreten sein würde, wenn er nicht in der letzten Präsidentenwahl zum Oberhaupt der Vereinigten Staaten berufen worden wäre. Auf die Geschichte seiner Nomination zum Bannerträger der republikanischen Partei in dem vorjährigen Präsidentenwahlkampfe hier näher einzugehen, ersparen wir uns, weil wir darüber bereits in einer früheren Nummer dieses Blattes (Nr. 30 von 1880) berichteten.

Garfield verfügt über eine so außerordentliche Arbeitskraft, daß er neben seiner Thätigkeit als Gesetzgeber und Lehrer auch noch Zeit fand, seinen juristischen Studien mit Erfolg obzuliegen. Im Jahre 1861 wurde er von dem Obergerichte des Staates Ohio zur Rechtspraxis zugelassen, und fünf Jahre später erwarb er die Berechtigung, auch vor dem höchsten Gerichtshöfe der Vereinigten Staaten zu prakticiren. Er hat bei verschiedenen Gelegenheiten eine anerkennenswerthe Unabhängigkeit seiner Ueberzeugung an den Tag gelegt, und als Congreßrepräsentant und Rechtsanwalt Maßregeln, die er für recht erkannte, unterstützt, selbst wenn dieselben sich nicht der Billigung der Majorität seiner Parteigenossen erfreuten. Auch auf literarischem Gebiete hat er sich mit Glück versucht. Unter seinen Schriften verdienen besonders die Essays über den „Amerikanischen Census“, über „College-Erziehung“ und die „Zukunft der Republik“ hervorgehoben zu werden. Eine Reise, die er im Jahre 1867 nach Europa unternahm, hat nur dazu beigetragen, seinen geistigen Blick zu erweitern. Er ist wohlbewandert in der englischen, deutschen und französischen Literatur, und seine Vorliebe für das Deutschthum hat er wiederholt in Wort und That bekundet, so z. B. in der trefflichen, von einem tiefen Geschichtsstudium zeugenden Rede, die er am 17. Februar 1880 im Repräsentantenhause zu Washington City zu Ehren des verstorbenen deutsch-amerikanischen Abgeordneten Schleicher von Texas hielt.

Nicht weniger aber leuchtet seine Anerkennung deutschen Wesens und deutscher Culturarbeit auch aus den Worten hervor, die er am 18. Oktober 1880 an eine große Anzahl deutscher Bürger aus Cleveland richtete, die ihm eine Ovation darbrachten. Er sagte unter Anderem:

„Sie sind die Vertreter alter und beachtenswerther Ueberlieferungen Ihres alten Heimathslandes, und ich weiß, Ihre Herzen schlugen höher bei der Kunde eines Ereignisses, das erst vor wenigen Tagen an Ihrem schönen Rheinstrome stattgefunden hat, als der gewaltige Kölner Dom, an dem 630 Jahre lang gebaut worden, vollendet und dem Frieden geweiht wurde. Dieser Dom hat Herrschergeschlechter, alle Wandelungen auf religiösem Gebiete, jeden Wechsel in der Herrschaft und unzählige Kriege überdauert, um schließlich vom Kaiser Wilhelm dem Frieden und den ruhmreichen Erinnerungen des deutschen Volkes geweiht zu werden. Es ist für Sie unzweifelhaft eine wundervolle Sache, daran Theil zu haben aber, Mitbürger, ich vertraue, daß Sie in dieses Land gekommen sind, um auch uns an dem Aufbau eines großartigen Tempels zu helfen, nicht eines gothischen Bauwerkes, das aus dem Gestein von den Ufern des Rheines aufgeschichtet wird, sondern eines Bauwerkes, das aufgerichtet wird aus den Herzen und dem Leben, dem Streben und Hoffen Aller, die in diese Republik gekommen sind, um sie zu ihrer Heimath zu machen und hier Einrichtungen auszubauen, die nicht, ich vertraue darauf, in 600 Jahren von heute an ihr Ende erreicht haben werden, sondern in ihrer großartigen Anlage immer weiter in die Hohe streben werden, deren Grundlagen sich immer mehr vertiefen, deren Dom stets in die Höhe wachsen und für Alte offen stehen wird, die in dieses Land kommen, um Amerikaner zu sein und ihre Geschicke mit den unserigen zu verflechten. Zu allen diesen Leuten spricht der Genius Amerikas mit den Worten eines deutschen Dichters – ich meine Novalis:

,Gieb treulich mir die Hände,
Sei Bruder mir und wende
Den Blick vor deinem Ende
Nicht wieder weg von mir!
Ein Tempel, wo wir knieen.
Ein Ort, wohin wir ziehen,
Ein Glück, für das wir glühen.
Ein Himmel mir und dir!“’

Es dürfte bekannt sein, daß Garfield in den letzten Jahren außer seinen politischen und geschichtlichen Studien sich sehr viel mit nationalökonomischen Arbeiten beschäftigte, aber weniger bekannt ist es wohl, daß er sich zu Zeiten eifrig mit den alten Classikern zu thun machte. Eines Tages besuchte ihn ein Freund in seiner Wohnung zu Washington City und fand ihn unter lateinischen Büchern vergraben. Auf die Frage, was denn dies zu bedeuten habe, erwiderte Garfield: „Ich fühle mich durch die beständigen politischen Tagesfragen und Kämpfe so ermüdet und überarbeitet, daß ich eine Erholung haben mußte, und da habe ich mir aus unserer Congreßbibliothek alle Bücher zusammengesucht, die über den Horaz handeln. Ich lese die Gedichte des alten Römers, komme dadurch auf andere Gedanken und habe Erholung und geistigen Gewinn zugleich.“

Während des Präsidentenwahlkampfes wurde Garfield von den Demokraten gar häufig der Vorwurf gemacht, daß er sich in unsauberer Weise mit dem amerikanischen Credit Mobilier eingelassen habe. Dies wurde zwar von republikanischer Seite gründlich widerlegt, aber auch verschiedene Aussprüche seiner erbittertsten politischen Gegner sprechen für die Reinheit seines Charakters. So erklärte z. B. der Exgouverneur Hendricks von Indiana, einer der hervorragendsten und talentvollsten Führer der demokratischen Partei, einmal mehreren seiner Gesinnungsgenossen kurz vor dem letzten Präsidentenwahlkampfe: „Ich will Ihnen sagen, wen meiner Ansicht nach die Republikaner für das Präsidentenamt nominiren sollten und wen ich als ihren stärksten Mann betrachte. Er ist ein echter Mann, ein Mann von Grundsätzen, ein ehrlicher Mann und würde einen guten Präsidenten für uns Alle abgeben. Persönlich halte ich ihn für den besten Mann, der für das Präsidentenamt ernannt werden könnte. Ich meine James A. Garfield von Ohio.“

Aehnlich äußerte sich auch Henry Watterson aus Kentucky, bekannt als Politiker, Redner und Journalist, über Garfield, indem er sagte: „Garfield würde nicht im Stande sein, eine unehrliche Handlung zu begehen.“

Solchen Zeugnissen über Garfield’s reinen Charakter schließen sich die Aussprüche anderer bedeutender Demokraten an, z. B. des Senators Thurman, des Congreßrepräsentanten Payne (Ohio), des früheren Vicepräsidenten der südlichen Conföderation, Alexander Stephens und des Richters Black von Kentucky, des Busenfreundes Hancock’s.

In den letzten Jahren pflegte Garfield zur Zeit der Congreßsitzungen

mit seiner Familie in einem ihm gehörigen Hause

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_102.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)