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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

durch geschmackvolle Zubereitung und den Ueberfluß aus. Statt unverschämter oder zudringlicher Kellner fand man hier eine bescheidene weibliche Bedienung, an deren Spitze die gute Bernarda, eine Verwandte der Scholastica, und die stille, blonde Agnes stand. Nie bemerkte man an ihrem Tisch jene schäbige Knauserei moderner Hotelwirthe, jene mikroskopischen Schnitzel, papierdünnen Fleischschnitte und zerkleinerten Mehlspeisen, von den mißgünstigen Augen der Kellner bewacht; nie wurde die herumgereichte Schüssel dem hungrigen Gaste mit affenmäßiger Geschwindigkeit entzogen, sondern zwei- und dreimal angeboten. Je besser es den Leuten schmeckte, desto heller strahlte das Gesicht der guten Wirthin.

Sie selbst stammte aus einer angesehenen Familie in Achenkirchen; ihr Vater war der geachtete Arzt Joseph Hechmayr und ihre Mutter – Frau Benedicta – eine Schwester des bekannten Anton Aschbacher, der mit dem berühmten Speckbacher sich zur Vertheidigung Tirols erhob und sich im Kampf gegen die Franzosen auszeichnete. Von ihrer gleichnamigen Tante erbte Scholastica das Gasthaus am Achensee, das sie bis zum Jahre 1863 allein verwaltete. Nach ihrer Verheirathung mit dem wackeren Johann Meßner wuchs der Fremdenzufluß so überraschend an, daß die alten Räume nicht mehr ausreichten. In kurzer Zeit erhob sich um das alte, bescheidene Gasthaus eine förmliche Colonie von neuen Häusern im geschmackvollen Schweizerstil; es wuchs zu einem ganzen Dörfchen mit einer eigenen Kirche an, welche das glückliche Ehepaar auf seine Kosten erbauen ließ.

Im Laufe der Jahre verbreitete sich der Ruf der Scholastica immer weiter; aus ganz Deutschland strömten Touristen und Sommergäste herbei, von der Schönheit des Sees, der herrlichen Gegend und der ausgezeichneten Bewirthung angezogen. In dem dreibändigen Album des Hauses findet man die ersten und besten Namen der Welt eingezeichnet, so am 17. Juli 1859 den verstorbenen König Max von Baiern mit seinem geistigen Hofstaate, Dr. von Kobell, Friedrich von Bodenstedt, und Riehl; unter anderen Notabilitäten, welche das Album aufweist, mögen hier genannt werden: Herzog Ernst von Coburg-Gotha, Prinz Friedrich Karl von Preußen und Fürst Eduard von Leiningen. Von Schriftstellern und Dichtern trifft man Namen an, wie: Paul Heyse, Adolf Pichler, Widmann etc., von Gelehrten dem berühmten Chemiker Liebig mit seinem Schwiegersohne Moritz Carriere, von Schauspielern La Roche und der genialen Sophie Schröder mit ihren beiden Töchtern, von Künstlern den Malern Hasemann, Wilhelm Scholz, Krauskopf, Rosenthal und Paul Meyerheim, welche das Album mit sinnigen oder humoristischen Zeichnungen und Aquarellen schmückten.

Auf allen Seiten aber findet man das Lob der guten Scholastica in Poesie und Prosa in den verschiedensten Sprachen, deutsch, französisch und englisch, selbst im Sanskrit und Arabischen verkündigt. So singt der bekannte poetische Tourist Heinrich Noë aus München:

„Es nährt und pflegt dich auf’s allerbest’
Scholastica, der Wirthinnen Krone,
Am Guten, was sich nur ersinnen läßt,
Das werde der Guten zum Lohne!“

Ein anderer Dichter läßt sich folgendermaßen vernehmen:

„Der Kneipen giebt es viel auf ,Au’,
So Murnau, Buchau, Pertisau.
Doch lieber ist mir die auf ,A’,
Des Achensee’s Scholastica.“

In lateinischen Strophen feiert ein fahrender Schüler nach Scheffel’s Weise den Achensee und dessen Wirthin:

Laus tibi lacus,
Laus tibi locus,
Laus tibi tabernaculum,
Laus tibi plenum poculum.
Vivat jocosa Scholastica! et caet
.“

In freier Uebersetzung:

„Gepriesen sei der See,
Gepriesen sei der Strand,
Wo ich ein gastlich Haus
Und volle Becher fand!
Hoch lebe Frau Scholastica! etc.“

Unter der großen Menge von Lobgedichten ist mir nur eine tadelnde Stimme aufgefallen, die sich jedoch mit Unrecht über die häufige Wiederkehr des „Kälbernen“ an der Wirthstafel gleich in drei verschiedenen Sprachen beschwert:

Deutsch.

„Für Kälbernes heiß,
Für Kälbernes kalt,
Für Kälbernes jung,
Für Kälbernes alt.
Für Kälbernes zart,
Oder zum Beißen schwer,
Hab’ Dank, Scholastica!
Ich mag keines – mehr.“

Englisch.

For veal hot,
For veal cold,
For veal young,
For veal old,
For veal tender,
For veal tough,
Thanks, thanks, Scholastica!
We had – enough
.“

Französisch.

Pour du veau chaud,
Pour du veau froid,
Pour du veau vieux,
Dur comme bois,
Pour du veau tendre,
Ou à moitié crû,
Merci, Scholastica!
Je n’en veux – plus
.“

Max Ring.





Fahrende Musikanten im Dorfwirthshaus. (Mit Abbildung S. 101.) Von allem fahrenden Volke, das einst in großer Zahl bunten Wechsel in das öffentliche Leben brachte, sind die Jünger der Tonkunst die ersten gewesen, welche eine bevorzugte Stellung einnahmen, und sie scheinen auch am längsten sich der allgemeinen Gunst zu erfreuen. „Fahrende Sänger“ waren jene ersten Tonkünstler, die ihre Gesänge von Burg zu Burg, von Schloß zu Schloß trugen, und die Harfe war ihre stete Begleiterin. Ihnen gesellten sich, in Folge der Völkerwanderung, von Welschland her allerlei „fahrende Leute“ zu, u. A. römische Fechter und Tänzerinnen. Jeder neue Krieg förderte neue Schaaren Heimathloser mit den verschiedenartigsten Erwerbsweisen an’s Tageslicht, sodaß namentlich zur Zeit des blühendsten Wohlstandes der Deutschen, von der Reformation bis zum Dreißigjährigen Krieg, außer den fahrenden Sängern und Spielleuten, Possenreißer aller Art, Quacksalber, Taschenspieler, Raritätenkrämer, Schauspieler und nach den Kreuzzügen auch fahrende Priester und Flagellanten, aber auch fahrende Nonnen und Schüler von Ort zu Ort wanderten. Nach jedem Krieg gab es auch wieder arbeitslose Landsknechte. Endlich vermehrten die Zigeuner diese fahrenden Horden, bis nach dem Dreißigjährigen Krieg abermals Welschland uns das schlimmste Gesindel, Schatzgräber, Geisterbanner, Goldmacher und Wunderdoktoren, in’s Land brachte, deren Nachtrab, die Kameel-, Affen- und Bärenführer, noch die harmloseste Zugabe war. Wer sie alle recht genau kennen lernen will, muß Holtei’s „Vagabonden“ lesen.

Die neuere Zeit hat stark mit ihnen aufgeräumt; es ist fast nichts übrig geblieben, als was zum nothwendigen Ausputz unserer Messen, Jahrmärkte, Vogelschießen und dergleichen Volksfeste gehört: die wandernden Kunstreiter, Seiltänzer, Taschenspieler, Menagerien, Affentheater etc., die Tonkunst aber vertreten, unerschrocken der strengen Polizei gegenüber, noch immer Harfenmädchen und Musikanten.

Von letzteren stellt unsere Illustration uns ein Quartett im Dorfwirthshause vor. Glücklicher hätte der Künstler die geheimnißvolle Macht der Musik nicht zur Anschauung bringen können; es ist vom Orpheus bis zum Rattenfänger von Hameln und bis zur Gegenwart dieselbe Zaubergewalt, welche durch die Töne die Gemüther der Unschuldigen fesselt. Wie glücklich ist die Kinderschaar, welche den Musikanten von der Straße herein nachstürmte! Wie drängen die Hintersten noch herein, und wie lauschen sie und gucken scheu und neugierig die fremden Männer und ihre Instrumente an! Aber die Kinder sind es nicht allein, auch die Aelteren freuen sich; und wenn erst die tanzfähige Jugend herbeikommt, dann können wir’s erleben, daß die Kinder in die Winkel geschoben werden und die Lustbarkeit in alle Beine fährt. Das ist das uralte Privilegium, das dem Musikanten unveräußerlich bleibt: Volkslust ist ohne Musik nicht denkbar, und wo der heimische Musikant fehlt, wird der fahrende immer ein willkommener Gast sein.



Zum hundertjährigen Geburtstage Friedrich Fröbel’s. Am 21. April soll in Blankenburg in Thüringen, da, wo er seiner Zeit den ersten Kindergarten gegründet hat, dem verdienstvollen Pädagogen ein Denkmal errichtet werden. Mit der Schöpfung der Kindergarten hat Fröbel nicht allein Principien einer naturgemäßen Erziehungsweise für die erste Kindheit aufgestellt und demgemäß das System Pestalozzi’s ergänzt, sondern er hat auch damit die Frau auf ihren wahren Berufskreis hingewiesen und ihre Thätigkeit zu einem Factor im öffentlichen Leben gemacht. Alle diejenigen, die sich für diese Bestrebungen interessiren, haben Gelegenheit, sich an dem Werke der Liebe, das man Fröbel darbringen will, zu betheiligen. Beiträge zur Errichtung des Denkmals nehmen Herr Rentamtmann Kiesewetter in Blankenburg (Thüringen) und das Vorstandsmitglied des allgemeinen deutschen Fröbel-Vereins, Fräulein Angelika Hartmann, Seminarvorsteherin, Leipzig, Thalstraße 29, entgegen.





Vermißte! Wir theilen, außer der Reihenfolge unserer Verschollenenliste, die demnächst fortgesetzt werden wird, als besonders dringlich die nachstehenden Aufrufe mit:

Richard Gustav Vincenz aus Dresden, ein Klempnergeselle, der vor zwei Jahren auf die Wanderschaft ging und in Warnsdorf in Böhmen Ende November und Anfang December des vorigen Jahres sich seine wunden Füße heilen ließ, hat seitdem nichts mehr von sich hören lassen. Jetzt, wo sein Vater lebensgefährlich erkrankt ist, bittet seine Familie den Sohn, heimzukehren oder Nachricht von sich zu geben.

Wilhelm Holz, ein Zimmermann und tüchtiger Arbeiter, ging von Greifswald 1870 nach Hamburg in Arbeit; als dort der Strike ausbrach, schiffte er sich nach Australien ein, schrieb schon um Weihnachten aus Queensland den Seinen und bat um sofortige Antwort, weil er beabsichtige weiter zu reisen. Die Antwort muß ihn nicht mehr erreicht haben; denn seitdem, seit nun zehn Jahren, hat er kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben. Sein Vater ist vor zwei Jahren, voll quälender Sehnsucht nach dem Sohn, gestorben; die alte Mutter aber hat ihre letzte Hoffnung auf die „Gartenlaube“ gesetzt, – möchte ein Trost für sie möglich sein!

Ein „tiefbetrübter Vater“ bittet um Aufsuchung seines einzigen Sohnes: Friedrich Christian Lages, der als Comptoirist am 3. April 1878 aus Wolfenbüttel, seiner Vaterstadt, nach Hamburg reiste, dort einige Tage in einem Gasthofe wohnte und seitdem spurlos verschwunden ist. Er würde jetzt vierundzwanzig Jahre alt sein; untersetzter Statur, mittelgroß, mit dunkelblondem Haar, hat er die Eigenheit, beim Gehen die Füße auffällig hoch zu heben. – Alle Nachforschungen durch die Behörden waren vergeblich; die Ungewißheit über das Schicksal des jungen Mannes lastet schwer auf der Familie.

Von Dresden ist seit dem 3. November 1879 der Handlungs-Commis Oscar Albert Ullrich, damals zwanzig Jahre alt, spurlos verschwunden. Schwächlicher Statur, aber gesunder Gesichtsfarbe, mit dunkelbraunem Haare und blau-grauen Augen, trug er über seinem dunklen Anzuge einen hellbraunen Herbst-Ueberzieher und einen braunen Lodenhut.




Kleiner Briefkasten.


Eine einfache Bauerfrau. Ben Joseph Akiba war ein gelehrter Rabbi, Vorsteher der jüdischen Akademie zu Jabne. Er wurde, 120 Jahre alt, von den Römern getödtet. Zu seinem Grabmale bei Tiberias pilgerten die Juden.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_104.jpg&oldid=- (Version vom 24.6.2023)