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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)


Ackerbau, ja die ganze damalige Volkswirtschaft noch in sehr einfachen Anfängen begriffene zwar nahmen die Germanen manche Vorteile der benachbarten römischen Cultur an, aber das geschah langsam, stückhaft, in unzulänglicher Weise, und Alle zogen es vor, statt mühevolleren Ackerbau als bisher zu treiben, durch Kampf und gewaltsame Ausbreitung neue, breitere, bessere und mehr geschützte Wohnsitze zu gewinnen.

Es waren nicht Schaaren bewaffneter Abenteurer, nicht nur Fürsten mit ihrer Gefolgschaften, nicht blos Heere von Kriegern, sondern wirklich ganze Völker, welche mit Weib und Kind, mit den noch nicht und den nicht mehr waffenfähigen Freien, Freigelassenen, mit Knechten und Mägden, mit deren Heerden – dem wichtigsten Theil des Nationalvermögens – und mit der übrigen Fahrhabe einher gezogen kamen.

Das hat der Künstler, der überhaupt, wie gesagt, eine auf gründlichstem Stadium ruhende Kenntniß germanischer Vorzeit überall bewährt, klar zur Anschauung gebracht.

Wir sehen den Zug der Wagen, welche bei der Rast zu einer Art Lager, „Wagenburg“, in einander geschoben werden; auf diesen Wagen leben während der Wanderung die Weiber mit Handarbeit, zumal Spinnen, beschäftigt, dann die Kinder, die marschunfähigen Greise, Kranke, Wunde; die Wagen waren mit Thierhäuten oder Leinwand, nicht ohne Schmuck bunter Zeichnungen, überspannt und glichen daher beweglichen Zelten; Rinder zogen sie. Die Giebelstangen der Wagen waren bei deren Kreuzung mit Büscheln geschmückt oder liefen in Gestalt von Pferdehäuptern aus und trugen Laub oder auch die Häupter geopferter Rosse.

Die Schafheerden folgen dem langsamen, schwerfälligen Zug, von gewaltigen Hunden umbellt. Die Knechte tragen Waffen, Geräth, Jagdbeute. Halbwüchsige Jünglinge und Mädchen reiten auf den Zugthieren, wenig bekleidet, wie denn die keusche unbefangene Sitte des Naturvolks auch an der geringen Verhüllung der Frau keinen Anstoß nahm. Die junge wehrfreudige Mannschaft tummelt ihre Rosse neben den Zug der Wagen, die Speere im Spiel in die Luft werfend und wieder fangend. Der König aber oder Graf stattlich geschmückt mit dem Adlerhelm, dem Schild, der Brünne, den Armringen, mit dem Kurzschwert und der Streitaxt im Gürtel, reitet voran, sinnend Ziel und Zukunft seines Volkes erwägend. Diese Wanderer, die entlang den hohen Bergen ziehen, mögen die Markomannen sein, die späteren Baiern, einrückend in das Land zwischen Donau und Alpen: denn als Sueben kennzeichnet sie die Haartracht. Auch Langobarden könnten es sein, die über die Alpen nach Italien ziehen.




Feuerliesl.

Erzählung von Karl Weiß.
(Fortsetzung.)
3.

Der Morgen graute eben, ein klarer, kühler Frühlingsmorgen und sein fahler Schimmer blickte in das niedrige Stübchen unter dem Dache des Himmelbauerhofes. Drin schlief und träumte das einzige Kind des Bauers, die Feuerliesl. Was sie träumte? Recht wirres, ungereimtes, wohl auch närrisches Zeug, in das sich alle Menschen und Dinge verwoben, die sie liebte oder haßte. Nur von Einem träumte sie nicht, hatte sie noch nie geträumt. von ihrem Bräutigam, den Bachschneider-Loisl. Weshalb nur gerade von Diesem nicht? Seit Kathrein war sie mit ihm versprochen, und zu Peter und Pauli sollte die Hochzeit sein; der Vater und Veronika sprachen tagsüber oft genug von ihm; sie sah ihn auch häufig – vielleicht ein wenig zu häufig – dennoch verwob sich seine Gestalt niemals in ihre Träume. Sie war überdies dem leidlich hübschen, gutmüthigen Burschen ganz gut und ließ sich seine guttäppische Art, ihr seine Neigung zu bekunden, lachend und nicht ungern gefallen. Warum nur träumte sie nie von ihm? Das beschäftigte sie ernstlich.

Auch jetzt, da der hereinlugende Morgen sie aus dem Schlummer weckte, fragte sie sich: warum nur nicht von ihm? Sie sprang aus dem Bette, wusch und kämmte sich, legte dann eilends die schlichten Alltagskleider an und gedachte dabei unausgesetzt des eben unterbrochenen Traums. Der war auch seltsam genug gewesen. Kein Geringerer als der Gottvater leibhaftig war ihr erschienen – das lohnte doch. Aber vom Bachschneider-Loisl hatte er nicht mit ihr gesprochen; von dem war wieder gar nicht die Rede gewesen.

Sie ging hinunter, um nach den Mägden zu sehen, die schlaftrunken an ihre Morgenarbeit schlichen; auch der alten Veronika, die schon seit einer Stunde im Hause rumorte und schaffte, mußte sie zur Hand sein.

Die Sonne kam über den Bösenbergen herauf, und die Knechte sammelten sich im Hofe um den Bauer, der Jedem sein Geschäft für den Tag anwies. Allmählich zogen sie, die Pfeife im Munde, nach einander mit einem lauten oder stillen, heiteren oder mürrischen „B’hüt Gott, Bauer!“ aus dem Hofe hinaus auf’s Feld, oder in den Wald, oder zur Bösenbachmühle hinab, je nach der erhaltenen Weisung. Nur Einer blieb ruhig zuwartend noch zurück. Er hatte eine Soldatenmütze auf das schwarze Kraushaar gedrückt und hielt, der Einzige, keine Pfeife im Munde.

Jetzt fiel der Blick des Bauers auf ihn. „Ah so, Du wart’st no,“ sagte der Himmelbauer und sog eifrig an seiner Pfeife. „Auf Di hätt’ i bei’m Haarl vergess’n – kannst derweil mit nauf geh’n in’s Pendlwaldl un ’s Kleinholz abräumen helfen. Der rothe Peter ist schon vorauf; sag’ ihm nur, daß i Di nachschick’. – So, jetzt b’hüt Gott!“

„B’hüt Gott!“ erwiderte der jüngste Knecht des Himmelbauerhofes, machte militärisch Kehrt und schritt zum Thore hinaus. Der Himmelbauer sah ihm nach. Da kam seine Tochter aus dem Hause und wollte zur Milchkammer hinüber.

„Wer ist denn Der?“ fragte sie den Vater und wies mit dem Kopfe nach dem Hofthore hin, durch das der junge Knecht eben entschwand.

„Kennst’n denn nimmer?“ meinte der Bauer und wandte sich ab, um nach dem Stalle zu sehen, „’s is ja der Teichbauer-Toni.“

„Der Teichbauer-Toni!“ Liesl faßte unwillkürlich nach ihren langen Zöpfen, an deren Ende noch immer, wie in der Kinderzeit, zwei mächtige feuerrothe Maschen prangten. „Der Teichbauer-Toni!“ wiederholte sie sinnend, „is der wieder z’ruck? Und was hat er denn woll’n?“

„Dalkerte Frag!“ brummte der Bauer. „Er is eing’standen als Knecht statt’n Hiesl“ Damit verschwand er in der Stallthür.

Liesl stand noch eine Weile allein im Hofe und spielte nachdenklich mit den rothen Maschen, die sie in den Händen hielt. Dann eilte sie in’s Haus zurück.

„Veronika!“ rief sie schier athemlos, „Veronika!“

Die Alte zankte eben mit einer Magd.

„Was is?“ fragte sie, mürrisch ihr Schelten unterbrechend.

„I hab’s, Veronika – i hab’s. Der schwarze Soldat aus mein’ Traum, den i Euch verzählt hab’ … der Teichbauer-Toni war’s und ka Anderer.“

Gegen Abend kam der Bachschneider-Loisl, um seine Braut heimzusuchen, fand sie aber nicht. Auch den Himmelbauer fand er nicht, nur die Veronika war daheim und schaute sich schier die Augen aus nach dem „Wetterdirndl“, der Liesl. Endlich gab sie das Suchen auf und setzte sich zu Loisl auf die Thürbank, um ihm die Wartezeit zu verkürzen, bis die Dirn’ wieder heimkäme.

„Wo die wieder herumsteigt!“ murrte sie und wischte mit der Schürze erst fein säuberlich die Bank ab, ehe sie sich zu Loisl setzte, der ungeduldig an der Quasten seiner silberbeschlagenen Pfeife zupfte. „Mußt halt amal mit aner Alten verlieb nehmen,“ lachte sie, wobei ihr schrumpfliges Gesicht noch faltiger als sonst erschien. Loisl schwieg eine Weile; dann meinte er:

„’S wird si bald finster mach’n; es sollt do ausg’schaut werd’n nach der Liesl.“

Die Alle guckte wieder die Straße hinab.

„Wo ’s nur alle Zwei so lang stecken?“ sagte sie. „Der Bauer kommt a net ham.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_198.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)