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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Siegestrophäen herzustellen und diese würdig zu decoriren. Kaiser Wilhelm bezeigte für die Ausführung dieses Planes ein warmes Interesse; so trat man denn mit dem berühmten Architekten, dem Geheimen Rathe Professor Hitzig in Berathung über die dazu notwendigen baulichen Anlagen und Umänderungen innerhalb des Zeughauses, und der von diesem Baumeister dafür ausgearbeitete Entwurf fand des Kaisers Billigung, da die Aufgabe darin im großen Stile aufgefaßt und gelöst worden war.

Im Jahre 1875 brachte die Regierung beim preußischen Landtage den Antrag ein, die zur Ausführung der Neubauten erforderliche, ziemlich hohe Kostensumme von sieben Millionen Mark zu bewilligen. Bekanntlich wurde dieser Antrag abgelehnt, aber zwei Jahre später ging er noch einmal, wenn auch in wesentlich modificirter Gestalt und unter Ermäßigung der Forderung auf viereinhalb Millionen, an die Volksvertretung zurück. Nach diesem neuen, derselben 1877 vorgelegten Plane handelte es sich nur um gewisse nothwendige bauliche Änderungen, Verbesserungen und Wiederherstellungen im Innern des Zeughauses, um die Einrichtung bestimmter Partien desselben zu einer „Preußischen Herrscher- und Feldherrenhalle“ und der sonstigen Räume zu einem wirklichen historischen Waffenmuseum, aus welchen Namen das Zeughaus in seiner bisherigen Gestalt trotz der reichen derartigen Schätze, die es enthielt, keinen Anspruch erheben konnte. Diesmal mochte der Landtag dem entschieden kundgegebenen Wunsche des Kaisers nicht entgegentreten, und der Regierungsantrag gelangte zur Annahme. Mit dem Baue selbst wurde im Jahre 1878 begonnen, und gegenwärtig ist der architektonische Theil der Umgestaltung vollendet, der decorative freilich erst in sehr geringem Maße. Aber schon jetzt ist es möglich, sich aus dem Vorhandenen und Erreichten ein Bild des künftig zum Abschlusse zu bringenden Prachtbaues geistig zu vergegenwärtigen.

Um die Art und die Größe der ausgeführten Umwandlung richtig zu würdigen, müssen wir uns die Einrichtung des Gebäudes vor deren Beginn vergegenwärtigen. Das Fürstengeschlecht, welches zu Köln an der Spree und Berlin während des späteren Mittelalters residirte, war ebenso wenig, wie die damalige Bevölkerung der Stadt, in der Lage gewesen, die Spuren seines Daseins in großartigen und schönheitsvollen architektonischen und sonstigen künstlerischen Denkmälern der Nachwelt zu hinterlassen. Es fehlte jenen harten, nüchternen, stets mit der Noth der Wirklichkeit ringenden Menschen an Genie und an Reichthum. In Folge dessen ist Berlin, trotz seines Alters, in Bezug auf seine bauliche Gestalt eine neue Stadt; denn was in ihr noch von Denkmalen ihrer mittelalterlichen Periode erhalten blieb, ist ohne besondere künstlerische Bedeutung.

Ein wahrhaft großer, schöpferischer Künstlergeist hat sich in dieser Haupt- und Residenzstadt nicht vor der Zeit jenes Fürsten betätigt, welcher mit genialer Kraft die verwüstete, verarmte Mark zu einer Ausschlag gebenden Macht in Europa erhob und den Grundstein zur künftigen Größe des preußischen Staates legte, und dieser Fürst war Friedrich Wilhelm der Große Kurfürst. Gegen das Ende seiner Regierungszeit und während derjenigen seines pracht- und kunstliebenden Nachfolgers, des ersten Preußenkönigs, erstanden in Berlin, inmitten der armseligen, kleinstädtischen Umgebung, jene beiden mächtigen Monumentalbauten, welche das Gepräge einer stolzen Größe tragen, als ob sie in der sicheren Vorahnung der Zukunft dieses Fürstenhauses, dieser Stadt und dieses Staates begründet worden wären: das königliche Schloß und das Zeughaus. Der Erbauer des ersteren, Andreas Schlüter, einer der gewaltigsten Meister der Architektur und Bildnerkunst aller Zeiten, der auch das herrliche Reiterstandbild des Großen Kurfürsten auf der langen Brücke geschaffen hat, leitete den Bau des Zeughauses wenigstens ein Jahr lang. Nach Nehring’s Entwurf war es begonnen; durch Jean de Bodt mit manchen Abweichungen davon ist es vollendet worden. Aber mehr noch als durch seine kurze Bauleitung ist Schlüter’s glorreicher Name für immer mit diesem Gebäude durch den Sculpturenschmuck verknüpft, welchen er dem Aeußeren und dem Inneren desselben verlieh. Er meißelte die Reliefs am Giebel des Mittelbaues der nach Süden gelegenen Hauptfront, die beiden mächtigen Sandsteingruppen auf der oben abschließenden Balustrade über der Mitte der beiden seitlichen Portalbauten dieser Front und die zahlreichen Waffentrophäen. Die wichtigsten Arbeiten Schlüters am Zeughause aber sind die berühmten „Masken sterbender Krieger“, welche, als Hochreliefs behandelt, die Schlußsteine der halbrunden Fensterbogen an den einen quadratischen offenen Hof umschließenden Innenseiten des Hauses bilden. In diesen Köpfen ist der Todesschmerz und -Kampf in allen Abstufungen, von der wüthenden Pein an bis zum letzten Verlöschen und Aushauchen des Lebens, mit einer Gewalt und Wahrheit des Ausdrucks und zugleich einer Größe und einem Adel des Stils dargestellt, daß selbst die Köpfe des sich der Schlangen im namenlosen Schmerz erwehrenden Laokoon und jener todtwunden und sterbenden Giganten des Pergamenischen Frieses weitaus dadurch übertroffen werden.

Die ganze diesem Hofe zugewendete Façade, mit jenen hohen Meisterwerken der Sculptur an ihren Fensterbögen und der übrigen, entsprechend reichen ornamentalen Decoration der architektonischen Theile, war länger als eineinhalb Jahrhunderte lang in dem offenen, roh gepflasterten Hofe dem Staube, Schnee und Regen ausgesetzt gewesen. Gegen solche Einwirkungen hatte man die Masken sterbender Krieger durch wiederholten Oelfarbenanstrich zu sichern gesucht – man hatte sie geschützt, aber dem Auge des Beschauers dafür die zarte Schönheit ihrer Meißelarbeit entzogen. Seltsamer Weise war dieses prachtvolle Gebäude bisher so gut wie ohne eine das Erdgeschoß mit dem ersten Stockwerk vermittelnde den Forderungen der Kunst genügende Treppe; nur zwei enge hölzerne Wendelsteigen in den halbcylindrischen Einbauten in der Ost- und Westecke der nördlichen Hofseite dienten als Verbindung zwischen beiden Etagen, und so hielt es Hitzig bei dem vom Kaiser angenommenen Umwandlungsplan für seine erste Hauptaufgabe, eine wahrhaft monumentale Treppe zum Hauptgeschoß herzustellen. Da in die äußere Gestalt des alten Zeughauses kein sie gewaltsam verändernder Eingriff gethan werden sollte, so mußte diese Treppe in’s Innere des Hofes verlegt werden und zwar naturgemäß vor die nördliche Seite des Quarrés, um so Jedem, der durch den in der Südseite gelegenen Haupteingang in den Hof eintrat, einen imposanten Anblick zu bieten. Im Grundriß einen flachgeschwungenen Viertelskreisbogen bildend, steigen die granitenen und schwarzmarmorirten Stufen dieser Treppen in zwei Armen von der Ost- und Westseite her und aus jeder Seite einmal durch einen Absatz unterbrochen, auf einem mächtigen, als Rustika behandelten, sandsteinernen Unterbau zu dem Perron vor dem Mittelportal des Hauptgeschosses der Nordseite empor. Ihr kalksteinernes Balustraden-Geländer der äußeren Seiten endet unten in geflügelten Löwengestalten, und aus den inneren Pfosten erheben sich die sitzenden Statuen zweier römischer Krieger, welche Reinhold Begas im Stile der Epoche Schlüter’s gemeißelt hat. Der Unterbau ist in der Mitte durch ein hohes rundbogiges Portal, welches auf den rückseitigen Ausgang des Gebäudes führt, und zu beiden Seiten durch zwei kleine Durchgänge unterbrochen, durch welche man zu den Thüren der thurmartigen Einbauten und ihren Wendeltreppen gelangt. Der Hof selbst durfte nicht mehr unbedeckt bleiben, und die Aufgabe, diesen 36 Meter im Quadrat umfassenden Raum mit einem Oberlichtdache zu versehen, hat Hitzig in ganz eigenthümlicher Weise gelöst, die freilich mit dem Stil des alten Gebäudes wenig Gemeinsames hat: Er führte über jeder der vier Wände flache Schildbogen auf und legte an jeden derselben ein schmales Stück cassettierte Decke. Diese vier Streifen umfassen nun wie ein Rahmen das enorme Glasdach, welches durch kühne, bogig geschwungene, sich rechtwinkelig kreuzende eiserne Träger in zahlreiche Cassetten getheilt wird. Ueber jeder derselben erhebt sich ein vierseitiges pyramidenförmiges Dach von starken Glasplatten, während der eiserne Dachstuhl und das gesammte Sparrenwerk mit seinen sehr schön von Peters ausgeführten, in Kupfer getriebenen Rosetten darunter offen zu Tage liegen. Eine schöne, gleichmäßige, wohlthuende Helligkeit strömt so aus der Höhe her in den Raum, und auf die von ihrer häßlichen Farbenkruste befreiten herrlichen Bildwerke Schlüter’s.

Von dem Perron der Treppe gelangt man durch das hohe Hauptportal, welches künftig durch reich reliefirte prachtvolle Bronzethüren nach Otto Lessing’s Modell geschlossen wird, in die zur „Herrscher- und Feldherrenhalle“ geweihten Räume. Sie nehmen die ganze Nordseite des Gebäudes ein. Nach Norden hin sind sie, da die Fenster nicht direct zugemauert und dennoch große Wandflächen behufs der auszuführenden monumentalen Gemälde geschaffen werden sollten, in ihrer ganzen Länge durch eine nahe davor aufgeführte Mauer verborgen. Sämmtliche Pfeilercompartimente aller

vier Gallerien auch dieses Stockwerks sind nun massiv überwölbt

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_246.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)