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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

mit großer Spannung und schweigend gefolgt, Aurel hatte zu gleicher Zeit mit seinem scharfen Auge in den Zügen des Advocaten zu lesen gesucht, aber nicht recht verstanden, weshalb dem Manne bei dem, was er sprach, eine so spöttisch aussehende Heiterkeit aus den Augen blitzte. War das Schadenfreude, der landläufige, allgemein menschliche Mangel an Wohlwollen bei des Nebenmenschen Verdruß? Nein, das war es nicht; es war etwas Anderes, das Aurel nicht errieth – es war das Bewußtsein, daß er dem Minister eigentlich einen ungeheuer großen Dienst leistete, wenn er ihn der Nothwendigkeit überhob, mit dem Grafen Gollheim, mit dem Vater Regina Gollheim’s, einen häßlichen Proceß zu führen, noch dazu um einer ihm ganz fremden, aus Amerika herübergeschneiten Schwester willen. Er war eben klug, der Doctor Gruber; er wußte, was vorging; sich mit dem dirigirenden Minister auf einen Fuß intimen Vertrauens stellen zu können, war etwas, das ihm just convenirte, und es war nur schade, daß er keine Ahnung von dem gestern bereits eingereichten Entlassungsgesuch Aurel’s hatte; er hätte sich dann vielleicht nicht so dienstbeflissen gezeigt.

„Ein ganz verfluchter Zungendrescher!“ murmelte, ihn mit zornigen Blicken anstarrend, der alte Thierarzt, als Doctor Gruber eine Pause im Sprechen machte, während Aurel erwiderte:

„Ich bin Ihnen dankbar für diese Zuvorkommenheit und freundliche Rücksicht, welche Sie uns ausdrücken, Doctor. Ich möchte aber, bevor ich Ihnen antworte, doch noch bitten, uns weitere Aufschlüsse über das zu geben, was Sie den jungen Leuten gerathen haben, und was nun weiter geschehen soll?“

„Was ich den beiden jungen Leuten oder besser dem Herrn Falster, der allein mit mir verkehrte und die ganze Sache betrieben hat, gerathen, ist einfach gewesen: wenn er die bewußte junge Dame heirathen wolle, habe er vorher ihre frühere mit einem Andern nach amerikanischen Gesetzen eingegangene und dem Anschein nach völlig gültige Ehe annulliren zu lassen und sich gründlich gegen alle etwaige Folgerungen aus derselben sicher zu stellen. Die Annullirung dieser Ehe werde sich vielleicht wegen Formfehlers, verbunden mit dem Widerspruch des Vaters des jungen Ehemannes, des Grafen Gollheim, erreichen lassen. Jedenfalls sei die Scheidung ex capite malitiosae desertionis, wegen Ludwig Gollheim’s Verschwinden unschwer zu erreichen. Nur könne der Antrag auf Annullirung oder Scheidung der Ehe nicht von mir als Mandatar der jungen Dame bei Gericht eingebracht werden, während Sie, Excellenz, einen andern Mandatar, mit den Vollmachten derselben jungen Dame ausgerüstet, bei demselben Gericht den Antrag stellen ließen, den Grafen Gollheim zur Anerkennung der Ehe seines Sohnes zu verurtheilen.“

„Wäre natürlich ein seltsamer Widerspruch gewesen,“ fiel Aurel ein. „Sie riethen also …“

„Ich riet, sofortige Fürsorge zu treffen, daß dies nicht geschehe – nur dies nicht! Und das Mittel, Ihnen, Excellenz oder Ihrem Herrn Vater jedes Vorgehen unmöglich zu machen, lag ja auch nahe zur Hand. Es brauchtem Ihnen ja nur die beweisenden Documente zu fehlen.“

„Ah … und diese Documente?“

„Gehörten weder Ihnen noch Ihrem Vater. Sie waren ausgestellt für die bewußte junge Dame. Sie bekundeten die Trauung dieser jungen Dame mit Ludwig Gollheim. Sie waren ausschließliches Eigenthum Ihrer Schwester, und diese –“

„Sie – sie nahm die Documente an sich?!“ rief Aurel aufspringend in unbeschreiblicher Erregung.

„Himmel und Hölle,“ murmelte dazu der alte Thierarzt, „Lily nahm sie – stahl sie – Lily!!“

„Stahl sie,“ fiel lächelnd Doctor Gruber ein, „ist nicht das richtige Wort, mein bester Herr. Niemand kann eine ihm gehörige Sache stehlen. Die junge Dame nahm, was ihr Eigenthum war, an sich, und zu mehrerer Sicherheit übergab sie es Falster, der mir diese Papiere vorlegte, die …“

„Ihnen!“ rief Aurel. „Sie also haben die unglücklichen Blätter?“

„Sie sind nebst der nöthigen Vollmacht in meinen Händen zurückgeblieben, allerdings,“ antwortete unberührt von der furchtbaren Wirkung, welche seine Enthüllung auf die beiden Männer hervorgebracht, der Doctor Gruber. „Es ist natürlich, daß ich sie dem Gericht einreiche, wenn ich primo loco die Annullirung der Ehe, die Invalidirung dieser Blätter beantrage – eventuell.“

Der alte Lanken war in eine furchtbar erregte Gemüthsverfassung gerathen; er hätte diesen „Zungendrescher“, der ihm mit der empörendsten Gemüthsruhe überwältigende Dinge wie ein alltäglichstes Geschäft vorbrachte, zu Boden schlagen, niederboxen, ihm einen derben Theil von dem, was er Herrn Falster gönnte, auf den Rücken bläuen mögen. Aber er schwieg, trotz aller innern Wuth, die sich nur durch ein krampfhaftes Ballen seiner Hände, ein wiederholtes Ausstoßen eines derben Fluches äußerte; er war doch besonnen genug, um sich zu sagen, daß er nach Allem, was geschehen, mit Protestiren und Widerspruch nichts erreichen werde. Hatte er doch selber oft genug Gollheim’s Protest als thöricht verhöhnt und verspottet! Heute war die Reihe an ihm, sich die Grenzen der väterlichen Gewalt zu Gemüthe zu führen.

Und schwerer noch traf Doctor Gruber’s Enthüllung Aurel, so schwer, daß er der weiteren Ausführungen dieses Mannes nur mit mühsamer Anstrengung zu folgen vermochte. Er gab dann bereitwillig die Versicherung, daß, was ihn, Aurel betreffe, er dem Doctor Gruber gern jede Vollmacht gebe, zu thun, was er im Interesse seiner Clienten für zweckmäßig erachte. Auch der alte Thierarzt nickte dazu mehrmals ingrimmig mit dem Kopfe.

„Auch meinethalb,“ rief er aus, „auch meinethalb thun Sie, was Ihnen gut scheint! Bin von Lily nicht gefragt worden, bevor sie ihre Wahl zwischen dem alten und dem neuen Liebhaber getroffen hat, und nun will ich auch weiter von andern Leuten nichts davon hören. Sollen mich in Ruh lassen damit, die Leute! Thun Sie Alles, was Sie für nöthig halten, Herr! Aber richten Sie die Sachen so ein, daß Sie meiner nicht dabei bedürfen! Es wäre möglich, daß, wenn Sie sich auf mich stützen wollten, in irgend einem Punkt, Herr, Sie mich nicht in der Stimmung fänden, um all dieser Menschen willen – mit eingeschlossen Sie und Herrn Falster und die Grasmücke selber, auch nur ein Wort zu verlieren. Wahrhaftig, auch nur ein Wort!“

Doctor Gruber zuckte leise die Achseln lächelte überlegen und deutete doch mit dem herablassenden Blick, den er auf den alten Herrn warf, sein Verständnis für die Gefühle eines beleidigten Vaters an. Zu Aurel herüberblickend sagte er dann:

„Und Sie, Excellenz, Sie hätten mir weiter auch keine Wünsche zu äußern, keine Befehle für mich?“

„Ich habe Ihnen nichts zu sagen, Doctor, als daß ich Ihnen in Ihrer Sache den besten Erfolg wünsche. Werden Sie sich auch mit dem Grafen Gollheim in Verbindung setzen?“

„Das war allerdings meine Absicht.“

„So thun Sie es bald! Ihre Nachrichten werden ihm ebenso erfreulich sein, wie sie für uns erschreckend sind.“

Aurel verbeugte sich, und Doctor Gruber, der sich in der Hoffnung auf eine längere und gründliche juristische Erörterung der Angelegenheit durch die Verschlossenheit der beiden Herren getäuscht sah, nahm denn auch seinen Abschied und ging.

(Schluß folgt.)




Das einzige Raubthier Australiens.

Nicht durch die Pracht seiner Vegetation, welche im Vergleich mit der Flora anderer tropischer Länder ziemlich arm erscheint, hat Australien die Bewunderung der europäischen Entdecker erregt, sondern es fesselt bis jetzt die Aufmerksamkeit der Naturforscher besonders durch seine eigenthümlichen Thierarten. Die Känguruhs und vor Allem das Landschnabelthier verleihen der Fauna dieses kleinsten Welttheiles ein besonderes Gepräge; dabei ist noch Australien das seltene Glück beschieden worden, daß Raubthiere, die sonst in allen nördlichen und südlichen Erdstrichen hausen, in ihm gar nicht vorhanden sind. Nur der Wildhund Neuhollands, auch Dingo oder Warragal genannt (Canis Dingo, C. Australasiae), streift heute räuberisch in den dortigen parkähnlichen, wie zur Schafzucht geschaffenen Wäldern umher und bewohnt die mit Buschwerk dicht besetzten Schluchten. Aber dieser Stammverwandte des Wolfes und Fuchses ist kein Ureinwohner des friedlichen Landes; seine Vorfahren sind aller Wahrscheinlichkeit nach einst mit gesitteten Menschen als treue

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_356.jpg&oldid=- (Version vom 3.6.2022)