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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

entwickeln sich neue Stoffe von seinem Körper und seiner eigenthümlichen Atmosphäre, die mit erstaunenswürdiger Geschwindigkeit von den Kometen abwärts strömen, um sich endlich in den weiten Himmelsraum zu verlieren.“

Die Dicke der Kometenschweife kann nach Tausenden von Meilen gemessen werden, wie dünn dagegen die Schweifmaterie selbst ist, zeigt sich an ihrer Durchsichtigkeit.

Die Schweifelemente selbst bestehen nach der Zöllner’schen Theorie aus schwach elektrisirten Dampftheilchen und lassen sich, wie bemerkt, mit den einzelnen Nebelbläschen einer zarten Wolke in luftverdünnten Räumen wie in sehr hoch gelegenen Theilen unserer Atmosphäre vergleichen.


Der Donati’sche Komet von 1858.


Auch die nebebelartigen Hüllen am Kopfe des Kometen entstehen durch den Verdampfungsproceß an der Oberfläche des flüssigen Kerns. Das Licht der Kometenschweife besteht theils aus reflectirtem Sonnenlichte, theils aus elektrischem Lichte, welches alle elektrische Ausgleichungprocesse begleitet.

Die ungeheuren Geschwindigkeiten, mit denen die Kometenschweife von dem Kerne gleichsam hervorschießen und sich in wenigen Tagen über Strecken von vielen Millionen von Meilen ausbreiten, ist als eine wirklich mechanische Bewegung der elektrisirten Dampftheilchen aufzufassen, die sich unter dem Einflusse der elektrischen Abstoßung der Sonne mit beschleunigter Geschwindigkeit von derselben entfernen.

Mit der Entfernung von der Sonne nehmen die Schweife rasch ab, und die Kometen schrumpfen nach und nach zu einer bloßen Nebelmasse zusammen, die sich dann auch den stärksten Ferngläsern entzieht. Rasch verschwunden, wie erschienen, läßt der flammende Stern nur ein Bild in der Erinnerung zurück.

Betrachtet man die Geschichte der menschlichen Ideenentwickelung über die Natur und Bedeutung der Kometen, so offenbart sich in ihr der übereinstimmende Charakterzug aller Fortschritte der Erkenntniß im Gebiete der Natur. In unentwickeltem Zustande der Völker waren sie, wie Blitz und Donner, der Gegenstand staunender Bewunderung, gemischt mit sclavischer Furcht vor den Launen einer zürnenden Gottheit. Heute sind sie Erscheinungen, welche denselben Gesetzen unterworfen und aus denselben Stoffen gebildet sind, wie die Körper unserer täglichen Umgebung.

Die Kraft, welche den Fall des Apfels bewirkt, wurde für Newton der Schlüssel zur Erklärung aller himmlischen Bewegungen; das Spectroskop lehrte uns in unermeßlich weit entfernten Sternen dieselben Stoffe kennen, aus welchen unsere Erde und unser eigner Leib besteht. So zieht der Genius der fortschreitenden Menschheit durch geläuterte Erkenntniß der Natur den Himmel zur Erde herab. Der sklavischen Furcht folgt die befreiende Herrschaft himmlischer Gesetze und die trostreiche Ueberzeugung von der Einheit und Harmonie des gesammten Universums. Derjenige Theil der Astronomie aber, welcher sich in unseren Tagen mit unerwarteten Erfolgen der Fortsetzung dieser menschlichen Culturarbeit besonders in Deutschland unterzogen, ist die Astrophysik. Ueber das Verhältniß dieses neuen Theiles der Astronomie zu dem bisherigen Gebiete astronomischer Forschung spricht sich Zöllner in seinen vor sechszehn Jahren erschienenen „Photometrischen Untersuchungen, mit besonderer Rücksicht auf die physische Beschaffenheit der Himmelskörper“ wörtlich wie folgt aus:

„Sowohl die heutige Entwickelungsphase der Astronomie, als auch das täglich sich steigernde Interesse für die Anwendung rein physikalischer Methoden auf astronomische Objecte, scheinen anzudeuten, daß bereits gegenwärtig alle Elemente zur Bildung jenes neuen Theiles der Astronomie vorhanden sind. Derselbe dürfte vielleicht nicht unpassend mit dem Namen ‚Astrophysik‘ belegt werden, zum Unterschiede von dem bisher in Deutschland als ‚physische Astronomie‘ bezeichneten Theile. War es die Aufgabe der letzteren, unter Voraussetzung der Allgemeinheit einer Eigenschaft der Materie (der Schwerkraft) alle Ortsveränderungen der Gestirne zu erklären, so wird es die Aufgabe der Astrophysik sein, unter Voraussetzung der Allgemeinheit mehrerer Eigenschaften der Materie alle übrigen Unterschiede und Veränderungen der Himmelskörper zu erklären. Mit Rücksicht auf die Natur der hierbei anzuwendenden Methoden läßt sich die Astrophysik auch als eine Vereinigung der Physik und Chemie mit der Astronomie betrachten, und sie erscheint von diesem Gesichtspunkte aus als das nothwendige Resultat einer allgemeinen Entwickelung, welche beim stetigen Fortschritt der Wissenschaften bereits auch auf anderen Gebieten ähnliche Verschmelzungen ursprünglich getrennter Disciplinen zu einer höheren und allgemeineren Einheit herbeigeführt hat.“



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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 500. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_500.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)