Seite:Die Gartenlaube (1881) 552.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

den Nihilisten von heute noch zu erreichen ist, wird Manchem zweifelhaft erscheinen.

Das aber ist gewiß, daß jener despotische Czar, welcher der Dichtung Fesseln anlegen wollte, indem er den Dichter mit seiner Huld überschüttete, sich über die Dauer seines Werkes ebenso gröblich getäuscht hat, wie über die tiefere Bedeutung der Gedichte Puschkin’s; denn als wäre er auf ihn gewendet, so klingt noch heute der Vers Puschkin’s:

„Ein Denkmal hab’ ich mir in meinem Volk gegründet;
Nicht Menschenhand erschuf’s; kein Gras bewächst den Pfad;
Doch stolzer ragt es auf als jenes, das verkündet
     Napoleon’sche Ruhmesthat.“




Blätter und Blüthen


Die Körperhaltung unserer Schüler beim Lesen und Schreiben. In den öffentlichen Vereinen, in der Presse und im täglichen Leben vernehmen wir heute immer häufiger die Klagen, daß unsere Schuljugend mit geistigen Arbeiten überbürdet sei und daß das heranwachsende Geschlecht in Folge der verderblichen frühzeitigen Ueberanstrengung an seiner körperlichen Gesundheit geschädigt werde. Dringend verlangt man hier und dort eine Reform unseres Schulunterrichts in sanitärer Beziehung, wiewohl es nicht zu verkennen ist, daß wir in den letzten Jahrzehnten auf dem hygienischen Gebiete, was z. B. Luft, Licht und Wärme in der Schulstube anbelangt, nicht zu unterschätzende, ja wahrhaft große Fortschritte zu verzeichnen haben. Es ist nicht unsere Aufgabe, hier die Schulreformforderungen auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen, wir möchten nur auf eines aufmerksam machen: daß bei der Behandlung dieser hochwichtigen Fragen scheinbar unwichtige, weil tagtäglich wiederkehrende und daher gewohnheitsgemäß übersehene Uebel fast ganz aus dem Auge gelassen werden.

Indem man mit Recht über das Uebermaß der Schularbeiten sich beschwert und Verringerung der Schulstunden und Unterrichtsgegenstände verlangt, scheint man zu vergessen, daß auch die Art, in welcher der Körper bei der geistigen Arbeit thätig ist, für die Gesundheit von der allergrößten Bedeutung ist; denn bekanntlich empfängt unsere Schuljugend nicht etwa, wie die philosophischen Jünger der altgriechischen peripatetischen Schule, den Unterricht im Spazierengehen, unter freier körperlicher Bewegung, sondern sie ist durch die nothwendige Schuldisciplin an die Bank gefesselt und so zum stundenlangen Sitzen an einer und derselben Stelle verurtheilt. Ist nun während des Sitzens die Körperhaltung des Schülers fehlerhaft, so wirken die sich daraus ergebenden schädlichen Einflüsse von Tag zu Tag und von Jahr zu Jahr, bis sie schließlich mit der unwiderstehlichen Macht aller consequent und lang andauernder Ursachen der kindlichen Gesundheit schweren Schaden zufügen. So kann z. B. die Kurzsichtigkeit eine Folge der schlechten Körperhaltung sein.

Aehnlich verhält es sich auch mit der Verkrümmung der Wirbelsäule, der Hemmung des Blutumlaufs und der Schwächung der Lungenthätigkeit bei unserer Schuljugend. Schule und Haus begehen in dieser Beziehung dieselben Fehler, und aus diesem gemeinsamen Schuldbewußtsein heraus erklärt es sich vielleicht, daß im Vergleich mit der Ueberbürdungsfrage von der schlechter Körperhaltung so wenig gesprochen wird. Umsomehr ist es anzuerkennen, wenn tüchtige Fachleute die Eltern über die Frage aufklären und die Aufmerksamkeit der Lehrer auf das alte Uebel von Neuem lenken. – Auf unserem Büchertische finden wir ein Werk, betitelt: „Körperhaltung und Schule, oder Schreiben und Zeichnen als körperliche Thätigkeit. Der vaterländischen Schule gewidmet von J. Daiber, Professor am königlichen Katharinen-Stift zu Stuttgart“ (Stuttgart, Melzler’sche Buchhandlung, 1881), welches ausschließlich diesen Zweck verfolgt und das wir der besonderen Aufmerksamkeit unserer Leser, namentlich der Eltern unter ihnen, empfehlen.

In lichtvoller und sehr anschaulicher Weise behandelt der Verfasser zunächst die schlechte Körperhaltung unserer Schüler, belehrt uns über ihre Ursachen und Folgen und entwirft alsdann bestimmte Regeln für die Sitzstellung, Haltung der Beine und Arme, Lage der Hand, Führung des Stifts etc. und wendet sich schließlich der Besprechung der Aufgaben zu, welche in dieser Beziehung dem Hause und den Behörden zufallen. Leider gestattet uns der engbemessene Raum nicht, ausführlicher auf das genannte Werkchen einzugehen; wir hielten es aber für unsere Pflicht, in Anbetracht der gegenwärtig so lebhaft erörterten Unterrichtstage die Aufmerksamkeit unserer Leser auf die Körperhaltung der Schuljugend während der geistigen Arbeit hinzulenken, und hoffen, daß diese Anregung genügen wird, um in vielen Fällen gewissenhafte Lehrer und Eltern zur Abhülfe mancher Uebelstände zu veranlassen. Das Daiber’sche Buch würde ihnen bei der Erfüllung dieser Aufgaben ein nicht zu unterschätzender Rathgeber sein.




Johann Christian Lobe. Wiederum liegt uns die traurige Pflicht ob, unsere Leser an ein frisches Grab zu führen, in welchem ein treuer und allbeliebter Mitarbeiter der „Gartenlaube“ Ruhe gefunden. Johann Christian Lobe ist todt. Er starb am 27. Juli d. J. in hohem Greisenalter, zwei Monate nach seinem vierundachtzigsten Geburtstage. Im Jahrgange 1873 (Seite 337 ff.) haben wir den wackern Künstler und Gelehrten unseren Lesern im wohlgetroffenen Bildniß vorgestellt und seinen Lebensgang geschildert, als „Einer von den Alten Weimars“ war er ihnen freilich kein Fremder mehr: denn er hatte durch seine zahl- und inhaltreichen Beiträge zu unserem Blatte sich in den Herzen Aller längst einen Platz erobert. Da sich der Jahrgang 1873 der „Gartenlaube“ in Hunderttausenden von Händen befindet, so brauchen wir heute nur aus den dort enthüllten stillen Gang der Bildung dieses dreifachen Meisters hinzuweisen: Lobe war als Musiker Meister auf der Flöte; er war Meister in der musikalischen Composition und vor Allem Meister mit der Feder. Nur wer, wie er, vom armen Jungen, welcher der damaligen Volksschule seine ganzen Kenntnisse verdankte, durch eisernen Willen und Fleiß sich heraufgearbeitet, nur wer aus diesem Wege sich seine gelehrte Bildung in modernen Sprachen, in Philosophie und Geschichte anzueignen vermochte, nur der konnte auf Grund eigener Erfahrung ein so scharfdenkender und so klar darstellender Lehrer Anderer werden, und mit diesen Vorzügen verband Lobe noch die des Künstlergeistes und Herzens, welche ihn dazu befähigten, jederzeit Schönheit und Anmuth der Form zu beachten und nie den warmen Hauch der Empfindung vermissen zulassen, wo er zur Wirkung des Ganzen erforderlich war. Unser Artikel nennt auch Lobe’s sämmtliche Werke, über die außerdem ja jedes Conversationslexicon berichtet. Wir können aber nicht unterlassen, hier noch einmal auf ein kleines Buch hinzuweisen, in welchem Lobe sich selbst malt. „Aus dem Leben eines Musikers“ heißt es und ist 1859 bei J. J. Weber in Leipzig erschienen. Wir stehen nicht an, dasselbe als eines der liebenswürdigsten Bücher unserer Literatur zu bezeichnen, das der strebenden Jugend als ein Volksbuch in die Hand gelegt werden sollte. Durch dieses Buch allein wird das kommende Geschlecht Lobe, den seelenvollen Menschen und Künstler, kennen lernen und sein Gedächtniß um so treuer bewahren.




Spione auf ihrem letzten Gang. (Mit Abbildung S. 549.) Der Krieg, wie hoch auch immer seine Meister ihn preisen mögen, gehört zu den menschlichen Leistungen, vor deren Ausübung die Herzen aller wirklich gebildeten Völker zittern, bis die hohen Ideen von Vaterland und Freiheit die Waffen weihen und den Kampfmuth zur Mannespflicht erheben. Wie mit dem Krieg das Grausigste im Großen verbunden ist, so stellt er auch im Kleinen an seine Dienstverpflichteten Forderungen eigener, oft grausamer Art. Der Mann, der mit der Waffe dem Feind entgegengeht, wird selbst als Besiegter oder Gefangener noch ehrenhaft behandelt, derjenige aber, welchen die Kriegswissenschaft als unentbehrlich für die Vorbereitung des Krieges erklärt, der Kundschafter, der mit dem Muthe des Soldaten ungewöhnliche List und Klugheit verbinden muß, wird, wenn sein Unternehmen gelingt, oft sogar vom Freunde trotz alledem mit Geringschätzung, wenn es mißlingt, vom Feinde mit dem Tode belohnt. Selbst wenn der Kundschafter nicht zu den „gekauften Subjecten“ gehört, wenn er, ein Mann der Waffen, aus den edelsten Beweggründen das Amt des Kundschafters übernimmt, so schützt ihn dies nicht vor dem Schicksal des „Spions“, sobald er in Feindeshand fällt. Warum verfolgt das Kriegsurtheil nur diesen Kriegsdienst mit so unerbittlicher Strenge? Das Geheime, Hinterlistige desselben allein kann der Grund dafür nicht sein; denn darin steht der Minenkriegsdienst ihm gleich. Ist’s der Charakter des Nichtmilitärs, der ihn dem Franctireur gleichstellt? Auch diesen kann die edelste Vaterlandsliebe in den Kampf treiben, und er wird wie der Spion behandelt. Dieser seltsame Gegenstand verdiente wohl eine Besprechung von Seiten eines gerechten und sachkundigen Richters. Jedenfalls haben wir unserem Bilde gegenüber keine Ursache, die beiden Gefangenen als Strafwürdige, als Verbrecher zu betrachten. Sie sind ihrem Schicksal verfallen und dem unheimlichen Gesetze der Kriegsgewalt.




Kleiner Briefkasten.

E. v. R. in Reval. Für den Unterricht im Pianofortespiel haben in den letzten Jahrzehnten auch hervorragende Componisten in der That werthvolle und praktische Werke geliefert. - Anton Krause in Barmen, der bekanntlich den dortigen Gesangverein zu einem der höchst stehenden gemischen Chöre Westdeutschlands emporgehoben hat, gilt mit Recht als einer der vorzüglichsten Musikkpädagogischen Autoren. Seine mannigfaltigen Etüden, seine ganz vortrefflichen, instructiven Sonaten (mit opus 1 beginnend) sind darum so rühmenswerth, weil sie in Erfindung und Haltung nicht nur stets das zu treffen wissen, was die Jugend anmuthet, sondern weil sie damit auch die Fortschritte der Schüler wesentlich fördern. Zugleich ist die compositorische Ausführung eine so gewandte und geschmackvolle, daß auch die Lehrer an diesen Unterrichtswerken eine persönliche Freude haben. Man kann sagen, daß Krause für dergleichen pädagogische Compositionen, wie sie sein sollen, den Typus hingestellt habe. Wenn nun von ihm ein neues Werk in Aussicht steht, die bei Breitkopf und Härtel erscheinende „Jugendbibliothek für Pianoforte zu vier Händen“, so können Sie im Voraus annehmen, geehrtes Fräulein, daß Krause damit den lernbegierigen Klavierspielern wiederum einen außergewöhnlichen Genuß bereiten wird. Wir können Ihnen nur rathen, das neue Opus Ihrer Familien-Musikbibliothek einzureihen! Es umfaßt einen zum Gebrauch beim Unterricht bearbeiteten „Melodienschatz“ aus Werken alter und neuer Meister und soll in acht Heften die Jugend mit einer sorgfältigen Blumenlese aus den Gärten eines Beethoven, C. Maria von Weber, Haydn, Schumann, Schubert, Bach, Händel, Mozart, Mendelssohn erfreuen. Die Unterrichtsliteratur für Pianofortespiel schuldet sicherlich Anton Krause ganz besonderen Dank.

W. in Riga. Absoluter Schwindel!

Hedwig K. in Teplitz. Die gewünschten Adressen lauten: Frau Professor Fanny Lewald-Stahr in Berlin und Herrn Professor Georg Ebers in Leipzig.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 552. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_552.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)