Seite:Die Gartenlaube (1881) 615.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

die Pumpmaschinen, deren Betriebskräfte 50 Pferdekräfte betragen, in Bewegung zu setzen. Zu diesem Zwecke wurde ein neues Nutzgefälle von 15 Meter geschaffen und das Filswasser in einem circa 0,9 Kilometer langen und 3 Meter weiten, offenen Betriebscanale, welchen unser Bild veranschaulicht, bis aus 85 Meter vor die Pumpstation geleitet. Hier endigt diese aus einem sehr schwierigen Terrain hochaufgeführte Canalanlage in einem massiven, völlig wasserdichten und wohl verschlossenen Sammelschachte, von dem sich das Betriebswasser in die große, zur Pumpstation herabführende geschlossene Röhre ergießt. Diese gewaltige eiserne Leitung, welche bei niedrigen Wasserständen die ganze Fils in sich aufnimmt, ist circa 90 Meter lang und hat eine Lichtweite von 1 Meter. Unter starker Neigung stürzt durch dieselbe das Filswasser zur Station hinab, um hier direct das Tangentialrad der Pumpmaschinerie mit voller Wucht zu treoffen. Da die Röhre vollständig frei zu Tage liegt, so wurden noch besondere Vorrichtungen getroffen, welche bei niedrigen Temperaturgraden das Einfrieren des Wassers verhüten und die sich bis jetzt vorzüglich bewährt haben. Die Fundirung des Pumpmaschinen- und Radhauses mußte meist unter dem Wasser vorgenommen werden; das nunmehr fertige, gefällige Backsteingebäude enthält außer den Werkstättenräumen noch ein Wohngelaß für Hülfswärter bei etwaigem Nachtdienste, während für den ersten Maschinenwärter ein besonderes, zweistöckiges Wärterhaus erbaut wurde.

In dem geräumigen Maschinensaale der Station arbeiten die mit zwei großen Druckwindkesseln versehenen vierfachen Pumpwerke unter dem normalen Drucke von 32 bis 33 Atmosphären und heben mittelst einer Druckröhrenfahrt das Quellwasser aus dem Schachte weit über den vom Thale sichtbaren Bergrand bis zu dem Hauptreservoir der Gruppe vor Westerheim in einer Höhe von 305 Meter.

Diese Pumpstation versorgt zur Zeit 6 Haupt- und Hülfsreservoirs mit 280 Hydranten und zusammen über 1500 Hauswasserleitungen nach den Wohngebäuden und Stallungen in den Gruppenorten.

Selbstverständlich ist die Anlage dieser Stationen nicht überall dieselbe; bei ihrem Ausbau mußte der Techniker vielmehr seinen Plan stets den von der Natur gegebenen Verhältnissen anpassen und fast in jedem Fall neue Hülfsmittel ersinnen. So ist z. B. bei der Pumpstation im Eybthale das Eybflüßchen durch die Errichtung eines massiv gebauten Wehres in ein neues Bett, das auf einem Schuttterrain mit unsäglicher Mühe hergestellt wurde, geleitet worden.

Bevor wir aber von den Werken scheiden, wollen wir noch einmal die Alb besteigen und das Innere eines der Hochreservoirs (vergl. Bild 1) in Augenschein nehmen.

Auf besonders hergestellten Betonlagern von durchschnittlich 40 Centimeter Stärke erheben sich die Umfassungswände der Behälter, aus großen Kalksteinen in Cementmörtel gebaut. Um eine vollständige Wasserdichtigkeit zu erzielen, sind dieselben nach innen mit Backsteinvermauerungen bekleidet, welche mit einem spiegelglatten harten Cementverputze gegen die Wasserseite hin abgeschlossen werden. Jedes größere Reservoir ist außerdem durch massive Mauern in zwei besondere, zusammen oder getrennt von einander zu benutzende wasserdichte Hälften geschieden.

Um aber bei etwaigen Störungen an den Pumpmaschinen, welche bis jetzt, wie wir besonders hervorheben, nirgends vorgekommen sind, die Albbevölkerung vor einer plötzlichen Wassersnoth zu bewahren, wurden in vorsorglicher Weise die Reservoirs so groß gebaut, daß der in ihnen vorhandene Wasservorrath, ohne frische Speisung aus dem Thale, die betreffenden Ortschaften je nach ihrer Lage acht bis zwanzig Tage reichlich mit Wasser versorgen kann. Schließlich hat man noch die Reservoirs mit Erdüberdeckungen versehen, wodurch das Wasser vor den Einflüssen der auf der Alb vielfach wechselnden Temperaturen bewahrt bleibt, im Winter niemals einfriert und im Sommer die erfrischende Kühle der Quellen beibehält.

Fragen wir nun nach den Baukosten des Gesammtwerkes, so erfahren wir nicht ohne Ueberraschung, daß der gesammte Aufwand rund 5,610,000 Mark beträgt, wovon etwa 4,335,000 Mark auf die Albgemeinden zur Bestreitung entfallen. Wie gering auch diese Summe an und für sich erscheinen mag, so ist sie dennoch für die wenig bevölkerten Gemeinden, welche sie aufbringen mußten, eine ziemlich bedeutende gewesen. Manche Gemeinden haben dadurch Lasten auf sich genommen, welche auf jeden Kopf die Summe von 200 Mark ergeben. Aber trotzdem stehen wahrlich diese Millionen in keinem Vergleich zu den segensreichen Wohltaten, welche das Werk mit sich bringt, und es ist das Verdienst des Staatstechnikers um so mehr anzuerkennen, weil er mit so geringen Mitteln durch weise Benutzung der ursprünglich schwachen Triebkräfte der Albflüßchen so Großartiges geleistet.

Schon heute erntet man die Früchte dieser Culturarbeit; überall sprießt aus der Alb neues Leben hervor; die früher spärlichen Viehheerden wachsen in ungeahnten Verhältnissen, und allmählich verschwinden auch die noch vor Kurzem so häufigen Krankheitserscheinungen unter Menschen und Thieren. Weite Strecken ehemals unbebauten Landes werden vom Pfluge durchfurcht; Gewerbe und Handel lassen sich in den nunmehr wasserreichen Ortschaften nieder, und mit ihnen hält die städtische Bildung ihren Einzug, während die vortrefflich organisirten Feuerwehren der verheerenden Feuersbrunst ein- für allemal Halt gebieten.

So haben die Schöpfer des Wasserversorgungswerkes der württembergischen Alb sich in friedlicher Arbeit einen unverwelkbaren Lorbeerkranz errungen, der ihnen nicht minder zur Ehre gereicht, als der auf den Schlachtfeldern errungene Siegeskranz. Sie haben ein Werk geschaffen, das bahnbrechend wirken wird und muß und als ein leuchtendes Vorbild dienen kann für Alle, welche unter ähnlichen Verhältnissen die Cultur eines ganzes Landes zu heben suchen.

Valerius.




Blätter und Blüthen.

Zur praktischen Lösung der Frauenfrage. Die Statistik beweist, daß das weibliche Geschlecht in allen Gesammtbevölkerungen überwiegt. Daraus geht unwiderleglich hervor, daß nicht alle Mädchen durch die Ehe in den Wirkungskreis geführt werden können, welcher der natürlichste und angemessenste ist, daß nicht jede weibliche Kraft ihre Verwendung und ihre glückliche Sicherung gegen die Stürme des Lebens unter dem Schutze eines Gatten im eigenen Hause finden kann. Außerdem erschweren gegenwärtig andere Umstände die Schließung der Ehe. Viele, die einst mit geringen Mitteln einen eigenen Hausstand gründeten, dürften heute Anstand nehmen, selbst mit Mitteln, welche dem gesunkenen Geldwerthe entsprechen, diesen Schritt zu wagen. In England bleiben vierzig Procent aller Mädchen unverheirathet. So schlecht ist das Verhältniß in Deutschland nicht, aber dennoch haben auch wir in diesem Punkte Veranlassung genug zu ernster Aufmerksamkeit.

Die Forderung, daß man die Mädchen zu wirthschaftlicher Selbstständigkeit erziehen müsse, wird in immer größeren Kreisen als vollkommen berechtigt anerkannt und auch auf diejenigen Mädchen ausgedehnt, welche in die Ehe treten und die Führung des eigenen Hausstandes übernehmen; denn die Art und Weise, wie unsere Großmütter, lustlos schaffend, diese Aufgabe erfüllten, ist eben nicht mehr ausreichend.

Die erste Folge der größeren Aufmerksamkeit, welche man der Erziehung der weiblichen Jugend in den letzten dreißig Jahren zuwandte, war die Gründung einer großen Menge von höheren Mädchenschulen, und an öffentlichen Schulen dieser Art giebt es jetzt in Deutschland fast dreihundert, die Zahl der Privatschulen aber ist noch erheblich größer. Der Gedanke, den Mädchen eine bessere Schulbildung zu geben und sie dadurch in den Stand zu setzen, mit Erfolg einen zu wirthschaftlicher Selbstständigkeit führenden Bildungsgang zu betreten, ist gewiß ein vollkommen richtiger, und die Gemeinden, welche Mädchenschulen gründen, helfen ohne Zweifel die Wege zu einer gesicherten Zukunft der Frauen wesentlich ebnen. Aber auf dem so gelegten Grunde ist bisher nur in beschränkter Weise weiter gebaut worden. Leider sind wir noch ziemlich weit von der Anerkennung des Grundsatzes entfernt, daß jede ehrliche Arbeit adelt, und so glaubte man auch für gebildete Mädchen nur auf einen engen Kreis von Berufsarten Rücksicht nehmen zu dürfen. Wenn ein junges Mädchen zur Kunst, besonders zur Malerei und Musik, keinen Beruf in sich verspürte, so hielt man eigentlich nur zweierlei für passend: sie konnte Gesellschafterin, oder, wie man lieber sagt, Vertreterin der Hausfrau, und Lehrerin werden.

In rascher Aufeinanderfolge wurden, meistens im Anschlüsse an die höheren Mädchenschulen, Lehrerinnenseminare gegründet, und die Staatsbehörden, welche sich bisher dem höheren Mädchenschulwesen gegenüber ziemlich ablehnend verhalten hatten, erließen Prüfungsordungen und bestellten Prüfungscommissionen. Tausende von Mädchen gingen mit der ihnen eigenen Treue, die selbst das Kleinste wichtig erachtet, und oft mit Hintansetzung der schuldigen Rücksicht auf ihre Gesundheit an die Arbeit. So wurden der hohen Aufgabe der Volkserziehung Arbeiterinnen zugeführt, welche die bedenklichen Lücken, die während der Jahre des

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 615. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_615.jpg&oldid=- (Version vom 18.9.2022)