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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Nordabhange des Hochgebirgskammes in tiefen Schluchten liegenden Teiche dar. Der Anblick dieser Teiche ist mehr wild und erhaben als pittoresk. Das nördliche Ufer des ganz fischlosen großen oder schwarzen Teiches bildet ein gewaltiger Damm mächtiger Felstrümmer, von dem man eine schöne Aussicht auf die Riesenkoppe hat. – Am kleinen Teiche starrt dagegen der Abhang des Kammes in einer Höhe von 200 Meter wahrhaft alpenartig schroff empor. Um den beengend düsteren und einsamen, großartig ernsten Eindruck seiner Ufer voll auf sich wirken zu lassen, versäume man nicht, rund um ihn herum zu gehen. Zwischen ihm und der Koppe befindet sich eine merkwürdige Verengung des Hochgebirgswalles auf dem hier über 1000 Meter hohen Koppenplan zwischen den schauerlichen Schluchten des „Melzergrundes“ und des „Riesengrundes“. Letzterer beginnt in Böhmen eigentlich schon bei den wohlhabenden, sauberen und freundlichen Ortschaften Freiheit und Marschendorf. Je weiter man aber vordringt, desto mehr entfalten sich immer größere Schönheiten, desto mächtiger steigen die Berge empor. Oberhalb des schönen Dorfes Groß-Aupa scheint das enge Hochthal völlig abgeschlossen zu sein. Plötzlich aber öffnet sich dem Auge ein Durchgang, und man steht, ringsum von schroffen Felswänden eingeschlossen, in dem fast senkrecht 600 Meter abfallenden Grunde vor der aus wahrhaft erhabener Höhe herabblickenden Riesenkoppe.

Leider lassen gerade hier, in den schönsten Gebirgsgegenden, die Fahrwege, mit Ausnahme der Poststraßen durch Schreibershau, sowie von Landeshut nach Schmiedeberg, noch immer viel zu wünschen übrig, oder sind noch gar nicht vorhanden.

Auch der Bau von zwei in dem ungemein breiten und ebenen Hochthale fast ohne alle Schwierigkeiten herzustellenden Secundärbahnen, von Hirschberg einerseits nach Schmiedeberg, andererseits nach Petersdorf, scheiterte bis jetzt an kleinen Sonderinteressen. Ueberhaupt bleibt noch so Manches für die Hebung des ganzen Gebirges zu thun. Jene früheren nahezu patriarchalischen Zustände, wo man im ganzen Hochgebirge nichts zu essen und trinken bekam als Milch, Butter, Käse und Schwarzbrod nebst Enzian- oder Ebereschschnaps, wenn es sehr hoch kam, Ungarwein, Kräuterliqueur, Weinsuppe, Eier und schlechten Schinken, wo man beim besten Willen den ganzen Tag nicht mehr als höchstens fünfzig Pfennig zu verzehren vermochte und zur Nacht bei Beleuchtung eines Kienspanes gemeinschaftlich auf den Heuboden kletterte – haben allerdings großentheils aufgehört; vorläufig stagnirt jedoch die dortige Aufnahme und Verpflegung fast durchweg noch in jenem Zustande beschränkter Mittelmäßigkeit, die den für Viele so romantisch-poetischen Reiz idyllischer Naturwüchsigkeit verdrängt hat, ohne das empfindlichere Gefühl verwöhnterer Gäste zu befriedigen.

Hier bleibt für intelligente Concurrenz noch ein weiter Spielraum. Durch eine Besserung der Verpflegungszustände wie durch Eisenbahnen und gute Wege wird sich wohl auch die frühere Wohlhabenheit der Gebirgsstädte, auf deren einstigen Metallreichthum die Namen „Goldberg“, „Silberberg“, „Kupferberg“, „Schmiedeberg“ beredt genug hinweisen, von Neuem heben. Schon jetzt besteht ja in diesen Gegenden eine ziemlich lebhafte Glas-, Leinen-, Holz- und Spielwaaren-Industrie.

Im Aussterben begriffen sind dagegen die sogenannten „Laboranten“, welche sich mit dem Sammeln der köstlichen heilkräftigen Kräuter des Hochgebirges beschäftigen, und die seit langer Zeit das Privilegium hatten, daraus Arzneien und Liqueure zu bereiten. Unter ihnen wie auch unter den Gebirgsführern findet man originelle, anziehende, treffliche Leute, welche mit Treuherzigkeit gesunden Mutterwitz und scharfen Blick verbinden.

Von ganz eigenem Reiz gerade in diesem Gebirge ist eine Winterpartie; denn während gewöhnlich in den Herbstmonaten ein besonders reiner, sanftblauer, von keinen Wolken oder Nebelzügen getrübter Himmel über den grünen Bergen ruht, bedeckt oft schon wenige Stunden darauf eine mächtige Schneemasse den ganzen Kamm. Dann gewährt es ein ganz besonderes Vergnügen, an einem hellen klaren Wintertage in kleinen sicher geleiteten Handschlitten mit rasender Geschwindigkeit von den Bergen herabzufahren und das herrlichste „Alpenglühen“ zu genießen, wenn den fröhlichen Reisenden nicht „Rübezahl“, der mit vielen originellen Sagen umkleidete neckische Berggeist dieses Gebirges, mit seiner gefürchteten Koboldslaune einen Querstrich macht.

Dr. Z–f.




Am Strande.

Es keucht der Wind; die Möve schreit
      Um die felsigen Uferhöh’n;
Die Woge liegt blau und endlos weit,
      Und weiße Segel weh’n. –

5
            Nicht leben hier,

            Nicht streben hier
      Möcht’ ich zwischen Meer und Gestein,
            Doch im Küstensand
            Am weißen Strand

10
      Möcht’ ich begraben sein.

Da sänge der Sturm seinen ewigen Sang
      Mir um das todte Haupt,
Und trotz der donnernden Brandung Klang
      Würd’ nicht die Ruh’ mir geraubt. –

15
Durch die Buchen zöge der Vollmondschein;

Er zuckte am grauen Runenstein;
Dort stiegen Geister empor zur Nacht
Und hielten beim Göttermahle die Wacht;
Sie sängen ein altes, uraltes Lied,

20
Das grollend über die Düne zieht.

Doch weht vom Meere die Morgenluft,
Da stiegen sie wieder in ihre Gruft;
Um meinen Hügel wär’s wieder still,
Wie’s Einer braucht, der schlafen will. –

25
Und käme des Weges ein Wandersmann

Und früge: „Ihr Fischersleute, sagt an,
Wer fand am Strande hier die Ruh’?“
Dann spräche wohl Einer und nickte dazu:
„Weiß nicht, welch’ Namen man ihm einst gab;

30
’s ist eines deutschen Sängers Grab.“
Anton Ohorn.




Um die Erde.

Von Rudolf Cronau.
Vierter Brief: An der Spitze der Nation.[1]

Die Blicke der ganzen civilisirten Welt hängen seit Wochen mit ängstlicher Spannung an einem Hause, in dessen Mauern, von frevler Mörderhand getroffen, einer der edelsten Männer unserer Zeit mit dem Tode rang, Garfield, der Präsident der Vereinigten Staaten. Hat die „Gartenlaube“ es auch schon zu Beginn dieses Jahres unternommen, in knapp gefaßten Umrissen ein Bild des Erwählten der amerikanischen Nation zu entwerfen, so dürfte es dennoch nicht ohne Interesse sein, im „Weißen Hause“ selbst eingeführt zu werden, um zu beobachten, wie hier die Präsidenten des freiesten Volkes der Erde seit Jahren ihrer Amtsthätigkeit zu walten pflegen. – Wir müssen etwas weit ausholen.

Washington, die „Stadt der schönen Entfernungen“, ist in ihrer äußeren Erscheinung ein Städtebild der allernaivsten Art, einzig und ohne Gleichen in der ganzen Welt, aber durchaus das echteste und charakteristischeste Spiegelbild der amerikanischen Nation. Wie diese, so zeigt auch sie die größten Widersprüche und die schärfsten Extreme; Alles befindet sich hier in einem Stadium, wo Vollendetes und Halbes, Erhabenes und Unbedeutendes neben einander stehen. Nach einer Wanderung durch die ruhmreichen Avenues mit ihren zahlreichen, gleich Enak’s Söhnen über das Gewirre der unbedeutenden Backsteinbauten hinausragenden Marmorpalästen, in deren Architektur die gesunkenen Tempelbauten des classischen Griechenthums in schönster Weise ihre Auferstehung feiern, gelangt man in Stadttheile, auf deren wüstem Schutt- und Rasenwerk


  1. Dieser Artikel wurde vor dem Ableben Garfield’s verfaßt, ging uns aber erst am Tage desselben zu. D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 686. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_686.jpg&oldid=- (Version vom 23.10.2022)