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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

mich lieb – o, ich habe das immer gewußt. Als er Abschied nahm, sagte er es mir selbst, nicht mit deutlichen Worten, aber ich verstand seine Meinung, und auch, daß Du, Mama – daß Du ihm verboten hast – sich mir zu nähern. Verzeih’ – daß ich – ihm sagte – ich, ich wäre treu!“

Sie barg ihren Kopf. Niemand sprach ein Wort, während Ottiliens Hand aufs den braunen Flechten des Kindes ruhte.

„Vielleicht wäre so das Beste gefunden,“ sagte Graf Seeon aus tiefem Nachdenken heraus. „Ueberlegen wir!“

(Schluß folgt.)



Blätter und Blüthen.

Der protestantische Reformverein. Am 17. April 1879 war es, als in Berlin in einer vertraulichen Versammlung von siebenundzwanzig freisinnigen Männern die Gründung eines „Protestantischen Reformvereins“ beschlossen wurde. Es war die höchste Zeit; denn die erste ordentliche Generalsynode der evangelischen Landeskirche, auf welcher die orthodoxe Partei die entscheidende Majorität besaß, sollte demnächst eröffnet werden, und wenn sich auch keine Aussicht eröffnete, die Angriffe einer unduldsamen Hierarchie auf die Freiheit der wissenschaftlichen Theologie abzuwehren und Eingriffe in die Gewissensfreiheit durch Kirchenzuchtgesetze zu verhindern, so war doch wieder ein Banner aufgepflanzt, um welches sich alle Diejenigen, welche dem verknöcherten Kirchenglauben fremd gegenüberstehen, zu einem energischeren Widerstande gegen das Hereinbrechen der kirchlichen Reaction schaaren konnten, als es bisher möglich war.

Der „Protestantische Reformverein“, welcher gewissermaßen den secessionistischen und fortschrittlichen Flügel innerhalb der protestantischen Kirche repräsentirt, erkor zunächst den Prediger Dr. Kalthoff, den unerschrockenen märkischen Kämpfer für Religionsfreiheit (unsern Lesern aus den geistreichen Artikeln „Der Culturkampf in der protestantischen Kirche“, vergl. Nr. 17, 20,24 d. J., bekannt) zu seinem Diaconus, richtete in dem Concertsaale der Reichshalle einen regelmäßigen sonntäglichen Gottesdienst ein und veranstaltete zahlreiche Wanderversammlungen in den verschiedenen Stadttheilen Berlins. In allen diesen Versammlungen und in zahlreichen Broschüren vertritt der Reformverein die Grundsätze der Glaubens- und Gewissensfreiheit und die Rechte der Gemeinde gegenüber den Kirchenbehörden und Synoden. Gleichzeitig bekämpft er den religiösen und kirchlichen Indifferentisums, indem er den Sinn für die religiösen und sittlichen Ideale zu wecken sucht.

Mit den freisinnigen Elementen der übrigen Religionsgesellschaften sucht der Reformverein freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten und ist bemüht, die gegenseitige Achtung und Werthschätzung unter den Confessionen zu fördern, indem er von der Ueberzeugung ausgeht, daß die historischen Eigentümlichkeiten, durch welche die Confessionen sich unterscheiden, ein gemeinsames Arbeiten an den humanen Aufgaben der Religion nicht hindern, und daß das Wahre der Religion in der Gesinnung, nicht aber in den dogmatischen Vorstellungen und kirchlichen Ceremonien zu suchen sei; daneben hält der Verein daran fest, daß eine gesunde Weiterentwickelung des kirchlichen Lebens nur möglich sei auf der Grundlage des historisch Gegebenen. Er tritt deshalb ebensowenig aus der Landeskirche, wie er den Zusammenhang mit der religiösen Ueberlieferung abbricht, für die er nur die volle Freiheit der Kritik fordert. Die Grundsätze des Vereins sind in einem Programm zusammengefaßt, welches seiner Zeit auch die „Gartenlaube“ (vergl. „Blätter und Blüthen“ von Nr. 11 d. J.) zum Abdruck gebracht hat.

Das Berliner Consistorium nahm selbstverständlich von Anfang an eine feindliche Stellung gegenüber dem Vereine ein. Es versuchte wiederholt, wenn auch vergeblich, die Mitglieder des Reformvereins von den kirchlichen Gemeindeämtern auszuschließen und drohte sogar einem Geistlichen, der dem Vereine beigetreten war, mit Amtsentsetzung, wie auch eine Petition, welche der Reformverein an die Generalsynode um Abänderung des Ordinationseides der Geistlichen richtete, abschlägig beschieden wurde.

Trotz der Ungunst der Zeit findet der Reformverein in liberalen Kreisen immer mehr Sympathie, und wenn auch seine Mitgliederzahl nicht weit über zweihundert hinaus geht, so hat er doch außerhalb des Kreises seiner unmittelbaren Angehörigen sich viele thätige Freunde erworben. Auch besteht in Berlin ein Frauenverein, der in Frauenkreisen die Grundsätze des Reformvereins zu vertreten und auszubreiten sucht, und außerdem in Züllichau und Umgegend ein etwa hundert Mitglieder zählender Zweigverein.

Der Vorsitzende des Hauptvereins ist gegenwärtig Dr. med. Greve in Tempelhof bei Berlin. Mit Beginn dieses Jahres hat der Reformverein ein eigenes Organ erscheinen lassen, das „Correspondenzblatt für kirchliche Reform“, aber zu einer ausgedehnteren Thätigkeit bedürfte er noch bedeutender Geldmittel, die ihn in den Stand setzten, auch in den Provinzen Gesinnungsgenossen zu sammeln und die Theilnahme für die Reformbewegung zu wecken. Wir zweifeln indeß nicht, daß diese Bewegung trotz ihrer unscheinbaren Anfänge den Sieg erringen wird; denn ihr Ziel ist das gemeinsame Ziel jedes wahren kirchlichen Fortschritts: die Beseitigung der Hierarchie, des unfehlbaren Autoritätsglaubens in der evangelischen Landeskirche und die Herbeiführung einer auf echter Religiosität basirenden, die individuelle Gewissensfreiheit wahrenden, freien Gemeindekirche, also die Rückkehr zu der allein wahren Grundlage des Protestantismus.

Zuversichtlich sehen wir dem Siege der Idee entgegen, welcher der „Protestantische Reformverein“ dient, dazu bedarf es aber in weitesten Kreisen der Beherzigung jener Worte, mit welchen Dr. Kalthoff unsere Artikel über die protestantische Kirche im Culturkampf schließt, der Worte:

„Der Protestantismus ist verloren, sobald er im Geringsten zurückweicht und mit der Unwahrheit, der Unfreiheit gemeinsame Sache macht. Er wird siegen, sobald er sich rückhaltlos hingiebt an die Sache der Wahrheit, der Freiheit, der Menschlichkeit. Er wird siegen, nicht durch Polizeischutz und hohe Gönnerschaft, sondern durch das schlichte unverdorbene Gewissen des deutschen Volkes.“




Eine deutsche Geschichte der vierziger, fünfziger und sechsziger Jahre. Wer das deutsche politische Leben der Gegenwart mit seinen mannigfachen Kämpfen und Bestrebungen richtig verstehen will, der muß sich vor Allem mit der Vorgeschichte des neuen deutschen Reiches bekannt machen, muß sich über die Schwierigkeiten unterrichten, mit denen die Wiedererweckung des nationalen Gedankens zu kämpfen hatte, und sich die Hemmnisse vergegenwärtigen, die der Wiedergeburt des Reiches sich allerwärts entgegenstellten. Zu einer solchen Information fehlte es aber bisher an einem klaren und unparteiischen Buche, und so ist es denn sehr erfreulich, daß der geistvolle Historiker Karl Biedermann, der Verfasser des ausgezeichneten Werkes „Deutschland im achtzehnten Jahrhundert“, es unternommen hat, uns ein Bild jener denkwürdigen Zeit zu entwerfen. Er ist dazu berufen, wie wohl kaum noch einer unserer jetzt lebenden Historiker, und mit Recht darf er daher auch in dem Vorworte sagen:

„Ich habe es als einen glücklichen Umstand für diese meine Arbeit zu betrachten, daß ich den wichtigsten Begebenheiten und einem sehr großen Theile der hervorragendsten Persönlichkeiten aus der Epoche, welche ich schildere, unmittelbar nahe gestanden, daß ich in mannigfaltiger thätiger Anteilnahme am öffentlichen Leben Gelegenheit gehabt habe, vieles selbst zu erfahren und zu beobachte, anderes wenigstens aus sicherer Hand übermittelt zu erhalten.“ – Das empfehlenswerte Werk wird unter dem Titel „Dreißig Jahre deutscher Geschichte. Von der Thronbesteigung Friedrich Wilhelm’s des Vierten bis zur Aufrichtung des neuen deutschen Kaiserthums. Mit einem Rückblick auf die Zeit von 1815 bis 1840“ im Verlage von S. Schottländer in Breslau erscheinen. Zur Zeit liegt erst die erste Hälfte der Lieferung vor, aber wir halten es für unsere Pflicht, schon jetzt die Blicke des deutschen Lesepublicums auf das verdienstvolle Biedermann’sche Unternehmen hiermit hinzulenken.




Die Zillerthaler im Riesengebirge. Unser Artikel „Riesengebirgsbilder“ (vergl. Nr. 41 unseres Blattes) spricht sich über die wirthschaftlichen Verhältnisse der von König Friedrich Wilhelm dem Dritten begründeten Tiroler Colonie Zillerthal in abfälliger Weise aus. Wie wir nun von sachverständiger Seite erfahren, beruht jenes absprechende Urtheil unseres Berichterstatters zu unserem Bedauern auf ungenauen Informationen und ist daher einer Berichtigung bedürftig. Wir erachten uns daher zu der Erklärung verpflichtet, daß sich die Tiroler im Zillerthal in wirtschaftlicher, wie in jeder anderen Beziehung der königlichen Gastfreundschaft durchaus würdig gezeigt haben, und wünschen von Herzen, daß ihre Colonie nach wie vor blühe und gedeihe.

D. Red.




Kleiner Briefkasten.

Ein Deutscher in Wien. Sie sind ein sonderbarer Schwärmer. Da gießen Sie ein ganzes Füllhorn von Anklagen und Beschuldigungen der empfindlichsten Art über uns aus und füllen damit nicht weniger als drei eingeschriebene Briefseiten – aber mit keinem einzigen Worte führen Sie für diese mit vollen Pausbacken uns in’s Gesicht posaunten Vorwürfe einen Beweis, einen Beleg, ein Beispiel an. Das kennzeichnet neben der zaghaften Anonymität, in welche Sie sich zu hüllen belieben, zur Genüge die hinfällige Gedankenlosigkeit Ihrer wortreichen Anklage. Wollen Sie indessen Ihre heißspornigen Behauptungen ernsthaft vertreten – gut, so erscheinen Sie auf’s Neue auf dem Plane, aber mit dem offenen Visire eines ehrlichen Mannes und – mit stichhaltigen Gründen!

Eh. D. in Gr. B. Genauere Mitteilungen über Karlsbad, über Saisonleben, Landesart und Landschaft dieses Weltbades, finden Sie in dem frisch geschriebenen Essay unseres Mitarbeiters Fr. Wernick, welcher die erste Lieferung des bei Edwin Schloemp in Leipzig im Erscheinen begriffenen illustrirten Werkes „Bäder und Sommerfrischen, Lebens- und Landschaftsbilder von den beliebtesten Curorten Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz“ bildet.

Adresse des Herrn O. v. C. Wiederholen Sie gütigst die Anfrage unter Angabe Ihres vollen Namens!

M. G. in Tilsit. Die „Gartenlaube“ kennt keinen Autoritätsglauben und weiß das Gute zu schätzen, von wo es ihr auch kommen möge. Senden Sie also getrost!



Im Verlage von Ernst Keil in Leipzig erscheint demnächst:

Aus dem Leben einer alten Freundin. Von W. Heimburg,Verfasserin von „Lumpenmüllers Lieschen“ und „Kloster Wendhusen“. Dritte unveränderte Auflage. 28 Bogen 8. Elegant broschirt. Preis 5 Mark.

Wir enthalten uns jeder besonderen Empfehlung der vorstehenden, bereits in zwei- starken Auflagen verbreiteten vortrefflichen Erzählung, deren Verfasserin durch den poetischen Reiz und den lebhaft anregenden Inhalt ihrer wertvollen Producte sich längst den Ruf einer Lieblingsschriftstellerin der deutschen Familie erworben hat.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 772. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_772.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)