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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

„Ja, was bedeutet denn das? Wollt Ihr Pelchow erobern?“

„Das bedeutet, daß dies hier meine Arbeiter sind; über die hat die Pogge aus Teterow nichts zu commandiren. Und weil wir nun weiter nichts zu thun haben, betreiben wir hier unsern Spaß – wir wollen mal ein Hoch auf Fritz Pannewitz aus Branitz ausbringen, Leute.“

„Der Heer von Pannewitz soll leben – hoch! hoch! hoch!“

„Na, das ist ein Leben wie auf dem Kirschbaume,“ sagte Herr von Pannewitz. „Das ist mal wieder ’n richtiges Stück von Dir, Franz. Aber sag’ mal – –!“

„Wenn ich nach Hause komme, Pannewitz; jetzt habe ich keine Zeit dazu. Fahr’ nur ab jetzt!“

Herr von Pannewitz lachte bis auf den Hof von Pelchow. Dort suchte er sofort Curt auf, welcher eben mit dem Feldmesser conferirte: er sollte im Herbst wenigstens noch so viel wie möglich vermessen, während er die Arbeit lieber auf das nächste Frühjahr verschoben hätte. Mit erneutem Ausbruch von Heiterkeit trat der Branitzer ein und sprudelte sein Erlebniß heraus, für das er eine Erklärung verlangte. Der erstaunte Curt gab ihm einen Wink; nachher stehe er mit der gewünschten Aufklärung zu Diensten; erst wolle er aber den Feldmesser abfertigen, der heute noch zurückfahre. Der Mann gab denn endlich, da Curt auf seinem Willen bestand, nach, und dieser reichte ihm nun die Hand.

Dann führte er Herrn von Pannewitz in den Garten und erzählte von den seltsamen Zuständen, welche jetzt hier herrschten.

„Wenn man Ihnen nur helfen könnte!“ warf Herr von Pannewitz hin. „Manches grenzt ja an meine Felder, aber wenn ich da auch eingreifen wollte, viel würde es Ihnen nicht nützen, und Ihr Onkel ist mir ein zu langjähriger Freund, als daß ich ihn direct vor den Kopf stoßen möchte.“

Curt von Boddin hielt plötzlich an.

„Ich habe eine Idee, welche vielleicht einen Ausweg bietet. Wenn meine Nachbarn mir das, was an den Grenzgebieten noch steht, zu ermäßigten Preisen abkauften mit der Verpflichtung, es selbst zu ernten? Vielleicht auch das Getreide in Diemen?“

„Ganz gut, aber wir haben keinen Arbeiterüberfluß.“

„Nun kommt die Hauptsache: wie, wenn diese Nachbarn die Arbeitercompagnie meines Onkels für den Zweck der Ernte von ihm erwürben? Die Leute hätten Arbeit, mein Onkel keine Verlegenheit wegen ihrer Bezahlung; er hätte die Genugthuung, die Leute als „seine“ Arbeiter zu behalten; ich verwerthete meine Kartoffeln, Rüben, mein Kraut und Heu und brauchte das Zeug nicht draußen verkommen zu lassen. Was meinen Sie dazu?“

„Der Einfall ist kostbar. Sie sind ein ausgezeichneter Schachspieler, Herr von Boddin! Stellen Sie mir meinen Posten aus – ich verhandle nachher sofort mit dem Alten; da können wir ja gleich die Probe machen, ob er seine Compagnie dazu hergeben wird. Warten Sie nur! Er wird Sie schätzen lernen und sich versöhnen lassen.“

„Es wäre mir lieb,“ seufzte Curt.

Alles ging auf’s Beste.

„Wir wollen blos nicht für den Teterower arbeiten,“ sagte der Baron.

Auch den Leuten war das Faullenzen zuwider. Herr von Pannewitz versprach Curt, mit ihm die Rundfahrt auf die Nachbargüter zu unternehmen, sobald er sich über die Verkaufsobjecte klar geworden, und ihm zu helfen, die befreundeten Besitzer zu überreden.

Am Abend, als er fort war, kam der Radmacher zu Curt. Ob er denn nicht einmal in die Schule gehen wolle? Der Schulmeister hätte ein Anliegen wegen eines Schweinestalles und kränkte sich und hätte nicht die Courage, auf den Hof zu gehen. Der junge Herr wäre ja nun auch Schulvorstand, und der Schulmeister wolle ihm einen feierlichen Empfang bereiten.

Curt war verwundert. „Er hätte viel zu thun, aber er wolle morgen Vormittag einmal hinkommen. Nur den Empfang solle der Mann sich ersparen.“

„Das Vergnügen müssen Sie ihm lassen, junger Herr; er hält höllisch viel auf so was, hat sich das so schön ausgedacht.“

Aus Teterow hatte man das Reitpferd geschickt; wegen des Kutschwagens und der Pferde schwebten noch Verhandlungen, sagte der Begleitbrief. So saß denn Curt am andern Morgen hoch zu Roß, als er des dem Radmacher gegebenen Versprechens gedachte, und es war die höchste Zeit, wenn er dasselbe noch einhalten wollte. Der englische Vollblutfuchs bekam die Sporen und griff tüchtig aus. Dort lag die Residenz des Schulmonarchen von Pelchow.

Ausgestellte Kinderposten huschten in das einstöckige, strohgedeckte, unansehnliche Haus; „ein Neubau könnte da nichts schaden,“ dachte Curt im Nähergaloppiren. Dann lächelte er: um die Thür war Grün gehäuft, und zwei bekränzte Stangen trugen ein „Willkommen!“ Als er vom Pferde sprang, stürzten zwei Jungen heraus, um die Zügel zu halten.

„Laßt Euch nicht schlagen, Jungens! So faßt an!“

Bei der Thür prallte Curt zurück. Da stand eine Deputation von drei Mädchen im Feststaate, die mittelste ein winziges, possirliches Ding, das ihn aus zwei großen blauen Augen furchtsam anblickte und ein beschriebenes Blatt in den runden Fingerchen hielt, hinter ihnen Herr Mederow nebst Ehehälfte. Er war im Frack und in schwarzen Handschuhen und hielt den Cylinderhut.

Das eine ältere Mädchen begann mit einem schüchternen Knix:

„Tritt ein in unsere niedere Hütte,
Die ernstem Streben nur geweiht!
Und Segen folge Deinem Schritte,
Der stets dem Edlen giebt Geleit.
Mit Gnade uns erfreue!
Wir schwören jetzt Dir Treue
Von nun an bis in Ewigkeit.“

Jetzt knixte die Zweite drüben:

„Betrachte huldreich auch die Schäden,
Die hier der Zahn der Zeit genagt.
Bewurf, auch Dielen, Fensterläden
Sind schon seit Jahren tief beklagt;
Des Borstenviehs Cabine
Liegt gänzlich als Ruine;
Die Hülfe steht in Deiner Macht.“

Nun stießen die Mädchen ihre kleine Gefährtin in der Mitte an.

„Ich soll Dir das auch geben!“ platzte diese heraus, Curt das Papier überreichend.

„Aber Frieding, Du sollst ja noch sagen, was Du gelernt hast,“ erscholl die Stimme des Herrn Mederow.

„Das hab’ ich all vergessen,“ sagte die Kleine plötzlich.

Curt bückte sich und streichelte dem Kinde die Bäckchen.

„Ist Dein Vater nicht der Radmacher?“

„Ja!“

„Ei, ei, und Fräulein von Lebzow hatten die Gnade, Dir Dein Verschen so schön einzustudiren!“ sagte Herr Mederow.

„Wer? Meine Cousine?“

Herr Mederow knickte förmlich in sich zusammen.

„O Gott, welch ein schwaches Geschöpf ist der Mensch! Mein Mund hatte ja feierlich gelobt, davon nichts zu äußern. Ich hatte respectvollst gewagt, es noch auf speciellen Wunsch des gnädigen Fräuleins zu dichten. Es steht mit auf dem Papiere da, das ich unterthänigst mir erlaubt habe, überreichen zu lassen.“

Curt’s Verlangen, das Verschen zu hören, war plötzlich erkaltet. Aber er nahm Frieding auf den Arm und küßte die Zappelnde auf den rothen Kindermund. Dann reichte er den beiden andern Mädchen mit freundlichem Dankeswort die Hand und begrüßte nun erst das Ehepaar.

(Fortsetzung folgt.)




Um die Erde.

Ein neues Weltwunder am East-River.
(Mit Originalzeichnungen von Rudolf Cronau.)

Dort, wo der East-River zwischen den Schwesterstädten New-York und Brooklyn seine salzigen Fluthen wälzt, schwebt in gigantischer Höhe zwischen zwei kolossalen Thürmen ein riesiges Netz aus eisernen und stählernen Fäden, auf welchem, gleich emsigen Spinnen, heute Hunderte von Arbeitern rastlos hämmern und zimmern. Dieses kühne, hoch über dem Häusermeer von Long-Island und Manhattan aufgehängte Werk, unter welchem stündlich hundert Schiffe aller Art, Dampfer und hochmastige Segler, unbehindert

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 796. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_796.jpg&oldid=- (Version vom 4.12.2022)