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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Wir wollen nun zum Schluß unserer Elektricitäts-Betrachtungen noch einige Worte über die „elektrischen Conferenzen“ anführen. Die große Reichhaltigkeit der Ausstellung, die meist außergewöhnliche Complicirtheit der functionirenden Apparate, ferner die Erkenntniß der hohen Wichtigkeit aller elektrischen Vorgänge für sämmtliche Gesellschaftsclassen, sowie das rege Interesse, welches das Publicum besonders während der Abende für die Ausstellung zeigte, bestimmten eine Anzahl Männer der Elektrotechnik, in kurzen Tagesintervallen, gewöhnlich dreimal in der Woche, erklärende öffentliche Vorträge im Palais de l’Industrie über eine Reihe elektrischer Zweige zu halten. Der Besuch dieser Vorträge, da dieselben stets von zahlreichen und meist noch nie gesehenen Experimenten begleitet waren, war daher, zumal die Redner dem Kreise der höchsten technischen Elite angehörten, ein sehr reger und auch lohnender.

In gleichem Maße, wie hier in dem Congreßsaale dem zahlreich versammelten Auditorium das Wesen und die Organisation der neueren Telephonie vorgeführt wurden, enthüllten sich vor unseren Blicken jene merkwürdigen Räthsel, welche vereint die volle Tragweite der elektrischen Kraft darthaten: Photographien in natürlich erhaltenen Farben, die sogenannten „Photo-Relief-Bilder“, welche durch einen Proceß erzeugt werden, bei welchem das elektrische Licht vermittelst einer natürlichen Photographie auf eine eigenartige Gelatinmasse wirkt und in letzterer eine negative plastische Form erzeugt, durch welche man äußerst wirkungsvolle und getreue Relief-Bilder des Originals erhält; ferner die sinnreichen automatischen Apparate Meyer’s, welche beliebige Zeichnungen und Schriftstücke mit schärfster Genauigkeit und ohne chemische Mitwirkung, lediglich durch elektrische Ströme vollkommen getreu auf beliebige Entfernungen übermitteln; sodann das wunderbare Pyrophon Friedrich Kastner’s, das uns durch elektrische Kraft, von unsichtbarer Hand geleitet, die Zauberklänge der Aeolsharfe in voller Harmonie aus einem Flammenmeer ertönen läßt, das sind nur Beispiele aus der Reihe zahlreicher glänzender Errungenschaften der Elektricitätswissenschaft.

So steht der elektrische Strom heutigen Tages als eine Macht da, welche wir im höchsten Maße achten, werth halten und fördern müssen. Wie Telegraphen und Telephone in immer dichteren Maschen unseren Erdball umspannen, so ist die Elektricität dazu berufen, in gleichem Grade veredelnd auf Geist und Körper der Menschheit einzuwirken; sie wird nicht verfehlen, die Gesittung, die Bildung und den Sanitätsstand der Völker einer wesentlichen Besserung entgegenzuführen.

Paris, im November 1881. E. Hinkefuß.     


Die Schlacht von Unter-Sendling.

(Christnacht 1705.)

Eine Weihnachtsgeschichte ist es, von der wir in Nachfolgendem unsern Lesern berichten. Aber sie gehört nicht zu den üblichen Erzählungen von dem Glanz und Duft der strahlenden, wunderherrlichen Christnacht, welche die frohe Feststimmung läutern und erhöhen; denn nicht vom „Frieden auf Erden“ vernehmen wir in ihr, sondern nur von dem Elende des Krieges, und nicht von dem verheißenen Glücke der Menschheit weiß sie zu berichten, sondern nur von dem Jammer eines durch fürstlichen Uebermuth schwergeprüften Volkes. Ihre Haupthandlung fand einen blutigen Abschluß auf den Gefilden Unter-Sendlings, und eine rachgierige Henkerarbeit in den Straßen Münchens bildete ihr grausiges Nachspiel: Mit Recht hat man diesen Christtag von 1705 „Eine Mordweihnacht“ genannt.

Das vorige Jahrhundert war gerade angebrochen, als unter den Herrschern Europas ein Streit über die spanische Thronfolge entstand. Das deutsche Reich hatte zwar kein besonderes Interesse an dem Ausgange dieser Zwistigkeiten, ein Theil desselben wurde aber durch die kurzsichtige Politik einiger Fürsten in die verderblichen Kriegswirren verwickelt. Max Emanuel, der damalige Kurfürst von Baiern, schlug sich auf die Seite der Franzosen, und sein Heer stand nun den kaiserlich österreichischen Truppen feindlich gegenüber.

Nach der Entscheidungsschlacht bei Höchstädt am 13. August 1704 wurde Baiern von dem siegreichen kaiserlichen Heere als ein mit Waffen erobertes Land mit unerhörter Grausamkeit behandelt.

Der Friede zu Ilbesheim ließ nur das Rentamt München der Gemahlin des nach Flandern verjagten Kurfürsten, während alle anderen Städte des unglücklichen Landes gezwungen wurden, kaiserliche Truppen als Besatzung aufzunehmen. So kam es, daß bald in jedem Hause und in jeder Hütte Soldaten lagen, welche das Hab und Gut des Bauern und Bürgers verpraßten, und daß die vom Kaiser eingesetzten Minister das Volk außerdem mit Steuern und Lasten bedrückten, welche jeder Menschlichkeit spotteten.

Um nun dieses unerträgliche Joch der Eroberer abzuwerfen, hatten sich, während auch die Kurfürstin aus dem schwergeprüften Lande nach Venedig entfloh, entschlossene baierische Männer zu einem geheimen Bunde zusammengethan, welcher den Plan verfolgte, an einem gewissen Tage, dem Himmelfahrtstage, die ganze österreichische Besatzung niederzumachen, sich der Städte und Festungen zu bemächtigen und an einem der Donaupässe die Ankunft eines französischen Hülfsheeres abzuwarten. Durch die Verhaftung eines der Mitverschworenen wurde jedoch dieser Plan von den Oesterreichern entdeckt, welche nunmehr in München einrückten und in den baierischen Landen um so ärger wütheten.

Das Maß der Grausamkeit wurde schließlich durch einen kaiserlichen Befehl erschöpft, in Baiern zwölftausend Mann auszuheben, um sie in Italien oder Ungarn für den Krieg zu verwenden. Da inzwischen der Adel und die Geistlichkeit sich allgemein dem Kaiser angeschlossen, der Kurfürst fern von dem Lande weilte und keine Hülfe bringen konnte, so sah sich das unmenschlich geknechtete Volk auf sich selbst angewiesen, und es faßte auch alsbald den Beschluß, sich gegen seine Bedrücker mit den Waffen in der Hand zu erheben.

Unter dem Rufe: „Lieber baierisch sterben, als in des Kaisers Unfug verderben!“ rotteten sich Bürger und Bauern zum hellen Widerstande zusammen.

Nachdem bei Neunburg vor’m Wald und bei Retz in der Oberpfalz 500 bewaffnete Bauern den Oesterreichern einen Rekruten-Transport entrissen hatten, tauchten überall im Lande aufständische Haufen auf, und in wenigen Wochen war das Heer der baierischen „Landesvertheidiger“ auf 30,000 Mann angewachsen. Es begann ein blutiger Guerillakrieg, in welchem Tausende von Bauern im offenen Kampfe fielen und zahlreiche Gefangene von den Oesterreichern an den nächsten Bäumen aufgeknüpft wurden. Hier und dort entschied jedoch das Schlachtenglück zu Gunsten der Aufständischen; sie erstürmten Burghausen, Braunau und Schärting. Die Erhebung griff weiter um sich, und vom Inn und der Isar pflanzte sie sich an die Donau fort.

Es war aber ein ungleicher Kampf, den die baierische „Landesdefension“ in der äußersten Noth unternommen hatte. Sie verfügte nur über regellose, schlecht bewaffnete und schlecht geführte Haufen, während der Feind in den Winterquartieren kriegsgeübte Truppen besaß. Es war also leicht vorauszusehen, daß der Heldenmuth der aufständischen Bauern bald unter dem regelrechten Feuer der kaiserlichen Musketiere verbluten werde.

Trotz alledem beschlossen die Bauern im Isarwinkel, als die Erhebung auch in Oberbaiern durchgedrungen war, einen verwegenen Streich auszuführen: die Stadt München zu überrumpeln, sie den Oesterreichern zu entreißen und die dort unter kaiserlicher Obhut befindlichen kurfürstlichen Prinzen zu befreien.

Heimliche, nächtliche Zusammenkünfte erfolgten zu diesem Zwecke bereits zu Anfang December 1705 in den verschiedenen Gebirgsdörfern, und man setzte sich durch vertraute Leute mit den Münchener Bürgern in Verbindung. Es wurde verabredet, daß die niederbaierischen und die oberbaierischen Bauern in der Christnacht gleichzeitig vor der Stadt erscheinen und die Bürger selbst auf ein gegebenes Zeichen die kaiserliche Besatzung überfallen und entwaffnen sollten.

Inzwischen aber wurde durch den Pflegemeister von Starnberg, Johann Joseph Oettlinger, der Feldzugsplan an den Feind verrathen, der seinerseits sofort gegen das starke Heer der niederbaierischen Landesdefension einige Regimenter schickte, um dessen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 864. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_864.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2022)