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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

nur die Folge eines muthwilligen Scherzes war, der eben schlimm ausfiel.“

Bei diesen Worten streichelte der Csikos den Hals Sandors, welcher die Entschuldigung mit einem für seinen Reiter wahrscheinlich vollkommen verständlichen Schnauben zu bestätigen schien.

„Vor dem Juden hatte ich den lustigen Patron durch meine Fürbitte zwar gerettet,“ fuhr Letzterer fort, „dagegen meinem Herrn für eine baldige Bekehrung desselben gut stehen müssen, ein Wort, Herr, das leichter gegeben als einzulösen war, da Sandor sich mittlerweile ganz zum Menschenfeind ausgewachsen hatte und Jedermann schon von Weitem mit den Hinterhufen begrüßte. Na, um es kurz zu machen, eines Abends gelang es mir doch, dem geriebenen Burschen den Lasso über den Kopf zu werfen und, ehe er sich’s versah, seinen Rücken zu gewinnen, wo es mir allerdings nicht zu bequem wurde; denn im nächsten Augenblicke schon flog der überrumpelte Wildling gleich einer losgelassenen Rakete in die Luft, um sich dann ebenso blitzschnell auf die Erde zu werfen und mir mit allen Vieren seine Entrüstung kund zu thun. Nun, das Stücklein ist unser Einem nicht neu, probirt es doch jedes reiterscheue Füllen, doch wurde es allmählich unangenehm, als Sandor es so rasch und oft wiederholte, daß es mir endlich fast schien, als hätte ich nicht ein Pferd, sondern eine Schlange unter mir, welche sich mit der einen Leibeshälfte in der Luft, mit der andern auf der Erde ringelt. Mein Sporn, mit dem ich jeden solchen Wechsel auf’s Gewissenhafteste markirte, verleidete endlich dem Widerspenstigen das Spiel, nun versuchte er aber ein anderes, indem er den Kopf zwischen die Vorderbeine, die Hinterfüße aber gegen den Himmel warf, gerade als wollte er kunstgerechte Purzelbäume schlagen; als ihm indessen auch dies nichts fruchtete, da wurde der arme Schelm schließlich ernstlich böse; die Mähnen sträubten sich ihm, als wären sie vom Sturme aufgewirbelt; Augen und Nüstern schienen Feuer zu speien, und der Schaum flog wie Schneeflocken um ihn her, und dann ein Sprung, Herr, wie ihn noch kein Roß unter mir gethan, und ein Rennen drauf, daß mir der Athem stockte, das Blut in den Adern hämmerte und es finstere Nacht wurde vor meinen Augen. Ehrlicher Sandor! Jetzt ein Seitensprung, und er wäre seines Reiters ledig gewesen. Aber er dachte nicht daran und jagte, wahnsinnig vor Zorn und Angst, fort, immer fort – ich sage Euch, Herr – nicht wie ein vierfüßiges Thier, nein, wie ein Vogel fliegt, den der Falke verfolgt – hoch in den Wolken.“

Der Csikos hatte sich warm gesprochen und liebkosete das edle Thier abermals mit der stolzen Zärtlichkeit eines glücklichen Vaters, ehe er seine Erzählung mit den Worten schloß, welche zugleich meine Frage nach der Dauer des tollen Rittes beantwortete:

„Genau weiß ich’s nicht zu sagen, Herr; denn als Sandor endlich unter mir zusammenbrach, blieben wir Beide auf demselben Platze halbtodt liegen, daß wir aber eine hübsche Strecke zurückgelegt, merkten wir am Heimwege, welchen wir mit dem grauenden Morgen antraten, dessen Ziel wir aber – allerdings als vortreffliche Freunde – erst erreichten, als die Sonne zu Bette ging.“

Der Zigeunerbrunnen, wo wir uns nach Pista’s Anweisung zur lustigen Jagd versammeln sollten, lag etwa zweitausend Schritte von dem Ende eines todten Donau-Arms entfernt, welcher, theilweise versumpft und mit Schilf bedeckt, mit seinen vielfachen, bis an den Hauptstrom reichenden Verzweigungen den Wölfen jene zahlreichen Schlupfwinkel bietet, wo diese Raubthiere am liebsten hausen. Der Brunnen selbst unterschied sich nicht von den bekannten, auf allen Steppen gebräuchlichen Cisternen mit den hochaufstrebenden Hebebäumen und daran baumelnden Wassereimern, bot aber bei unserer Ankunft durch die Staffage ein Nachtbild interessantester Art.

Vom schwarzblauen Himmel leuchtete der Mond, welcher seine stille nächtliche Bahn zwischen zahllosen Sternen verfolgte, hell und klar herab und beschien mit seinen milden Silberstrahlen ungefähr dreihundert Rosse, die in Gruppen lagen und standen, oder ihren Durst aus dem gemauerten Wasserbehälter löschten. Im weiten Kreise umritten zwei Wachen die leichtfüßige Gesellschaft, damit nicht ein vorwitziges oder unerfahrenes Mitglied derselben auf Abwege gerathe, die übrigen Männer aber lagerten, ihre Mahlzeit verzehrend, um ein absichtlich spärlich erhaltenes Feuer, in dessen röthlichem Gluthschein die martialischen bärtigen Gestalten – was sie etwa an Schärfe der Umrisse verloren – sicherlich an malerisch romantischem Reiz gewannen.

Abseits von diesem Feuer in Pista’s Bunda (Schafpelz) gewickelt, lag ich bald so warm und behaglich, als wäre ich auf Eiderdaunen in fürstlichem Schlafgemache gebettet, und beobachtete mit Vergnügen, wie während der nun folgenden Vorbereitungen und Berathungen für den Empfang der ungebetenen Gäste die für gewöhnlich etwas lässig träge Haltung Pista’s allgemach elastischer und energischer wurde, wie in seinen intelligenten, doch meist verschlafenen Zügen das Feuer der Kampfbegierde erwachte, und denselben eine nahezu ideale männliche Schönheit verlieh.

Es war inzwischen Mitternacht geworden, und der Einfluß der Ermüdung machte sich geltend.

„Ist Gefahr bei der Sache?“ fragte ich noch mit halbgeschlossenen Lidern den mir zur Seite lagernden Csikos.

„Bah, Herr, nicht der Rede werth!“ meinte dieser. „Zwar gerieth einer meiner Schwäger bei solcher Gelegenheit mit seinem Pferde zu tief in den Sumpf und wurde von den sonst feigen Bestien derart zugerichtet, daß ihn die eigene Mutter nicht erkannte, aber es giebt eben Leute, denen selbst beim warmen Ofen die Nase erfriert.“

Etwas später vernahm ich noch im Halbschlummer ein sehr fernes, lang gedehntes Geheul und als Antwort Pista’s Brummbaß, die Worte murmelnd: „Ah, die rothen Teufel haben die Witterung; wir werden nicht umsonst warten,“ worauf ich in tiefen Schlaf versank.

Als ich, durch Pferdegewieher erweckt, die Augen aufschlug, zeigte das Lager ein ganz verändertes Bild. Die Heerde war verschwunden, und in der Dämmerung des eben anbrechenden Morgens sah ich nur etwa ein Dutzend Männer, den Lasso in der Hand, neben ihren Pferden stehen. In demselben Moment führte Pista auch mein Thier herbei. Die dunklen Augen des Csikos blitzten jetzt wie Karfunkel unter den buschigen Augenbrauen hervor, und jeder seiner Muskeln schien bis zum Zerreißen gespannt.

„Es ist Zeit, Herr,“ sagte er mit gedämpfter Stimme und auf das Schilf deutend; „die Bestien vergnügen sich an unserer Lockspeise; nun gilt es, ihnen gute Mahlzeit zu wünschen, ehe sie fertig sind.“

Aufhorchend vernahm ich in der That ein zorniges Knurren, ähnlich dem bissiger Hunde, plötzlich aber ging dasselbe in jenes gedehnte Geheul über, das ich schon in der Nacht vernommen. Nun ertönte es aber viel näher und wurde daher von den Pferden mit wildem Schnauben und Scharren beantwortet.

Im nächsten Augenblicke schoß Pista auf seinen Schimmel, und von einige Csikos gefolgt, flog er pfeilschnell davon, einen weiten Bogen um die Stelle im Schilfe beschreibend, wo die Reste des jüngst zerrissenen Füllens zur Anlockung der Raubthiere gedient hatte. Gleichzeitig, doch in entgegengesetzter Richtung, wurde dasselbe Manöver ausgeführt, sodaß nur der alte Farkas Josi mit zwei Begleitern zurückgeblieben war.

Da ich außer einem kleinen Sackpuffer keine Waffe bei mir führte, so folgte ich Pista in einer Entfernung, welche mir den ganzen Kampfplatz zu überschauen gestattete; von dort aus sah ich deutlich, wie sowohl Pista als die von der andern Seite her operirende Abtheilung eine Verengung des Donau-Armes zu gewinnen trachteten, wo das Rohr, minder dicht, den Wölfen weniger Schutz gewährte.

Fünf Minuten etwa mochte der scharfe Ritt gewährt haben, als vom Lagerplatze lautes Jauchzen und Hussageschrei erscholl, mit welchem Farkas Josi und seine Leute auf das ihnen zunächst liegende vorspringende Sumpfterrain losstürmten, jedenfalls nach Pista’s Disposition, die sich trefflich bewährte. Bestürzt durch den plötzliche Ueberfall, flohen die Wölfe, für diesmal auf jeden weiteren Raub verzichtend, ihren tiefer gelegenen Schlupfwinkeln zu, ohne den Hinterhalt zu bemerken, auf welchen sie nun ganz unvorbereitet stießen.

Die Scene, die nun folgte, als die unheimlichen Isegrimme, von allen Seiten eingeschlossen, unter furchtbarem Geheule bald feige zurückwichen, bald in verzweifelter Wuth den Kreis zu durchbrechen suchten, während die Reiter, ihre Lassos schwingend, sich gegenseitig durch lauten Zuruf verständigten und die scheuenden Rosse ermuthigten, – diese Scene mit allen ihren aufregenden, wechselvollen Einzelheiten zu beschreiben, wäre ein vergebliches Bemühen.

Genug – vier erdrosselte Wölfe waren das Resultat des Kampfes, der Tag desselben aber wurde durch die Großmuth des Directors, der über solche Verminderung der so gefährlich gewordenen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_079.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)