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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


sie jetzt nicht so wehrlos dastehen würde, so rathlos, so mit leeren Händen.

Doch wozu nützten solche Erwägungen? Darüber entschwand nur die Zeit, und diese leeren Hände durften sich doch nicht in selbstzufriedener Ergebenheit in den Schooß legen. Hilda hatte ebenso wenig Anlage zum stillhaltenden Fatalismus des Mohammedaners wie zur alles dem Walten der Vorsehung anheimstellenden Frömmigkeit der Nonne. Ihr gesundes, reges Naturell drängte zum Handeln, zur Selbsthülfe. Es mußte etwas geschehen – um des armen Kranken willen, den sie noch immer mit Bangen im Jägerhause wußte.

Und wenn es nicht anders ging, wollte sie sich an Franz wenden. Ja, es blieb kein anderes Mittel. Er hatte sich ja bereit erklärt, ihr das ganze auf Waltershofen eingesetzte Capital auszufolgen, und nur Geduld verlangt. Doch eben diese konnte sie nicht haben. Er mußte ihr wenigstens die Summe, die in Frage stand, schaffen. Und wenn er, wie Meinhard, nach dem Zwecke fragte? Nun, dann würde sie zu sprechen wissen. Kein fremder Zwang legte ihr hier Verschwiegenheit auf, und es war nur zartfühlende Scheu gewesen, die sie abgehalten, seiner ablehnenden Heftigkeit die Stirn zu bieten. Jetzt zeigte sich ihr kein glatterer Weg mehr. Mochte Franz sich ereifern, wie er wollte, er konnte es doch nicht geschehen lassen, daß sein Bruder – –

Aber zaudern durfte sie nicht mehr. Die Stunden verrannen; schon begann der Abend zu dunkeln, und der Wagen konnte die Fortgefahrenen jeden Augenblick zurückbringen; dann war die günstige Gelegenheit zu einer ungestörten Verhandlung unwiederbringlich verpaßt.

Rasch entschlossen erhob sich Hilda und begab sich aus dem im oberen Stockwerke gelegenen Gastzimmer, das sie am vergangenen Tage bezogen hatte, die Treppe hinab, nach dem Arbeitszimmer ihres Bruders. Sie nahm den Weg durch das kleine Gemach, in welchem seine Garderobe und seine Jagdrequisiten untergebracht waren. Da – in dem Augenblicke, als sie eben den Fuß über die Schwelle setzen wollte – klang etwas, wie ein Lachen, an ihr Ohr. Erschrocken hielt sie den Schritt an.

„Ha, was ist das?“

(Fortsetzung folgt.)




Aus dem Thierleben Aegyptens.

In dem alten, classischen Reiche der Pharaonen, dem Lande der Pyramiden, begegnet man heutiges Tages noch einzelnen interessanten Repräsentanten des Thierreiches, welche die ältesten Menschenrassen des ursprünglichen ägyptischen Reiches überlebt haben und deren Bildnisse noch manches Monument der damaligen Zeit zieren. Unter diesen sind als besonders hervorragend zwei Thierarten zu bezeichnen, die, obgleich zu verschiedenen Classen der Wirbelthiere gehörend, dennoch in Bezug auf die mannigfachen, mehr oder weniger fabelhaften Erzählungen der Alten in einer gewissen Beziehung zu einander stehen.

Es sind dies die Pharaonsratte oder der Ichneumon, auch unter dem Namen „Manguste“ bekannt, und der vielberüchtigte Leviathan des Nilflusses, das Krokodil.

Der Ichneumon, welcher seiner Zeit gemeinschaftlich mit dem Krokodil an den fruchtbaren Ufern des großen Flusses in Unter-Aegypten lebte, ist ein recht nettes, ansehnliches, aber durchaus raubsüchtiges Thier, das nach mehreren Schriftstellern seit Urzeiten auch als Hausthier zur Vertilgung des Ungeziefers in den Wohnungen der Aegypter gehalten und gepflegt wurde.

Dieses Thierchen, zur Ordnung der Fleischfresser gehörend, ist nicht größer, als unsere gemeine Katze, jedoch etwas gestreckter, niedriger auf den Beinen und fast ebenso schlank gebaut, wie unsere Marder, denen es in Bezug auf Gefräßigkeit und Raubgier nicht im mindesten nachsteht. Dem Anscheine nach ist es ein recht anmuthiges Geschöpf, in dem man sicher nicht auf den ersten Blick, wäre es nicht seiner kleinen, schwarzen, frechen Augen wegen, eine so bösartige Natur vermuthen würde.

Das Exemplar, welches der Kölner zoologische Garten zur Zeit besitzt, hat eine Höhe von einundzwanzig Centimeter und eine Länge von einem Meter, wovon etwas mehr als die Hälfte dem Schwanze zukommt, dessen Basis ziemlich dick erscheint und zur Spitze hin, die in eine kleine, pinselartige schwarze Quaste endet, allmählich abnimmt. Den ganzen Körper ziert ein ansehnlicher Pelz von schwarz und gelblich geringelten, steifen Haaren, die in fahlgraue Spitzen enden, sodaß der Hauptton des Ganzen, abgesehen von dem Rücken, dem Kopfe und den Beinen, wo die Nuance etwas dunkler ist, dem Auge als hellgrau erscheint. Unter diesem sichtbaren Haarkleid steckt noch ein dichter, wolliger, rostgelber Pelz. Die Schnauze, die Sohlen und ein Ring um die Augen sind unbehaart, die Ohren klein und abgerundet und die Zehen bis an die Hälfte mit kurzen Spannhäuten versehen. Nach Brehm, der den Ichneumon in Aegypten gesehen, soll seine ganze Länge nur fünfundsechszig Centimeter betragen, wovon der Schwanz ungefähr die Hälfte einnimmt. Allein die Größe dieser Thiere, sowie die Nuancen derselben bieten uns, je nach den Ortschaften Afrikas, aus denen sie stammen, gewisse Modificationen, die aber hier nicht in Betracht kommen. Nach den verschiedenen Beschreibungen zu urtheilen, gehören alle Ichneumons, welche Afrika vom Norden bis zum Süden bewohnen, derselben Art an.

In der Wildniß lebt der Ichneumon vorzugsweise an den feuchten mit Schilf bewachsenen Ufern der Flüsse, wo er geschützte Verstecke zu seinem Aufenthalte leicht auffindet, um von dort aus unerwartet und ohne Gefahr auf seine Beute losstürzen zu können. Er nährt sich von allerlei kleineren Vierfüßlern, soll aber auch Schlangen, Eidechsen, Frösche und Insecten, ja sogar Würmer fressen, vorzugsweise aber geht er auf Raub von Geflügel und Eiern aus, und ist deshalb ein unbeliebter Gast der Landbewohner; denn gleich dem Marder und dem Iltis zerstört er viel mehr, als sein Bedürfniß erheischt. Uebrigens hat uns die Erfahrung gelehrt, daß er Fische den Fleischspeisen vorzieht.

Der Ichneumon, im Arabischen unter dem Namen „Nims“ bekannt, ist ein durchaus flinkes, behendes Thier und doch sehr vorsichtig in seinem Benehmen. Er klettert mit Gewandtheit auf kleinere Bäume, um Vögel zu erhaschen oder ihre Eier in den Nestern aufzusuchen. „Nach meinen Beobachtungen,“ sagt Brehm, der dem Ichneumon eine lange, ausführliche, höchst interessante Beschreibung widmet, „geht er nur bei Tage auf Raub aus, wagt sich niemals auf’s offene Feld, sondern schleicht vielmehr möglichst gedeckt und mit großer Vorsicht dahin. Sein Gang ist ganz eigenthümlich. Es sieht aus, als ob er auf der Erde dahin kröche, ohne ein Glied zu bewegen, weil seine kurzen Beine fast vollkommen von den langen Haaren seines Pelzes bedeckt werden. In den Sommermonaten gewahrt man ihn selten allein, sondern stets in Gesellschaft seiner Familie. Immer läuft ein Mitglied dicht hinter dem anderen her, zuerst das Männchen, dann das Weibchen und zuletzt die Schaar der Jungen, sodaß es aussieht, als wäre die ganze Sippschaft nur eine Kette eines einzigen Wesens, einer langen, sich dahin windenden Schlange nicht unähnlich.“

Seine Stimme klingt wie ein leises Wimmern, welches während der Paarzeit in ein scharfes, durchdringendes Pfeifen übergeht, sonst aber vernimmt man nur selten irgend einen Ton von ihm. Das Weibchen wirft im Frühjahr zwei bis vier Junge, die von Vater und Mutter sorgfältig gepflegt und bewacht werden, bis sie selbstständig sind; alsdann trennt die Familie sich, und jedes bleibt allein für sich, bis die Paarungszeit die beiden Geschlechter wieder zusammenbringt.

Der Ichneumon ist der Gegenstand einer Reihe von fabelhaften Erzählungen. Daß er die Krokodileier verspeist und deshalb, wie Herodot erzählt, bei den alten Aegyptern der höchsten Verehrung genoß, kann wohl als wahrscheinlich gelten; wenn aber Plinius berichtet, daß er dem Krokodil, während dieses sich mit aufgesperrtem Rachen in der Sonne labt, in’s Maul hineinspringt, sich durch die Halsöffnung desselben bis in den Leib hineinbohrt, dort Herz und Leber zerbeißt und sich alsdann, vermittelst seines kleinen Gebisses, einen Weg nach außen durch die Leibeshöhle bahnt, so gehört diese Mittheilung ohne Frage in das Gebiet der Erfindung. Eine bloße Volkssage ist sicherlich auch der Bericht, er pflege sich mehrmals im Kothe zu wälzen und sich alsdann an der Sonne zu trocknen, damit die Giftzähne der ihm gefährlichen Schlangen diese Art Harnisch nicht zu durchbohren vermögen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_124.jpg&oldid=- (Version vom 7.8.2023)