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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


nur gleich todtschießen könnte, damit wir in der Stadt, wo sie solch Gethier ja nicht mögen, auf einigen Zimmern eine Aufnahme fänden …“

Der Förster, der vor den beiden Andern voraufging, legte seine Hände auf den Rücken und begann leise zu pfeifen, was Leonhard nur zu gut als Zeichen der Erregung bei ihm kannte.

„Und Du, Mutter,“ sagte er spöttisch, wie um ihre Rührung nicht aufkommen zu lassen, „hättest nicht einmal den Trost, in der Stadt dem Leonhard seine Teppiche schrubben lassen zu können …“

Sie hatte ihr Tuch an ihre weinenden Augen gebracht.

„Wenn Du jetzt auch spottest, Du überlebtest es doch nicht,“ versetzte sie, „der Vater überlebte es nicht, Leonhard.“

„Und darum soll und wird es nicht sein, Mutter. Vertraue auf mich, gutes Mütterchen! Ich gelobe es Euch.“

„Was kannst Du geloben?“ fragte der Förster befremdet, sein Gesicht seinem Sohn zuwendend. „Geloben? Du bist ein geschickter Arzt, wirst unserem guten Herrn auch vielleicht um ein paar Jahre das Leben verlängern – aber dann? Schwindsüchtige Willen kannst auch Du nicht curiren. Glaubst Du ihn dahin zu bringen, daß er ein Testament macht und darin festsetzt: die Försterstelle behält lebenslang Curt Klingholt, mein alter Diener, und nach dessen Ende bekommt sie Edwin Klingholt? Denk nicht daran! Ein Testament macht der nicht – der nicht!“

„Darin magst Du Recht haben, Vater. Ich denke nicht daran; ich verlasse mich auf Andres, auf ganz Andres, sage ich Euch, und mein gutes Mütterchen soll sich auf mich verlassen … willst Du, Mutter?“ fragte er stehen bleibend, indem er ihre beiden Hände erfaßte und ihr tief in die guten hellblauen Augen blickte.

Sie machte ihre weiche, rundliche Rechte aus seiner Hand los, und zärtlich damit über sein Gesicht fahrend, sagte sie mit vor Rührung zitternder Stimme:

„Mein braver Leonhard! Gewiß, nächst Gott auf Dich am liebsten!“

(Fortsetzung folgt.)




Zur Geschichte des deutschen Buchhandels in der Restaurationszeit.
Von Rudolf von Gottschall.

Hat sich auch der Jubel darüber, „wie wir es jetzt so herrlich weit gebracht“, oft allzu dithyrambisch geäußert, so wird doch jede wahrheitsgetreue Darstellung der deutschen Verhältnisse aus früheren Jahrzehnten unseres Jahrhunderts immer von Neuem den Beweis liefern, daß eine Menge jener Schranken gefallen sind, welche früher die Entwickelung des geistigen Lebens hemmten. Und wenn man die kleinlichen Interessen in’s Auge faßt, mit denen sich die damalige Staatsweisheit auch in den höchsten Regionen beschäftigte, so muß man anerkennen, daß die Perspectiven der innern und äußern Politik seitdem bemerkbar großartiger geworden sind.

Mit welchen Hindernissen damals besonders der Buchhandel zu kämpfen hatte, der als Träger der geistigen Bewegung angesehen werden mußte, davon entwirft uns der dritte Band der Biographie von Friedrich Arnold Brockhaus, die sein Enkel Eduard Brockhaus herausgegeben (Leipzig, F. A. Brockhaus), ein sehr lebendiges Bild. An der Treue und Wahrheit desselben darf man um so weniger zweifeln, als dieser Band wie die ganze Lebensbeschreibung überhaupt aus archivarischen Quellen geschöpft und durchaus gewissenhaft ohne jede Schönfärberei abgefaßt worden ist. Acten und Briefe sprechen für sich selbst, und das anscheinend Unglaubwürdige erhält durch sie eine unwidersprechliche Bestätigung.

Als einer der rührigsten und tüchtigsten deutschen Buchhändler, welcher den Kampf gegen die französische Fremdherrschaft und das Napoleonische Regiment in seinen „Deutschen Blättern“ und in vielen seiner Verlagsunternehmungen mit großer Ausdauer geführt hatte, konnte Friedrich Arnold Brockhaus doch nicht den Verfolgungen entgehen, welche zur Zeit der Karlsbader Beschlüsse sich an die Fersen vieler der besten Patrioten hefteten, und sowohl die preußische wie die österreichische Regierung belastete seinen Verlag mit Verboten, Recensuren, Postdebitentziehungen und anderen polizeilichen Chicanen; daneben hatte er unter den damaligen gesetzlichen Bestimmungen über den Nachdruck zu leiden, welche in die deutschen buchhändlerischen Verhältnisse eine unglaubliche Verwirrung brachten.

Wir haben zwar die scharfen Verdammungsurtheile gelesen, welche Jean Paul und andere damalige Schriftsteller über das Unwesen des Nachdrucks aussprachen, aber es wird wenigen bekannt sein, daß dieser Nachdruck zum Theil sogar von den Regierungen privilegirt wurde. Diese Erfahrung machte Brockhaus bei seinem Hauptunternehmen, dem „Conversationslexicon“, das seinen Weltruf bis auf den heutigen Tag behauptet hat und gegenwärtig in einer dreizehnten, völlig umgearbeiteten und wesentlich bereicherten, auch mit Illustrationen und Karten ausgestatteten Ausgabe erscheint, von welcher gegenwärtig der erste Band abgeschlossen vorliegt. Der Nachdruck des Lexicons, welchen die Firma A. E. Macklot in Stuttgart veranstaltete, erschien damals mit königlich württembergischer allergnädigster Genehmigung, und in der Ankündigung spendete die Firma in naivster Weise dem Original warmes Lob; über den Werth desselben sei in ganz Deutschland nur eine Stimme; es bewähre sich in ihm, was deutscher Geist und deutscher Fleiß bei großen literarischen Unternehmungen zu leisten vermöchten, und das durch den vereinten Fleiß vieler ausgezeichneter deutscher Gelehrten hervorgebrachte Werk mache eine ganze Bibliothek entbehrlich. Die Macklot’sche Buchhandlung habe sich entschlossen, eine neue Auflage davon zu veranstalten, um das so vortreffliche Werk besonders in dem südlichen Deutschland weiter zu verbreiten und durch Verringerung des Preises seinen Besitz auch unbemittelteren Lesern zu erleichtern.

Das erscheint von unserem heutigen Standpunkte aus als eine ganz unbegreifliche Naivetät; Brockhaus aber hatte mit thatsächlichen Verhältnissen zu rechnen und mußte alle erdenklichen Schachzüge unternehmen, um jenen Nachdruck so unschädlich wie möglich zu machen. Er erlangte für die vierte Auflage seines Conversationslexicons ein Privilegium der württembergischen Regierung auf sechs Jahre; aber die Regierung war so gerecht und wohlwollend, das Privilegium, das sie der Firma Macklot für die dritte Auflage ertheilt hatte, nicht zu vergessen und Herrn Brockhaus an’s Herz zu legen, daß er ja die noch nicht erschienenen Bände derselben ausgebe und Macklot das Recht des Nachdrucks gestatte; Brockhaus hielt es für das Beste, mit seinem Nachdrucker nun selbst einen Vertrag abzuschließen, in welchem er diesem die Vollendung des Nachdruckes in einer bestimmten Zahl von Exemplaren gestattete, auf einen späteren Druck verzichtete und 1500 Gulden Schadenersatz zahlte. Doch auch dieser Vertrag hatte nicht den gewünschten Erfolg; er wurde unter allerlei Vorwänden nicht eingehalten; es kam zu Händeln, zu Processen, die durch mehrere Instanzen gingen.

Gleichzeitig traten auch andere Nachdrucke des Conversationslexicons zu Tage; kann man es Brockhaus verdenken, wenn er sich in einem geharnischten Flugblatte gegen die Flibustier-Industrie des Nachdruckes aussprach, in jener kräftigen, witzigen Weise, die an das Vorbild Jean Paul’s erinnerte? „Nein, liebes Publicum,“ läßt er sich vernehmen, „solange der Deutsche noch nicht auf dem Kopfe geht und mit den Füßen denkt, wird dir kein Mensch – und wäre dieser selbst ein königlich württembergischer Geheimer- oder ein Regierungsrath – einreden, daß Verlagsrecht kein Recht, Buchhandel kein Handel sei. Wenn du dagegen alles das bedenkst, was seit Luther und Frobenius, 300 Jahre lang, verständige und rechtliche Leute und darunter Männer wie Kant, Fichte, Pütter, Munde, Campe, Becker, Jean Paul, gegen den Nachdruck gesagt haben, so wirst du wohl begreifen, daß der Bücher-Nachdruck nichts weiter sei, als ein Polyp im Herzen des edelsten Eigenthumsrechtes, das je eine Nation in Anspruch nehmen kann. Du wirst also einsehen, liebes Publicum, daß Gesetze, die den Nachdruck erlauben, nichts anderes erzielen, als Verleger und Schriftsteller, die nun auch einen Magen haben wie der Nachdrucker, wenn auch keinen Straußenmagen wie dieser – zu nöthigen, an ihrer eigenen Tafel zu fasten, an der sie Herrn Macklot und Compagnie bewirthen.“

Mit solchen Anklagen der Nachdrucker, die er weiterhin mit dem Crispin vergleicht, der das Leder stiehlt und den Armen Schuhe daraus macht, aber nicht umsonst, wie dieser, oder mit den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_246.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2021)