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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Die Internationale Kunstausstellung in Wien.

Die vielverlästerte „Zeit des wirthschaftlichen Aufschwunges“, welche im Jahre 1873 gleich nach Eröffnung der Wiener Weltausstellung ein so jähes und schreckhaftes Ende fand, war auch für die Kunst Oesterreichs eine Zeit der Blüthe gewesen. Die Kunst gehört einmal zu den holden Ueberflüssigkeiten des Lebens; der Luxus ist eine Vorbedingung ihrer Existenz, und Reichthum und Glanz bilden ihr eigentliches Lebenselement, während sie in der Atmosphäre der Armuth, in dumpfer Dürftigkeit nur kümmerlich vegetirt und endlich ganz abstirbt. Das Talent selbst ist freilich unabhängig von der reinen Zufallsfrage, ob sein Träger mit äußern Glücksgütern reich gesegnet ist oder nicht – allein diesem Talent fehlt die Gelegenheit sich zu entwickeln, sich schaffensfreudig voll und ganz auszugestalten, wenn ihm nicht von außen her Mittel und Anregung, und zwar, um deutlich zu sprechen, klingende Mittel und baare Anregung zufließen.

Aus der hier gebotenen Andeutung erhellt, wie es um das Kunstleben in Oesterreich nach dem ominösen „Krach“ bestellt sein mochte. Die ganze Gesellschaft sah sich in ihrem Besitzstand bedroht, große und bis dahin bezüglich ihrer Sicherheit und Solidität über jeglichen Zweifel erhabene Vermögen waren plötzlich verhängnißvollen Erschütterungen ausgesetzt worden – Allen lag Alles näher, als sich das Leben durch die Erzeugnisse der Kunst zu verschönen. Wer konnte an Luxus denken, und war er auch noch so edel und erhebend, wo es sich um die Existenz selbst, um Ehre und Vermögen, um Sein oder Nichtsein in finanzieller und gesellschaftlicher Beziehung handelte? Auf wenige fette waren die sieben mageren Jahre für Kunst und Künstler in Oesterreich gefolgt. Die Bestellungen blieben plötzlich aus, und die Production erlahmte. Der Kunstmarkt, auf welchem sich erst kurz vorher ein so erfreulich lebhafter Verkehr etablirt hatte, war plötzlich völlig verödet, und nicht einmal die Kunstwerke, welche als Reste eines rasch verschwundenen Reichthums auf den Markt geworfen wurden, um ihren verunglückten Besitzern nur einen kleinen Theil dessen, was sie gekostet, wieder hereinzubringen, fanden Abnehmer, sodaß auch der durch dieses Ausgebot um jeden Preis verursachte Scheinverkehr auf dem Kunstmarkte den Künstlern eher noch schädlich als ersprießlich war.

Nicht willkürlich und nicht ohne Grund haben wir die hier geschilderten Verhältnisse berührt; wir haben damit in wenigen Worten den Grund und Boden charakterisiren wollen, aus welchem heraus mit einer gewissen Nothwendigkeit die Idee zu der großen internationalen Kunstausstellung in Wien erwuchs. Mit zwingender Kraft hatte sich die Erkenntniß geltend gemacht, daß etwas geschehen müsse zu Gunsten der schwer betroffenen österreichischen Kunst.

Die wirthschaftlichen Verhältnisse hatten sich in den letzten Jahren allerdings wieder einigermaßen gebessert, aber noch lange nicht in dem Grade, daß sie schon genügende Mittel zur Förderung der Kunst hätten schaffen und darbieten können. Es sollte also der Versuch gemacht werden, die internationale Aufmerksamkeit auf den österreichischen Kunstmarkt zu lenken, die ja früher, wenigstens theilweise, einmal schon gewonnen war und die sich dann wieder verloren hatte. Das Beispiel der wichtigeren deutschen Kunstcentren, die ja alle weit mehr für den internationalen als blos für den heimischen Bedarf arbeiten, wirkte belehrend und anfeuernd, und so entstand das Werk der ersten internationalen Kunstausstellung in Wien.

Schon heute, wenige Tage nach ihrer Eröffnung, läßt es sich aussprechen, daß der durch sie verfolgte Zweck thatsächlich erreicht werden dürfte; denn in der That bildet Wien während der Dauer der Ausstellung den Brennpunkt für das europäische Kunstinteresse, und es kommt nun Alles nur darauf an, daß dieses Interesse sich nach Wien gewöhne, und daß die österreichische Kunst dafür sorge, daß es sich nicht wieder von dort fortgewöhne.

Es mußten schwere Opfer gebracht werden, um die Ausstellung zu ermöglichen. Das Künstlerhaus (vergl. die obenstehende Abbildung) erwies sich für das Unternehmen als zu klein; die Genossenschaft der Künstler mußte sich also entschließen, das Haus, ein kleines bauliches Juwel, durch Zubauten, die ihm wahrlich nicht besonders zu Gesicht stehen, zu vergrößern. Dazu war Geld, viel Geld nöthig – opferwillige und hochsinnige Kunstfreunde brachten es auf. Es mußten Servitute, die für die Ewigkeit berechnet schienen, gelöst, einer der schönsten Plätze Wiens in seiner reizvollen architektonischen Gesammtwirkung wesentlich beeinträchtigt werden – Alles wurde der Genossenschaft bewilligt, weil man allenthalben von der Wichtigkeit des Unternehmens durchdrungen war.

Die materielle Unterstützung freilich, die der Staat der Ausstellung widmete, war nicht eben sehr ausgiebig, zumal wenn man berücksichtigt, daß er dadurch, daß die kaiserlich königliche Akademie der bildenden Künste neben der Genossenschaft als Mitunternehmerin der Ausstellung auftrat, selbst ein lebhaftes Interesse an derselben haben mußte. Es wurden im Ganzen 30,000 Gulden votirt, die zum Ankaufe von Kunstwerken und zur Herstellung der erforderlichen Medaillen verwendet werden sollen. Die Summe nimmt sich neben den Beträgen, welche das deutsche Reich und Frankreich zur würdigen Beschickung der Ausstellung ihren Commissionen zur Verfügung gestellt haben, nicht eben sehr ansehnlich aus. –

Soviel über die Vorgeschichte der Ausstellung! Sie ist, wenn man absieht von der imposanten Sammlung, welche in der „Kunsthalle“ der Wiener Weltausstellung zur Anschauung gebracht wurde, die erste ihrer Art in Wien. Nun ist das Werk fertig, und wir können daran gehen, eine kurze Schilderung seines Gesammtcharakters zu liefern. Eine eingehende kritische Würdigung der einzelnen Ausstellungsobjecte muß den Fachjournalen und dem Feuilleton der Tagesblätter überlassen bleiben; die „Gartenlaube“ hat sich, ihrem universellen Programme gemäß, nur mit dem wichtigen Culturereignisse, das die Ausstellung repräsentirt, als solchem zu befassen. Da die „Gartenlaube“ zudem sich bei Zeiten für ihren illustrativen Theil das Reproductionsrecht einer Reihe werthvoller Gemälde aus der Ausstellung gesichert hat, wird ihr noch Gelegenheit geboten sein, soweit es Raum und Programm des Blattes zulässig erscheinen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_281.jpg&oldid=- (Version vom 8.2.2023)