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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

charakteristischen Tracht und schmückten die wackere Brust der Sänger mit blühenden Rosen. Nicht selten geschah es, daß stramme Bajuvaren, die ebenfalls zum Theil in ihrer heimathlichen Tracht, in Kniehosen und Lodenstrümpfen, auftraten, den schmucken Töchtern der norddeutschen Tiefebene zum Danke in die blühenden Backen kniffen, und bei einem solchen Anblicke konnte sich auch der verbissenste Particularist der Ueberzeugung nicht verschließen, daß nunmehr wirklich und in der That die Mainlinie endlich und endgültig in die historische Rumpelkammer geworfen sei.

Das dritte deutsche Sängerbundesfest in Hamburg: Concert in der Festhalle.

Im Ganzen zeigten sich die Sangesgäste auf’s Angenehmste berührt von dem herzlichen Empfange, den ihnen die Feststadt zu Theil werden ließ, und als sie von Schülern der Volksschule durch die festlich geschmückten Straßen in ihre Quartiere geleitet wurden, da mögen in mancher Brust sich Gedanken geregt haben, wie sie Ernst Wichert in dem Liede aussprach, das er dem Königsberger Sängerverein mit auf den Weg gab:

„Sei froh gegrüßt, Hammonia,
Die gastlich uns gewogen!
Die Reise schien uns nicht zu hart;
Wir üben echter Sänger Art,
Zu fahren und zu singen –
Mag unser Werk gelingen!“

Das dritte deutsche Sängerbundesfest in Hamburg: Die Marienthaler Bierhalle

Und des Dichters Wunsch ist herrlich in Erfüllung gegangen. Doch wir dürfen unserer streng historischen Darstellung nicht vorgreifen und wollen den Festereignissen der Reihe nach folgen. Das erste dieser Ereignisse war der feierliche allgemeine Begrüßungsactus in der Festhalle auf der Moorweide.

Wir haben in Nr. 32 den Lesern der „Gartenlaube“ bereits eine Ansicht der Festhalle und eine allgemeine Beschreibung derselben gebracht. Das Innere der Halle war seinem pompösen Aeußern entsprechend mit Fahnen, Wappen und Emblemen prächtig decorirt, und dieser decorative Schmuck erhöhte sich in außerordentlicher Weise, als am Nachmittage in langem Zuge unter gewaltigem Zulaufe der Volksmenge die Fahnen und Banner der Sängervereine überbracht und rings an den Wänden der weiten Halle placirt wurden. Vor der rothausgeschlagenen Dirigentenkanzel stand die überlebensgroße Büste des deutschen Kaisers, und wieder vor dieser das mächtige Bundesbanner mit den beiden kostbaren gestickten Schleifen daran, die bei Gelegenheit der beiden vorhergehenden Sängerfeste holde Frauen zu Dresden und München den deutschen Sängern als Erinnerungszeichen verehrten. Gegen acht Uhr Abends füllte sich allmählich die Halle bis auf den letzten Platz mit frohen Festtheilnehmern, und nun betraten die Hamburg-Altonaer Sänger das Podium, um den von ihrem Dirigenten, Musikdirector Böie, schwungvoll componirten „Bundesspruch“ vorzutragen. Mächtig rauschte es durch die Räume:

„Klug im Rath, kühn zur That,
Furchtlos und frei, dem Kaiser treu,
Herz und Hand dem Vaterland!“

Als der einleitende Gesang, welcher auf stürmisches Verlangen des Auditoriums zweimal wiederholt werden mußte, verklungen war, bestieg Senator Stahmer die Dirigentenkanzel und begrüßte Namens der Stadt in einer warmen Ansprache die von nah und fern herbeigeeilten Sangesbrüder. Seine Rede schloß mit dem Motto: „Ergo bibamus!“ und einem kräftigen dreimaligen Hoch auf die Sänger. Darauf folgte wieder Gesang und dann im Namen der Hamburger Frauen durch Director Kümmel aus Altona die Ueberreichung einer dritten Schleife für das Bundesbanner, nicht minder kostbar als die bereits erwähnten zwei von Dresden und München. Die Schleife besteht aus einem schweren, breiten weißen Seidenbande, mit dem Hamburger Wappen und einer entsprechenden Inschrift in prachtvoller Gold- und Buntstickerei geziert, und ist aus dem renommirten Kunststickerei-Atelier der Frau Dr. Marie Meyer in Hamburg hervorgegangen. Als Vertreter des Sängerbundes dankte Notar Otto aus München für das schöne Angebinde, und nun begann ein fröhlicher Commers, den Solo-Vorträge von Gesangsvereinen aus den verschiedensten deutschen Gauen würzten. – Nicht minder fröhliches Treiben als drinnen in der Halle herrschte seit Anbruch des Abends draußen auf dem Festplatze. Dort in den zahlreichen Restaurations- und Erfrischungshallen war bald buchstäblich kein Platz mehr zu erhalten, namentlich aber, als der Commers zu Ende gegangen war und sich hier das ganze Festtreiben concentrirte. Allüberall klangen aus geübten Sängerkehlen vierstimmige Lieder bald ernster, bald heiterer Art, und dazwischen wieder jauchzten übermüthige Jodler in den warmen Sommerabend hinein. Daß dabei der braune Trank der Gerste in Strömen floß, bedarf keiner besonderen Erwähnung; denn einer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 596. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_596.jpg&oldid=- (Version vom 19.4.2023)