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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Helgoland in See, während ein anderer, noch größerer Theil sich mit einer Elbfahrt begnügte, am hügeligen, umbuschten, mit Dörfern und Villen besäeten Ufer entlang, bis zu dem reizend gelegenen Blankenese hinunter, wo ein herrlicher Sommertag voll Sang und Klang, voll Lust und Laune als herrlicher Epilog das herrliche Fest beschloß.

Spät Abends, als Dunkel sich über die Wasser des majestätischen Elbstromes niedergelassen hatte, führten die letzten Schiffe die letzten Festgenossen dem Hafen wieder zu, und in vielen Villen am Ufer flammte ihnen zu Ehren an den Fenstern Illumination auf. Am Montag wurde noch eine große Extrafahrt nach Kiel zur Besichtigung der dortigen Reichskriegshafenanlagen veranstaltet, und dann zerstreuten sich all die Tausende der Sänger wieder nach allen Richtungen der Windrose in ihre Heimath, wo sie, voller Dank gegen die gastfreundliche und liebenswürdige Feststadt, noch lange zehren werden an den schönen Erinnerungen – vom dritten deutschen Sängerbundesfeste.


Hymnus zur Eröffnung des Canals von Suez.[1]

Von Martin Greif.

      Heil dem Meere,
Heil dem gewaltigen!
Denn es verbreitet
Endlosen Segen

5
Tief in die Länder,

Wo in Gebirgen
Oder auf Ebenen
Thätig der Mensch wohnt.

      Dankbar im Geiste

10
Denkt er der Brüder,

Denen die Woge
Täglich ihr Brod giebt,
Die nicht ermüden,
Fern aus den Ländern

15
Schätze zu holen,

Deren für’s Leben
Jeder begehrt.
Kundig der Pfade,
Steuern sie draußen,

20
Selbst wenn die Sterne

Schwinden im Nachtsturm.
Jegliche Brandung,
Jegliche Klippe
Kennen sie ja,

25
Und sie errathen,

Wo sie zur Stunde
Segeln im Weltmeer.

      Selten nur einem
Festlandbewohner

30
Ist es beschieden,

Daß sein staunendes Auge froh wird
Deiner Betrachtung,
Rollender Ocean, weitbusiger,
Hochwogiger Wieger der Masten,

35
Abgründiger, furchtbarer Herrscher!

Doch wer dich einmal
Glanzvoll erblickte,
Rühmt dich für immer.

      Heil dem Meere!

40
Heil den Nationen,

Die es befahren!
Heil auch den Völkern,
Die es ernährt!

      Nordische Söhne

45
Dringen zur Zone

Glühender Sonne,
Und mit gebräuntem
Antlitze kehren
Kühner sie wieder;

50
Palmen erblickten sie,

Sahen den Lotos erblühen
Und die Banane
Längs des altheiligen Indus,
Der im Gesange daherrauscht,

55
Brahma verkündend und Wischnu und Schiwa

Und die geheime Kunde uralter Veden.
Seltsame Städte,
Drachen und Halbmond
Ueber den Zinnen,

60
Fürstliche Burgen

Luftigen Baustils
Schritten sie durch,
Vielbestaunt von der gaffenden Menge,
Denen die fremde Bildung

65
Ausruf entlockte und Lächeln.


      Ruh’loses Leben,
Leben des Schiffers,
Leben des segelnden Mannes im Boot!

      Goldlast in Tonnen,

70
Silber in Barren

Führt er hinaus;
Ganze zersprengte
Adern der Heimath,
Wie auch die Werke

75
Regerer Hände

Und der Maschinen
Schaffenden Fleiß.
Seiden und Purpur,
Perlen und Elfenbein,

80
Kostbaren Farbstoff,

Würzige Pflanzen,
Ambra und Myrrhen,
Zucker und Südfrucht,
Thee auch und Tabak

85
Tauscht er dafür.


      Doch der Weg ist lang und weit,
Lang für die Ungeduld;
Wasser und Himmel
Dehnen sich endlos,

90
Bis ihm nach Monden

Winkt des ersehnten,
Blühenden Welttheils
Fremdes Gestade.

      Aber der Schiffer,

95
Draußen im Weltmeer

Müßig die langen
Tage verbringend,
Schweift mit den Augen
Ueber der Karten

100
Seltsamen Umriß,

Ueber der Länder
Wundergestalt.
Siehe den schmalen Landstrich dort!
Länderverbindend

105
Strebt er durch’s Meer hin,

Von der geschiedenen,
Wogenden Salzfluth umspült.
Wollte sich öffnen
Dort eine Pforte,

110
Endlos nachstürzender Wogen

Gähnendes Bette,
Freudig hinüber
Zöge der Kiel.

      Und wohl! Der Menschheit

115
Rastloser Genius

Faßt den Gedanken;
Mächtigen Willens
Geht er an’s Werk.

      Durch!

120
Hacken und Schaufeln

Wühlen und graben,
Wagen an Wagen
Häufen den Grund auf,
Und es vertieft sich

125
Sichtbar die Rinne;

Wachsend erstreckt sich
Langhin der Damm.
Schleußen nur trennen,
Wehrend dem Andrang,

130
Meer noch und Meer.


      Los!
Und es rollet Meer zu Meer,
Und es gehen königliche Wogen
In das bereitete Bette,

135
Und sie nahen einander.

Die Jahrtausende durch getrennten,
Und sie vermischen sich.
Und es verbinden
Kreuzende Schiffe

140
Länder und Länder,

Fernen und Fernen,
Völker und Völker,
Geister und Geister,
Weithin das rege

145
Menschengeschlecht.


      Heil dem Meere!
Heil seinen hochrollenden Wogen!
Heil dem gewaltigen
Länderumgürtenden,

150
Allumfassenden Ocean!
  1. Die ägyptischen Wirren haben die allgemeine Aufmerksamkeit auf’s Neue auf den Suezcanal gelenkt und die Frage: „Was wird das künftige Schicksal dieser hochwichtigen Wasserstraße sein?“ schwebt auf Aller Lippen (vergl. unsern Artikel in der vorigen Nummer, Seite 578). In einem solchen Momente dürfte das obige schwungvolle Gedicht Martin Greif’s, das der Eröffnung des Canals (17. November 1869) seine Entstehung verdankt und das wir den kürzlich erschienenen „Gedichten“ (Stuttgart, Cotta) des hochbegabten Dichters entnehmen, unsern Lesern nicht unwillkommen sein. Wir benutzen mit Vergnügen diese Gelegenheit, um auf Greif’s „Gedichte“ anerkennend hinzuweisen und sie allen Freunden unseres Blattes bestens zu empfehlen.
    D. Red.

Die Herstellung des „Alden-Obstes“.

Eine wichtige Frage der deutschen Obstindustrie.

Die Obsternte steht nahe bevor. Vielleicht ist das ein richtiger Moment, um einmal einen Blick auf eine gewisse Seite der Obstcultur zu werfen, welche in Deutschland bisher viel zu wenig Beachtung gefunden hat – ich meine den Industriezweig des Obsttrocknens.

Es bedarf wohl kaum der Begründung, daß in einer gewissen Entfernung von großen Städten die Obstzucht nur dann lohnend sein kann, wenn man es ermöglicht, die Ernte getrocknet auf den Markt zu bringen. Abgesehen von der Gefahr des Verderbens und dem Zwange raschen Verkaufes, der eine Benutzung günstiger Conjuncturen ausschließt, ist wohl in’s Auge zu fassen, daß für eine bestimmte Obstmenge in frischem Zustande eine zehnmal höhere Fracht und dreimal höhere Emballagekosten zu verausgaben sind, als für dasselbe Obst in getrockneten Zustande. Selbstverständlich spreche ich hier nur von der Obstzucht, wie sie auf dem „platten Lande“ in großem Maßstabe betrieben wird oder richtiger: betrieben werden, sollte, und nicht von der Cultur des hochfeinen Tafelobstes, für welches in den großen Städten fast immer ein sicherer und lohnender Absatz gefunden wird.

Leider steckt gerade der Industriezweig der Obstpräserven-Fabrikation in Deutschland noch in den Kinderschuhen, und dies ist der Hauptgrund, daß die deutsche Obstzucht nicht den rechten Aufschwung nehmen will, trotz aller Bemühung pomologischer Vereine; denn die sichere und leichte Verwerthung des Products ist der mächtige Hebel für die Erzeugung jeder Art von Rohmaterial.

In eminentem Maße hat das Nordamerika erfahren, wo der Obstbau durch Einführung einer vortrefflichen Trocknungsmethode, die dem Californier Alden ihre Existenz verdankt, den erfreulichsten Aufschwung genommen hat. Wesentlich diesem Umstände ist es zuzuschreiben, daß, während die deutsche Obstzucht noch nicht den Bedarf des eignen Landes deckt und nur in den besseren Jahren in sehr wenig Obstarten einen unwesentlichen Ueberschuß für den Export liefert, in den Vereinigten Staaten jetzt alljährlich an getrockneten und eingekochtem Obst nach China, Japan, Central- und Südamerika und Europa für acht bis zehn Millionen Mark exportirt wird, trotz enormen Consums im Inlande.

Das „Alden-Obst“ hat auf der letzten Pariser Weltausstellung allgemeine Bewunderung erregt. Selbst die Franzosen, die doch ihre Prünellen so vorzüglich zu präserviren verstehen, hielten mit ihrer Anerkennung nicht zurück. Man glaubte die Vorzüglichkeit dieses Products in seiner ursprünglichen inneren Güte suchen zu müssen, und die Amerikaner thaten wohlweislich nichts, um diese irrige Annahme zu berichtigen. Im Gegentheil, sie werden nicht müde zu behaupten, daß nur auf ihrem Boden vorzügliches Obst producirt werden könne, und namentlich die Californier betrachten es als ein patriotisches Gebot, das Lob ihres Obstes bei jeder Gelegenheit laut zu verkünden. Nun ist es aber trotzdem eine unumstößliche Wahrheit, daß sich dasselbe in Bezug auf Colorit und Aroma – und Letzteres bedingt doch wesentlich den Wohlgeschmack – mit deutschem und französischem Obste durchaus nicht messen kann. Die Vorzüglichkeit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 599. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_599.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2023)