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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Kaiser bei dem Besitzwechsel von Mantua in spanischem Interesse verfügen wollte. Endlich wurde auch in Frankreich, das seit einem Jahrhundert der österreichisch-spanischen Weltmonarchie entgegengekämpft hatte, der leitende Staatsmann Richelieu besorgt über Habsburgs Pläne. Letzterer hatte den Frieden zwischen Polen und Schweden vermittelt, was Gustav Adolf möglich machte, im Juli 1630 in Pommern zu landen.

Wären die beiden lutherischen Kurfürsten von wahrhafter religiöser Begeisterung beseelt gewesen, rasch hätte die Sache der Gewissensfreiheit den Sieg errungen. Die ligistischen Fürsten waren damals (vor der Absetzung Waldstein’s) eher geneigt gegen das kaiserliche Heer als gegen Gustav Adolf Front zu machen, dieses Heer selbst aber war vielfach gelähmt, und Maximilian von Baiern schloß ein Bündniß mit Frankreich „gegen alle Feinde“ (worunter der Kaiser zu verstehen war) und verhandelte sogar über eine Neutralität mit Schweden. Aber die lutherischen Kurfürsten, weit entfernt, sich mit Gustav Adolf zu vereinigen, kamen ihm mißtrauisch entgegen. Nun schlossen sie zwar im Februar 1631 den Leipziger Convent, einen Versuch, durch nationale Mittel sich des Kaisers zu erwehren und den Protestantismus zu retten, aber bei ihrer Verzagtheit und Halbheit kam es nicht zur That. Inzwischen hatte die zweideutige Gesinnung der beiden Kurfürsten Gustav Adolf, der nur mit Vorsicht und Mühe hatte vordringen können, gehindert, Magdeburg zu retten. Die Stadt fiel am 20. Mai 1631. Entschlossen, den Untergang der Heimath nicht zu überleben und dem Feinde nur einen Trümmerhaufen zu hinterlassen, steckten die Bürger, wie Wittich nach gründlichen Forschungen dargethan hat, ihre Stadt selbst in Brand, die bis auf den Dom und etwa fünfzig Häuser in Schutt und Asche sank. Seit diesem Tage hat sich der Fluch der Geschichte an Tilly’s Namen geheftet.

Aber am 17. September 1631 wurde Tilly bei Breitenfeld von dem Schwedenkönige gründlich geschlagen, und seit diesem Tage sah in den protestantischen Landen der gemeine Mann zu Gustav Adolf wie zu einem Erlöser empor.

Aber mehr als alle Siege hob den Retter des Protestantismus der Tod in jene ideale Höhe, wo der im heiligen Kampf Gefallene, von allen Schlacken irdischer Interessen und Triebfedern befreit, in der Glorie des Märtyrers schwebt. Die gewonnene Schlacht bei Breitenfeld hatte jenen protestantischen Siegeszug nach Westdeutschland, Böhmen und Baiern zur Folge gehabt, auf welchem Gustav Adolf auf der Höhe seines Ruhmes stand, aber auch von politischen ehrgeizigen Gedanken ergriffen ward, durch welche sein erhabenes Streben mit selbstsüchtigen Zwecken verquickt wurde.

Unterwegs, nach der Schlacht am Lech, 5. April 1632, sah er Tilly fallen – da trat Waldstein wieder auf den Plan. Bei Lützen kam es am 16. November 1632 zur Entscheidungsschlacht; Gustav Adolf fiel, aber sein Tod entschied den Sieg; denn er entflammte sein nun von Bernhard von Weimar geführtes Heer zu erbittertem Rachekampf. Auf der feindlichen Seite fiel, zum Tode verwundet, Pappenheim mit dem Ausrufe: „Ich scheide fröhlich dahin, da ich weiß, daß dieser unversöhnliche Feind meines Glaubens an einem Tage mit mir gefallen ist“; er erlag am folgenden Tage in Leipzig seinen Wunden.

Wenn man sich lange Zeit gefragt hat, ob Gustav Adolf nicht mitten in der Schlacht von Mörderhand getroffen worden sei, so wird dies jetzt allgemein verneint. Interessant ist übrigens, was Gindely hierüber mittheilt: er behauptet nämlich, daß wirklich Jemand, dessen Name nicht genannt worden ist, nach der Schlacht bei Breitenfeld damit umging, den König zu ermorden.

Der Beichtvater der spanischen Infantin, Gemahlin Ferdinand’s des Dritten, der Kapuzinermönch Diego de Quiroga, dem das Anerbieten gegen 30,000 nach vollbrachter That zu zahlende Ducaten gemacht wurde, nahm dasselbe unter Zustimmung der beiden spanischen Gesandten am Wiener Hofe an und berichtete darüber nach Madrid. Dort wurde darüber berathen, aber dem Mönche der Befehl ertheilt, nicht darauf einzugehen; die königliche Antwort lautete: „wiewohl man dem Morde ohne jeden Skrupel beistimmen könnte, so scheint doch eine solche Handlung eines mächtigen und gerechten Königs nicht würdig zu sein, und deshalb dürften sich die königlichen Diener weder wissentlich noch mit ihrem Rathe daran betheiligen.“

„Aber durch welche Hand Gustav Adolf auch mag gefallen sein,“ sagt Schiller, „so muß uns dieses außerordentliche Schicksal als eine That der großen Natur erscheinen. Die Geschichte, so oft nur auf das freudenlose Geschäft eingeschränkt, das einförmige Spiel der Leidenschaft aus einander zu legen, sieht sich zuweilen durch Erscheinungen belohnt, die gleich einem kühnen Griff aus den Wolken in das berechnete Uhrwerk der menschlichen Unternehmungen fallen und den nachdenkenden Geist auf eine höhere Ordnung der Dinge verweisen. Es war nicht mehr der Wohlthäter Deutschlands, der bei Lützen sank – die wohlthätige Hälfte seiner Laufbahn hatte Gustav Adolf beendet; sein schneller Abschied von der Welt sicherte dem deutschen Reiche die Freiheit und ihm selbst seinen schönsten Ruhm.“

Ja, der frühe Tod des Königs hat sein Gedächtniß geheiligt, und keinem Führer der Gegenpartei ist ein so glänzender Nachruhm geworden. Charakteristisch ist, was Matthisson hierüber mittheilt. Als dieser 1792 auf dem Postschiffe von Lyon nach Avignon die Rhone hinabfuhr, traf er unter den Reisenden einen Grafen Tilly, welcher lange zu Bastia in Garnison gestanden hatte.

„Dieser,“ sagt Matthisson, „zeigte vielseitige Kenntnisse und feinen Geschmack. Wir lasen mit einander im Horaz und in Hume’s ‚Geschichte Englands‘, wovon er den ersten Theil bei sich hatte. Ich freute mich seines warmen und richtigen Gefühle und ward oft angenehm durch das Neue und Scharfsinnige seiner Bemerkungen überrascht. Er gestand freimüthig, daß er sich seines berüchtigten Ahnherrn, des Eroberers von Magdeburg, tief in der Seele schäme und daher unmöglich einen Geschlechtsnamen lieben könne, welchen dieser Unhold mit unvertilgbarer Schande gebrandmarkt habe.“

Wallenstein ist die Ehre widerfahren, von Schiller selbst zum Helden eines Dramas erhoben zu werden; das psychologische Räthsel reizte den Dichter, aber von ihm als dem Gegner Gustav Adolf’s bei Lützen sagt Schiller, der Historiker: „auf dem Bette, wo Gustav erblaßte, sollte Wallenstein den schuldbewußten Geist nicht verhauchen.“

Nach dem Tode Gustav Adolf’s konnte es nicht länger verborgen bleiben, daß es nur noch die Eroberung deutscher Grenzländer war, was die Fremden in Deutschland erstrebten. Das ganze Elend endete am 24. October 1648 der westfälische Friede, der den Augsburger Religionsfrieden auch auf die Calvinisten ausdehnte.

„Nun danket Alle Gott,“ sang damals nach Jesus Sirach 50, 24 - 26. Martin Ringhardt, Archidiakonus zu Eilenburg in Kursachsen, der den Friedensschluß nur ein Jahr überlebte. Leider währte es im letzteren Lande noch hundertfünfzig Jahre, ehe die Reformirten staats- und kirchenrechtlich der lutherischen Landeskirche gleichgestellt wurden. „Nun danket Alle Gott“ – daß auch diese Zeit vorüber ist!

Man weiß, daß, nachdem der westfälische Friede den deutschen Protestanten die Religionsfreiheit gegeben hatte, die Protestantenverfolgungen unter Ludwig dem Vierzehnten in Frankreich wütheten. Trotzdem ist man verblendet genug gewesen, das Zeitalter der Aufklärung, wie man das achtzehnte Jahrhundert genannt hat, aus Frankreich herzuleiten. Nein, aus dem im Despotismus versumpften, vom Fanatismus entnervten Frankreich konnte das Licht nicht kommen; in der protestantischen Welt, in Holland, England, Genf und Deutschland, ging die Sonne der neuen Zeit auf; dem protestantischen England haben Montesquieu und Voltaire, der Vertheidiger der verfolgten Protestanten, ihr Bestes entlehnt. Einzig die glaubensvolle protestantische Welt, die auch das Kleinod des freien Gedankens in sich barg, rettete die europäische Gesittung. Unter den Vertheidigern und Märtyrern derselben aber steht Gustav Adolf oben an; er rettete das Herz Europas, Deutschland.

Wie sich nun bei uns die starre Wortgläubigkeit in werkthätige Nächstenliebe auflöste, wie dann der von Rom befreite Geist in der Philosophie die Tiefen des Geistes erforschte, das zu entwickeln, fehlt uns hier der Raum. Aber das Eine müssen wir doch betonen: daß nun die befreiende That des Fremden von einer deutschen protestantischen Macht fortgesetzt wurde. Der große Kurfürst von Brandenburg (1640 bis 1688), die Politik seines Vorgängers wieder gut machend, schützte Holland gegen das fanatische Frankreich, das diesen protestantischen Staat zu vernichten trachtete, und suchte auch das von Schweden eingenommene deutsche Gebiet wieder zu gewinnen.

Die schwedischen Heerführer und Truppen hatten sich nach ihres Heldenkönigs Tode derselben Zügellosigkeiten schuldig gemacht, die von den Kaiserlichen begangen worden waren; dann hatte Schweden sich für seine Kriegskosten durch deutsche Länder bezahlt

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